Felder bei Brunnen von oben (Symbolbild)
Bildrechte: picture alliance / Peter Schatz

Felder bei Brunnen von oben (Symbolbild)

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Wie klimaschädlich ist die Landwirtschaft wirklich?

Landwirte spüren die Folgen der Klimakrise unmittelbar und sie verursachen gleichzeitig auch Klima-Emissionen. In welchem Umfang? Es gibt unterschiedliche Zahlen - was daran liegt, dass nicht jede Statistik alle Teile der Landwirtschaft erfasst.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Aufs Konto der Landwirtschaft gehen 14 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen in Deutschland. Diese Zahlen stammen aus den Emissionsdaten des Umweltbundesamtes im Rahmen des Klimaschutzgesetzes. Der Sektor "Landwirtschaft" an sich kommt bei den Berechnungen zwar nur auf sieben Prozent - doch da sind die Emissionen aus der Landnutzung nicht dabei, das ist ein eigener Sektor. Gar nicht in der Berechnung berücksichtigt sind die energieaufwändige Herstellung von Mineraldüngern, Pestiziden und die Klimabilanz von Importfuttermitteln.

Bauernpräsident Rukwied lässt Äcker und Wiesen außer Acht

"An den Emissionen sind wir nur mit sieben Prozent beteiligt, nicht mit 14", erklärte Bauernpräsident Joachim Rukwied in einem Interview zum Deutschen Bauerntag am 29. Juni in BR24 Radio. Das stimmt zwar mit dem Ergebnis der offiziellen Berechnung aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium für dem Bereich Landwirtschaft überein. Doch diese Zahl passt nicht zu dem, was die Landwirtschaft in der Realität ausmacht. Denn in der offiziellen Berechnung mit dem Ergebnis sieben Prozent sind im Großen und Ganzen nur die Emissionen aus der Tierhaltung und der Düngung enthalten. Jedoch nicht die Emissionen aus der Landnutzung: das Kohlendioxid, das aus umgepflügten Wiesen entweicht, zum Beispiel. Nimmt man also Äcker und Wiesen dazu, heißt das für die Landwirtschaft: "Bezogen auf die Gesamtemissionen Deutschlands würde dies einen Anteil von rund 14 Prozent ausmachen." Das schreibt das Umweltbundesamt auf seiner Homepage.

Landwirtschaft: Größte Quelle für Methan und Lachgas

Drei Viertel der Methan- und Lachgas-Emissionen in Deutschland im Jahr 2022 gehen auf das Konto der Landwirtschaft. Das Methan (chemische Formel: CH4) stammt zum größten Teil von den Rülpsern der Rinder, ein wesentlich kleinerer Teil kommt von der Lagerung vom Mist und Gülle, egal ob von Rind, Schwein oder Geflügel. Lachgas (N2O) entsteht bei der Ausbringung von mineralischen und organischen Düngern auf die Felder und bei der Lagerung der Dünger. Umgerechnet auf die Klimaschädlichkeit von Kohlendioxid machen diese Posten rund 55 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus - da sind auch nicht ins Gewicht fallende Größen wie die Kalkdüngung berücksichtigt. Insgesamt entspricht das sieben Prozent der Gesamt-Emissionen Deutschlands.

Bei den sieben Prozent auch nicht dabei: Stallheizung und Spritbedarf

Auf einen Anteil von acht Prozent an den Gesamt-Emissionen kommt man, wenn man die Verbrennungsanlagen in der Landwirtschaft dazu rechnet. Also zum Beispiel die Beheizung von Gewächshäusern und Ställen oder den Treibstoffbedarf von Landmaschinen und Trocknungsanlagen. Die Rubrik "mobile und stationäre Verbrennungsanlagen" macht dem Umweltbundesamt zufolge noch einmal 6,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus.

Großer Posten: Die Klimabilanz der Böden

In trockengelegten, also entwässerten Moorböden wird der Kohlenstoff, der im Torf gebunden war, mit Hilfe von Sauerstoff zu Kohlendioxid umgesetzt. Dabei gehen riesige Mengen CO2 in die Luft. Nur ein Beispiel: Frisst eine Kuh Futter, das auf einem trockengelegten Moorboden gewachsen ist, hat ein Liter ihrer Milch die gleiche Klimabilanz wie zwei Liter Erdöl.

Wenn Wiesen in Äcker umgewandelt werden oder der Landwirt so wirtschaftet, dass der Humusgehalt in seinem Boden sinkt, wird ebenfalls CO2 freigesetzt. Die offiziellen Berechnungen gehen davon aus, dass der Ackerbau 16,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente freisetzt und das Grünland, also Wiesen und Weiden 26,5 Millionen Tonnen. In diesen Zahlen sind die CO2-Freisetzungen der entwässerten Moorböden, die als Wiesen und Äcker genutzt werden, einkalkuliert.

Nicht in der Rechnung: Sojaschrot aus Übersee

Unterm Strich verursacht die Landwirtschaft 105 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente - so die Zahlen des Umweltbundesamtes für 2022. Das macht einen Anteil von 14 Prozent an den Gesamt-Emissionen Deutschlands, die den offiziellen Berechnungen zufolge bei 746 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten liegen.

In dieser Rechnung fehlen die Emissionen, die durch Importfuttermittel wie Sojaextraktionsschrot aus Übersee verursacht werden. Und die Herstellung und Bereitstellung von Mineraldüngern, die sehr viel Energie erfordern - die werden der Klimabilanz der Chemischen Industrie zugerechnet. Genau wie die Produktion von Pflanzenschutzmitteln.

Methan und Lachgas-Emissionen gehen zurück

Die Treibhausgas-Emissionen an Methan und Lachgas sind in den letzten Jahren zurückgegangen. Gleich nach der Wende, als die Viehbestände in Ostdeutschland stark reduziert wurden. Und seit 2010 erneut, weil die Tierbestände wieder zurückgehen und weil außerdem seit 2015 weniger Mineraldünger eingesetzt wird. Die Kohlendioxid-Emissionen aus der Landbewirtschaftung sind dagegen nicht gesunken.

Maßnahmen für eine bessere Klimabilanz der Landwirtschaft

Wie kann Landwirtschaft klimafreundlicher werden? Da gibt es ganz unterschiedliche Ansätze: Ein internes Papier des irischen Landwirtschaftsministeriums beinhaltet den Vorschlag, in den nächsten drei Jahren fast 200.000 Rinder zu töten, um die Klimaschutzziele der irischen Landwirtschaft zu erreichen, meldeten verschiedene Medien Mitte Juni 2023. Solche Ideen werden in Deutschland nicht diskutiert. Doch auch hierzulande geht es darum, die Klimabilanz der Landwirtschaft zu verbessern. Am effektivsten gelten die folgenden Maßnahmen: Weniger Tiere halten, die Trockenlegung, also Entwässerung der Moore, stoppen und dann Pflanzen anbauen, die es nass mögen ("Paludi-Kultur"). Außerdem empfehlen Fachleute, mehr Gülle in Biogasanlagen zu verwerten und den Humusgehalt im Boden zu steigern. Auch gut fürs Klima: Agroforstsysteme, also eine Kombination aus Bäumen, Sträuchern und Ackerkulturen wie Getreide. Und zu guter Letzt: Milchkühe sollten so gehalten werden, dass sie länger Milch geben und auf die Weide dürfen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!