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Titandioxid, E171 Gefährlich? Frankreich verbietet Titandioxid in Lebensmitteln

Es ist ein Stoff, der Lebensmittel glänzend weiß erstrahlen lässt und in etlichen Süßigkeiten, Desserts aber auch in einigen Mozzarella-Sorten eingesetzt wird: Titandioxid oder E171. Jetzt will die französische Regierung Titandioxid verbieten. Müssen auch wir uns Sorgen wegen des Weißmachers machen?

Von: Florian Heinhold

Stand: 29.04.2019

Titandioxid: Gefährlicher Farbstoff? | Bild: BR

Die Nachricht, dass die französischen Behörden den Weißmacher Titandioxid in Lebensmitteln verbieten wollen, hat unter Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland für viel Verunsicherung gesorgt. Während Frankreich den unter dem Kürzel E171 bekannten Stoff als potenziell krebserregend aus den Lebensmittelregalen der Supermärkte verbannen will, ist er in Deutschland weiterhin im Handel.

Verbraucherschützer fordern klare Regelung

Ernährungsexpertin Heidrun Schubert von der Verbraucherzentrale Bayern wünscht sich eine einheitliche europäische Regelung und eine Festlegung der europäischen Behörden, welche Mengen an Titandioxid täglich ohne Gefahr aufgenommen werden können. Einen solchen ADI-Wert (Acceptable Daily Intake) gibt es für Titandioxid bisher noch nicht.

"Wenn Titandioxid in einem Land verboten ist und in anderen Ländern erlaubt, dann führt das zu einer Verunsicherung unter den Verbrauchern. Wir brauchen deshalb dringend Klarheit."

Heidrun Schubert, Ernährungsexpertin Verbraucherzentrale Bayern

Titandioxid/E171: Ein weit verbreiteter Stoff

Titandioxid wird laut Verband der Titandioxidhersteller zum Teil auch in Mozarella-Käse verarbeitet.

Wie allgegenwärtig Titandioxid in unserem Alltag ist, erlebt bei einem Testeinkauf eine junge Familie in München. Mutter Nicole und ihr siebenjähriger Sohn Leif ziehen mit Gesundheit! durch Supermärkte, Discounter und Drogerien auf der Suche nach E171. Das Ergebnis: Von Rollfondant zum Kuchenbacken, über Kaugummis und Bonbons, bis hin zu Donuts aus dem Backwarenregal: Überall begegnet einem der Weißmacher. Laut dem Verband der Titandioxidhersteller soll E171 außerdem zum Teil auch in Mozzarella-Käse verarbeitet werden. Testeinkäuferin Nicole achtet bei Lebensmitteln für die Familie eigentlich immer auf gesunde Inhalte, aber die schiere Zahl der Produkte, die den Weißmacher verwenden, hat auch sie überrascht.

"Wir versuchen so gut es geht solche Zusatzstoffe zu vermeiden, indem wir Bio-Artikel kaufen. Aber viele der Produkte, die wir jetzt gefunden haben, gehören auch für uns zum Alltag."

Testeinkäuferin Nicole

Titandioxid: mögliche Gefahren für Darmpatienten

Titandioxid/E171: Risiko für Darmpatienten?

Am Universitätsspital in Zürich trifft Gesundheit! Prof. Gerhard Rogler. Der Gastroenterologe erforscht, unterstützt vom Schweizer Nationalfonds, welche Wirkung Nanopartikel aus Titandioxid auf unseren Darm haben. Die Ergebnisse seiner Forschung deuten auf ein Risiko für bestimmte Patientengruppen hin.

"Wir wissen, dass Patienten mit Darmentzündung mehr Titandioxid und mehr Nanopartikel aufnehmen. Wir wissen, welche Wirkung das in menschlichen Zellen hat. Wenn die Nanopartikel direkt auf die Zelloberfläche aufprallen, dann sind sie wie kleine Geschosse und können durch die Zellhaut, durch die Zellmembran hindurchdringen und so in der Zelle bestimmte Entzündungsvorgänge auslösen. Jede Form chronischer Reizung von Zellen kann letztlich zur Tumorentstehung führen."

 Prof. Dr. med. Dr. phil. Gerhard Rolger, Gastroenterologe, Universitätsspital Zürich

E171 oder Titandioxid ist auch in vielen Lebensmitteln zu finden.

Komplett darmgesunde Menschen müssen sich wahrscheinlich kaum Sorgen machen. Die Studienergebnisse aus Zürich deuten darauf hin, dass Titandioxid vor allem für Patienten, die ohnehin ein erhöhtes Risiko für chronische Darmerkrankungen wie Colitis Ulcerosa oder Morbus Crohn haben, eine Gefährdung darstellt. In Deutschland wären das circa zwei Millionen Menschen.

"Wenn Titandioxid ein essentieller Stoff wäre, den wir unbedingt brauchen, dann könnte man vielleicht ein Risiko für ein bis drei Prozent der Bevölkerung in Kauf nehmen. Es ist aber rein für die Convenience, es dient ja nur dazu, dass Lebensmittel schöner aussehen. Es geht also um etwas, das eigentlich keinen wirklichen Nutzen hat, sondern nur Lebensmittel schöner, weißer, besser streubar macht. Wenn man nur aus diesen Gründen ein bis drei Prozent der Bevölkerung einem zusätzlichen Risiko aussetzt, dann ist das schon fraglich. In diesem Fall finde ich, braucht es eine politische Entscheidung, ob man das tolerieren will oder nicht."

Prof. Dr. med. Dr. phil. Gerhard Rolger, Gastroenterologe, Universitätsspital Zürich

Bundesamt für Risikobewertung verweist auf weitere Prüfungen

Der Branchenverband der Titandioxidhersteller (TDMA) bedauert in einer schriftlichen Stellungnahme die Entscheidung der französischen Behörden und betont, dass E171 weiterhin sicher sei.

Frankreich verbietet den Einsatz von Titandioxid in Lebensmitteln.

Anders als Frankreich hat die EU-Lebensmittelbehörde EFSA bisher noch keine Warnung vor dem Weißmacher ausgegeben. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR, verweist darauf, dass die bisherigen Risikobewertungen der EU-Behörden keine Gesundheitsgefährdung durch Titandioxid festgestellt hätten. Das BfR spricht sich deshalb vorerst nicht für ein Verbot aus, wie es die französische Lebensmittelbehörde ANSES plant. Das Institut schreibt uns allerdings:

"Allerdings muss einschränkend betont werden, dass das nur eine vorläufige Einschätzung sein kann und dass die Stellungnahme der (französischen) ANSES (Agence nationale de sécurité sanitaire de l’alimentation, de l’environnement et du travail) noch sorgfältig geprüft werden muss."

Bundesamt für Risikobewertung, BfR

Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland kann diese Prüfung wahrscheinlich gar nicht schnell genug gehen.


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