In einer Schulklasse sitzen Jugendliche beim Schreiben eines Texts am Schreibtisch. Im Hintergrund steht die Lehrerin der Brückenklasse an der Realschule Freiham.
Bildrechte: BR

In der Brückenklasse der Realschule Freiham lernen ukrainische Schülerinnen und Schüler Deutsch.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Zwei Jahre Ukraine-Krieg: Wie gelingt Integration in der Schule?

Mehr als 30.000 aus der Ukraine geflüchtete Kinder gehen in Bayern zur Schule. Wie kommen sie mittlerweile im Unterricht zurecht? Und vor welchen Schwierigkeiten stehen die Lehrer?

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Als Yehor kurz nach Kriegsbeginn erst in die Willkommens- und dann in die Brückenklasse am Klenze-Gymnasium in München kam, sprach er kein Wort Deutsch. Zwei Jahre später dauert der Krieg noch immer an und aus ihm ist ein selbstbewusster junger Mann geworden. "Ich habe inzwischen mehr Sicherheit in Deutschland", erklärt der heute Siebzehnjährige. Vor zwei Jahren habe er noch eine Übersetzerin benötigt, um sich verständlich zu machen. Heute brauche er das nicht mehr.

Ursprünglich wollte Yehor so schnell wie möglich in die Ukraine zurück. Jetzt hat er sein ukrainisches Abitur in der Tasche. Dafür hat er sich parallel zur deutschen Schule im Online-Unterricht seiner alten Schule vorbereitet. Das war eine stressige Zeit für ihn. Heute besucht er in München einen Integrationskurs, einen weiterführenden Deutschkurs und plant ein Studium in Deutschland. Sein Ziel: Pilot zu werden.

Defizite bei der Integration ukrainischer Kinder

Nicht alle ukrainischen Jugendlichen sind so gut integriert, sagt die stellvertretende Schulleiterin am Klenze-Gymnasium, Vesna Ulrich, die für die Brückenklassen zuständig ist. Es hapere oft an deutschen Sprachkenntnissen, und auch die Schulsysteme seien extrem unterschiedlich. Viele Kinder seien traumatisiert. "Die Lehrkräfte bieten höchste Anstrengungsbereitschaft", sagt Vesna Ulrich. "Wir hätten uns doch mehr Fortschritte gewünscht, das ist aber wahrscheinlich wegen des Kriegsgeschehens einfach so nicht möglich."

Das bestätigt auch die Pressestelle des bayerischen Kultusministeriums auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks: "Eine unsichere Bleibeperspektive und ein ausgeprägter Rückkehrwunsch in die Ukraine hemmen teilweise das zügige Erlernen der deutschen Sprache. Zudem gilt es, psychisch stark belastete beziehungsweise traumatisierte Kinder und Jugendliche mit den bewährten schulischen Systemen zu unterstützen.“

Krieg und Zerstörung in der Heimat, Väter an der Front, Trauer um getötete Familienmitglieder – das belastet viele junge ukrainische Geflüchtete, auch Maria. "Mein Vater ist beim Militär in der Ukraine", erzählt die 15-jährige Schülerin. "Wir haben Kontakt. Aber er sagt mir nicht genau, wo er ist." Viele ukrainische Schüler fühlen sich hin- und hergerissen zwischen der alten Heimat und dem sicheren Deutschland.

Zusätzliche Herausforderung: Brückenklassen laufen aus

Nun steht das Ende der Brückenklassen bevor, von denen es allein in Bayern 800 gibt. Brückenklassen sind altersgemischte Klassen, in denen ukrainische Kinder separat in Deutsch unterrichtet werden, aber auch in Mathe, Geschichte oder Englisch. Im nächsten Schuljahr sollen die ukrainischen Schülerinnen und Schüler ins deutsche Schul- und Ausbildungssystem überführt werden. Den Sprung ins deutsche Bildungssystem schaffen ukrainische Geflüchtete oft nur mit Abstrichen: Sie werden meist in niedrigere Klassen oder Schularten eingestuft. Eine Minderheit besucht – nach einem Vorbereitungskurs - Regelklassen im Gymnasium. Ältere Schüler bewerben sich nun teilweise um einen Ausbildungsplatz.

Ukrainische Jugendliche suchen Perspektive in Deutschland

Während vor zwei Jahren viele ukrainische Schülerinnen und Schüler in die Ukraine heimkehren wollten, betrachten nun viele ihr Leben in Deutschland als Chance. Sie planen, im deutschen Bildungssystem voranzukommen. Zum Beispiel Yehor und Maria. Maria will den Qualifizierenden Abschluss schaffen und danach auf die Realschule gehen. Yehor will ein Studienkolleg besuchen und danach in Deutschland studieren. Er hofft, dass er eines Tages mit einem deutschen Abschluss seinem Land helfen kann. "Wenn Krieg endet, möchte ich in meinem Land leben und in der Luftfahrtindustrie arbeiten."

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!