Besucher schlendern über einen Weihnachtsmarkt.
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Besucher schlendern über einen Weihnachtsmarkt.

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"Absurde" Gema-Kosten: Weihnachtsmärkte ohne Weihnachtslieder?

Die Kosten für Musik auf Weihnachtsmärkten sind mancherorts um ein Vielfaches gestiegen. In einigen Städten herrscht wenige Wochen vor Beginn der neuen Saison noch Streit über die alte Rechnung. Wird es bald still auf den Märkten?

Ob Rolf Zuckowski oder Wham! – wenn im Freistaat bald wieder die Weihnachts- und Christkindlmärkte starten, dürfen die Weihnachtshits dieser Interpreten nicht fehlen. Doch das könnte sich in diesem Jahr ändern. Einigen Weihnachtsmarkt-Veranstaltern ist im Sommer eine deftige Rechnung ins Haus geflattert. Absender: die Gema.

Jetzt wird vielerorts gestritten, was in der nun bevorstehenden Saison überhaupt noch gespielt werden kann. Dabei ist das Programm auf den Bühnen oft entscheidend dafür, ob die Besucher den Markt als besonders stimmungsvoll erachten oder nicht. Die Hauptbühne gilt vielerorts als Frequenzbringer. Musikstücke, die dort laufen, meldet der Veranstalter - meist die Stadt - anschließend der "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte" – kurz: Gema.

Gema: Musik auf dem Weihnachtsmarkt kurbelt den Umsatz an

Die vertritt eigenen Angaben zufolge rund 90.000 Künstler weltweit und sorgt dafür, dass diese, jedes Mal, wenn ihre Musik gespielt wird, ein wenig Geld dafür bekommen. Musik sei schließlich ein attraktives Produkt, doch die Bereitschaft, dafür angemessen zu bezahlen, sei kaum vorhanden, heißt es. Dabei würden, das haben jüngste Berechnungen der Gema ergeben, bei einem großen Event, wie etwa dem Dresdner Striezelmarkt, gerade einmal 2,5 Cent pro Besucher fällig. Am Ende summiert sich das aber auf rund 50.000 Euro. Gleichzeitig generiere der Berechnung zufolge aber auch jeder Weihnachtsmarktbesucher rund 18 Euro Umsatz. Grund dafür sei auch die Musik, die eine Atmosphäre erzeuge, die den Umsatz steigen lasse.

Eine Rechnung von rund 40.000 Euro ereilte Mitte August die Stadt Bayreuth - obwohl man all die Jahre zuvor weniger als 500 Euro für die Weihnachtsmarkt-Musik zahlen sollte. Und damit war Bayreuth nicht allein: Bundesweit hätten etwa 35 weitere Veranstalter über drastisch erhöhte Gebührenbescheide gestaunt, heißt es auf Nachfrage beim Deutschen Städtetag. Unter anderem auch in Regensburg erreichte eine Rechnung das Rathaus, die um das Siebenfache höher ausfiel als in den Jahren zuvor. Statt 2.300 Euro sollte die Stadt nun fast 16.000 Euro zahlen.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Rund 3.350 Rechnungen hatte die Gema verschickt. In etwa 2.500 Fällen entsprach die Höhe der Gebühren in etwa jenen der Vorjahre. Bei rund 800 Städten und Gemeinden gab es moderate Erhöhungen im einstelligen Prozentbereich.

Extreme Kostensteigerungen ohne Gebührenerhöhung

Aber wie kommt es zu diesen extremen Kostensteigerungen, die die Verantwortlichen im Bayreuther Rathaus als "absurd" und als "Missbrauch einer Monopolstellung" bezeichnen? Verantwortliche meinen: Die Kostensteigerungen hätten wegen der ohnehin schon angespannten Lage der Märkte aufgrund von Inflation und Energiekosten das Zeug dazu, den Weihnachtsmärkten bundesweit einen massiven Stoß zu verpassen.

Doch: Kamen die Rechnungen tatsächlich ohne Vorankündigung, wie manch einer im Rathaus behauptet? Nein, heißt es dazu von der Gema. Denn eine Gebührenerhöhung habe es gar nicht gegeben. Vielmehr seien entweder die Veranstaltungsflächen oder Markttage massiv ausgeweitet worden oder aber man habe zum ersten Mal nachgemessen und genannten Flächen überprüft. Genau das habe sich die Gema nämlich vorbehalten.

Die Bemessungsgrundlage gilt seit dem Jahr 2011 und wurde bereits damals vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt. Darin heißt es, nicht die von manchen Veranstaltern gemeldete und über Lautsprecher mit Musik beschallte Fläche vor der Bühne ist entscheidend für die Höhe der Gebühr, sondern die Gesamtfläche des Weihnachtsmarktes. Den Tarif, der auch für Stadtfeste und andere Veranstaltungen gilt, hat die Gema mit der "Bundesvereinigung der Musikveranstalter" (BVMV) ausgehandelt. Ein Mitglied dort: der Deutsche Städtetag. Von der Gema heißt es daher: "Im Hinblick auf die Weihnachtsmärkte ist der Verband seiner Aufgabe, noch deutlicher über die Anwendung des Tarifs zu informieren, offensichtlich nicht ausreichend nachgekommen."

