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Gut oder gefährlich? Fieber senken – ist das sinnvoll?

Gerade in der Herbst- und Winterzeit leiden nicht nur Kinder, sondern auch viele Erwachsene unter Fieber. Aus Angst vor unerwünschten Begleiterscheinungen wie Kopf- und Gliederschmerzen oder um vermeintlich schneller wieder auf den Beinen zu sein, greifen manche zu fiebersenkenden Mitteln wie Ibuprofen oder Paracetamol. Aber ist das sinnvoll? Ab wie viel Grad wird Fieber gefährlich? Im Sommer soll die erste umfassende Leitlinie zum Thema „Fieber“ erscheinen. Gesundheit! hat den Fieberforscher Prof. Dr. David Martin getroffen.

Von: Julia Richter

Stand: 26.02.2024

Warum haben wir Fieber?

Glieder- und Kopfschmerzen, heiße Stirn, schneller Puls und Schüttelfrost. Wer Fieber hat, fühlt sich meist richtig schlapp. Nach einer Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO spricht man ab einem Wert von 38 Grad Celsius von Fieber, egal wo gemessen wird. Die Gründe sind vielfältig:

"Der Körper reagiert auf eine Krankheit, am meisten sind dabei Infektionskrankheiten vertreten. Das ist ein Abwehrmechanismus zum Beispiel gegen Bakterien und Viren. Es kann aber auch zu Fieber kommen bei Tumorerkrankungen und bei Autoimmunerkrankungen oder als Nebenwirkung."

Prof. Dr. med. Johannes Bogner, Infektiologe, LMU-Klinikum München

Für den Körper ist die Erhöhung der sogenannten Sollwerttemperatur Schwerstarbeit: Über Muskelzittern fährt er die Temperatur hoch und zieht die Wärme aus den Extremitäten – wir frieren. Ist das Fieber auf dem Höhepunkt, läuft die Immunabwehr auf Hochtouren. Fällt es wieder, schwitzen wir. Diese Fieberkurven können mehrmals hintereinander auftreten. So anstrengend das ist, es ist sinnvoll im Kampf gegen die Erkrankung:

"Die Temperaturerhöhung führt dazu, dass Stoffwechselvorgänge effektiver und schneller ablaufen. Stoffwechselvorgänge der Zellen, die als Abwehrzellen unterwegs sind, die können schneller effektiv sein gegen Bakterien und Viren, die können aber auch schneller Abwehrstoffe im Sinne von Antikörpern produzieren und sich schneller dorthin bewegen wo sie gebraucht werden, im infizierten Gewebe."

Prof. Dr. med. Johannes Bogner, Infektiologe, LMU-Klinikum München

Die Angst vor dem Fieber

Am häufigsten leiden Kinder unter Fieber. Das ist auch bei Familie Gashi nicht anders: Beim Thema Fieber war die zweifache Mutter lange alles andere als entspannt.

"Ich hab ganz viel Angst gehabt, durch die Erzählungen von Oma und Mama: Vor allem vor Fieberkrämpfen, Gehirnschädigungen und das alles. Und das ist dann halt als Kind im Kopf hängen geblieben und ab da habe ich dann immer diese Panik gehabt und habe schon bei 38,5 Grad wirklich immer gleich was geben müssen."

Arbenita Gashi, Mutter

Das ändert sich erst, als sie in der Klinik auf Kinderarzt Prof. Dr. Martin trifft. Er hat zufällig Dienst, als die Mutter mit ihrem fiebernden Kind kommt. Der Mediziner gehört zu den bekanntesten Fieberforschern.

"Fieber ist einer der häufigsten Gründe, warum Kinder zum Kinderarzt oder zur Kinderärztin kommen oder in die Notaufnahme. Die Eltern wissen oft nicht, dass die Höhe der Temperatur oft nicht ausschlaggebend ist. Fieber muss man nicht senken! Auch bei 40, 41 Grad kann man es seinen Lauf nehmen lassen. Denn es reguliert sich selber und unterstützt das Immunsystem."

Prof. Dr. med. David Martin,  Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Witten/ Herdecke

Er rät den Eltern, wenn überhaupt, die Temperatur nur wegen starker Schmerzen oder Unwohlsein zu senken. Fieberkrämpfe lassen sich nach seinen Worten nicht durch Medikamente verhindern – auch wenn das viele glauben. Im Moment arbeitet Prof. Martin an der ersten Leitlinie zum Thema Fieber: Im Sommer soll sie erscheinen.

"Randomisierte Studien aus Asien zeigen, dass Wärme dem Befinden hilft, dem Fieberanstieg. Klar, ich fröstele, ich bekomme Wärme, ich fühle mich etwas besser. Aber nicht nur das: Einige Studien zeigen, dass die Spitzentemperatur etwas vermindert ist. Als würde der Körper sagen, ach ja, ich erreiche meine neue Solltemperatur, mein Immunsystem kann gut funktionieren. Ich muss nicht mehr Fieberdruck machen."

Prof. Dr. med. David Martin,  Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Witten/ Herdecke

Derzeit werden diese Studien hierzulande am Lehrstuhl an der Universität Witten/Herdecke repliziert. Wärme kann den Körper bei Fieber also aktiv unterstützen. Ob dicke Socken, Wärmflasche oder heiße Getränke, wer fröstelt, sollte dem Körper Wärme zuführen. Deswegen sind auch kalte Wadenwickel tabu. Wenn man sie überhaupt machen möchte, um sich etwas abzukühlen, sollte das Wasser lauwarm sein.