Und aus Bayreuth heißt es, man habe im vergangenen Jahr den Weihnachtsmarkt tatsächlich um eine Woche verlängert, um den durch die Corona-Pandemie arg gebeutelten, Marktbeschickern zu helfen. Und ja, dass die gesamte Fläche gemeldet werden musste, habe man nicht gewusst.

Weihnachtsmärkte setzen vermehrt auf lizenzfreie Musik

Ein Veranstalter, der die seit 2011 geltende Regelung offenbar mitbekommen hat, ist der Verein "Bürger für Friedberg", der seit mehr als 30 Jahren den Friedberger Advent im Osten der Stadt Augsburg organisiert. Dort heißt es auf Nachfrage, dass man ziemlich genau seit dieser Regeländerung ausschließlich Gema-freie Musik spiele.

Was genau man darunter versteht, erklärt die Verwertungsgesellschaft selbst: Demnach handelt es sich um überwiegend volkstümliche, traditionelle Weihnachtslieder in instrumentaler Form, also beispielsweise "Alle Jahre wieder", "Oh Tannenbaum" und "Oh du fröhliche". All diesen Liedern gemein ist: Der Urheber ist seit mehr als 70 Jahren verstorben, Text und Melodie sind damit gemeinfrei.

Weitestgehend auf eine solche gemeinfreie Musik setzt man seitdem auch in Augsburg. Spielen einzelne Musikgruppen dennoch einmal ein Gema-pflichtiges Lied, belaufe sich die Rechnung am Ende der Weihnachtssaison auf einen geringen vierstelligen Betrag. Mit einem solchen rechne man auch in der neuen Saison.

Und auch in München heißt es, die Rechnung der Gema für den städtischen Christkindlmarkt auf dem Marienplatz sei im Vergleich zum Vorjahr nicht erhöht worden. Genaue Angaben zur Höhe der Kosten könne man derzeit aus personellen Gründen aber nicht machen.

Nürnberger Christkindlesmarkt: Chöre sollen trotzdem singen

Ein anderer, großer Weihnachtsmarkt im Freistaat, blieb hingegen aus ganz anderen Gründen von einer hohen Gema-Forderung verschont. Aus der Stadt Nürnberg heißt es, der Christkindlesmarkt habe im vergangenen Jahr auf ein Bühnenprogramm verzichtet. Im Sommer, als die Auftritte der Chöre geplant werden mussten, sei schließlich nicht absehbar gewesen, welche Corona-Schutzmaßnahmen im Winter gelten würden.

In diesem Jahr allerdings sollen rund 90 Kinder-, Erwachsenen- und Posaunenchöre spielen. Geplant seien sowohl lizenzfreie als auch gebührenpflichtige Lieder. Wie in den nächsten Jahren damit umgegangen werde, will man beschließen, wenn die Rechnung vorliegt. Aber auch in Nürnberg heißt es: In den Jahren vor der Pandemie seien Beträge in einem unteren vierstelligen Bereich in Rechnung gestellt worden.

Mehrere Tausend Euro gestrichen: Gema spricht von Kulanz

Unterdessen habe man mit fast allen von besonders hohen Kostensteigerungen betroffenen Kommunen einen Kompromiss erzielt, heißt es von der Vermarktungsgesellschaft. In den meisten Fällen sollen die Rechnungen um einige Tausend Euro gekürzt worden sein – in Regensburg zum Beispiel um etwas mehr als 3.000 Euro.

Der Deutsche Städtetag sagt, mit den Härtefällen sei vereinbart worden, dass die gekürzten Rechnungen auch für die bevorstehende Weihnachtsmarkt-Saison 2023 gelten würden. Die Gema bestätigt diese Zusage und spricht von Kulanz.

Gebühren nicht auf Marktbeschicker umlegen

In Bayreuth hingegen sind die Verhandlungen zwischen Stadt und Gema noch zu keinem Ergebnis gekommen. Im Rathaus heißt es, man könne noch keine konkrete Zahl nennen, gehe jedoch davon aus, dass die Stadt mehrere Tausend Euro mehr zahlen muss als in den Jahren zuvor.

Egal wie der Streit ausgeht: In Bayreuth wolle man in Zukunft so oder so verstärkt auf Lieder zurückgreifen, für die keine Gebühren erhoben werden. Auch in Regensburg und vielen anderen Städten will man das künftig wohl so handhaben. Denn ganz still werden soll es dann doch nicht auf den Weihnachtsmärkten. Und eines scheint auch nirgendwo eine Option zu sein: Die erhöhten Kosten auf die Marktbeschicker umzulegen.

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