Mit der kostenlosen FeverApp mehr Sicherheit

Gemeinsam mit Kollegen hat Prof. Martin eine FieberApp entwickelt, die von immer mehr Kinderarztpraxen und Eltern genutzt wird. Hier kann man Daten eingeben – etwa wann, wo und wie gemessen wurde, was für Beschwerden das Kind hat, ob es Auffälligkeiten gibt, was gegessen und getrunken wird, oder wie der Allgemeinzustand ist. Nach der Auswertung kann man sehen, ob Grund zur Sorge besteht: In einer großen bundesweiten Registerstudie konnte gezeigt werden: Wer die App nutzt, nimmt in der Regel deutlich weniger Fiebersenker und Antibiotika.

Auch Familie Gashi ist inzwischen viel entspannter beim Thema Fieber:

"Mein Umgang mit Fieber ist heute ganz anders. Bei meiner Tochter habe ich jetzt wirklich noch nie was verabreichet. Obwohl sie neulich 40 Fieber hatte. Ich habe halt ein gutes Gefühl dabei: Ich muss nicht immer gleich zum Zäpfchen greifen oder diese Angst in mir haben. Aber dafür brauche ich die Sicherheit schwarz auf weiß."

Arbenita Gashi, Mutter

Ab wann ist Fieber gefährlich?

Fieber ist bei Kindern nicht ungewöhnlich, wenn sich typische Symptome zeigen, wie Husten und Schnupfen, muss man sich in der Regel keine Sorgen machen. Allerdings gibt es Warnzeichen, bei denen Eltern rasch einen Arzt aufsuchen sollten – etwa wenn Säuglinge in den ersten Lebensmonaten Fieber bekommen.

"Weitere Warnzeichen sind ein Ausschlag, den man nicht wegdrücken kann, wie eine Einblutung, ein ganz schlechter Allgemeinzustand, wo Sie sich furchtbar Sorgen machen. Schrilles Schreien oder Schmerzen, geschwollene Gelenke oder wenn man seinen Kopf gar nicht mehr bewegen kann und furchtbare Schmerzen hat, das wäre ein Hinweis auf Hirnentzündung."

Prof. Dr. med. David Martin,  Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Witten/ Herdecke

Aber auch für Erwachsene gilt: Ab 40 Grad Körpertemperatur kann es gefährlich werden – vor allem bei einigen Vorerkrankungen.

"Insbesondere Herz-Kreislauf, Lunge, Stoffwechsel: Menschen, die eine chronische Herzschwäche haben, können durch die Temperaturerhöhung erhöhten Sauerstoffbedarf haben und dadurch zur Dekompensation, also zur tatsächlichen Verschlechterung ihrer Erkrankung kommen."

Prof. Dr. med. Johannes Bogner, Infektiologe, LMU-Klinikum München

Wenn also ein 80-jähriger Patient hohes Fieber hat, sollte man schneller in Alarmbereitschaft sein als beim 8-Jährigen. Bei allen Patienten gilt: Wenn das Fieber nach drei Tagen nicht weggeht, sollte man einen Arzt aufsuchen. Bedenklich ist auch, wenn es einem bereits ein paar Tage besser geht und das Fieber plötzlich wiederkommt: Es könnte sich eine bakterielle Infektion gebildet haben.

Die Information, wann das Fieber steigt bzw. auftritt, kann auch bei der Diagnose der Erkrankung helfen: So spricht etwa ein ganz schneller Anstieg auf mindestens 39 Grad Celsius eher für eine klassische Grippe als für eine normale Erkältung.

Das richtige Messen …

Ob analog, digital, im Mund oder im Ohr, wie und womit man misst, da scheiden sich die Geister. Kinderarzt Dr. Schober hat einen Favoriten:

"Bei Kindern gilt: Normalerweise ist der Goldstandard rektal, also im Popo. Wobei man gut auch im Mund messen kann. Voraussetzung ist natürlich, dass das Kind oder der Erwachsene dazu in der Lage ist, also über längere Zeit den Mund geschlossen zu haben, mitzumachen. Ungünstig, weil ungenau sind Werte unter der Achsel."

Dr. med. Tilmann Schober, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Kinderspital am LMU-Klinikum München

Im Ohr messen kann unter Umständen schwierig sein, wenn der Winkel nicht ganz stimmt oder jemand sehr viel Ohrenschmalz hat. Wer mag, kann zu einem guten Infrarotgerät für die Stirn greifen, die sind z.B. bei schlafenden Patienten praktisch.

Wichtig ist, sich ordentlich auszukurieren. Denn wer Fieber senkt, verkürzt die Krankheitsdauer nicht.

"Man fühlt sich gegebenenfalls besser. Es gibt aber sogar Hinweise, dass die Virusausscheidung dann noch verlängert ist. Also insofern ändert man nur was an den Symptomen aber nicht an der Ursache der Erkrankung und vielleicht macht man sie sogar ein bisschen schlechter."

Dr. med. Tilmann Schober, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Kinderspital am LMU-Klinikum München

Wenn jemand Fieber senken will, etwa wegen starker Gliederschmerzen, rät Dr. Schober wegen der Nebenwirkungen eher zu Ibuprofen als zu Paracetamol. Acetylsalicylsäure dürfen Kinder generell nicht nehmen. Ideal ist, immer erst mit der „halben“ Dosis zu starten und dann notfalls zu steigern. Wichtig ist, bei Fieber viel zu trinken, ob Kind oder Erwachsene, man hat einen deutlich höheren Flüssigkeitsbedarf.

Fazit: Experten raten zu mehr Gelassenheit bei Fieber – wichtiger als die Gradzahl auf dem Thermometer ist immer der Allgemeinzustand des Patienten.


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