Eine Bowl mit Tofu, Reis und Brokkoli
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Weltvegetariertag: Was ist wirklich dran an den häufigsten Behauptungen zur vegetarischen Ernährung?

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Weltvegetariertag: Fakten zur vegetarischen Ernährung

Gesundheit, Tierwohl, Klima: Es gibt zahlreiche Gründe, warum immer mehr Menschen Vegetarier sind. Kritiker monieren, dass Fleischersatzprodukte dem Klima ebenso oder gar mehr schadeten als Fleisch. Behauptungen zum Thema Vegetarismus unter der Lupe.

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An Fleisch scheiden sich die Geister. Während die einen es täglich oder zumindest oft essen wollen, verzichten die anderen nahezu oder sogar ganz darauf. Beweggründe für Vegetarier, sich fleischlos zu ernähren, sind das Leid der Tiere, die Folgen der Fleischproduktion fürs Klima, aber auch die eigene Gesundheit.

Gut zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland – das sind rund acht Millionen Menschen – verzichten auf Fleisch, heißt es von der Verbraucherzentrale. Der Trend ist eindeutig: Seit 2019 ist die Konsummenge von Fleisch um fast 14 Prozent gesunken. Auf der anderen Seite ist der Umsatz mit Fleischalternativen im Lebensmittelhandel von 266 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 611 Millionen Euro im Jahr 2021 gestiegen. Auch der Absatz von Milchersatzprodukten hat sich zwischen 2018 und 2020 verdoppelt, wie das Umweltbundesamt (UBA) schreibt.

Am 1. Oktober ist Weltvegetariertag

An diesem 1. Oktober wird der Weltvegetariertag begangen. Der Aktionstag wurde 1977 beim Welt-Vegetarier-Kongress in Schottland von der "North American Vegetarian Society" ins Leben gerufen. Ziel war es, die Vorzüge der vegetarischen Lebensweise bekannter zu machen. 1994 zog die britische "Vegan Society" nach und führte am 1. November den Weltvegantag ein.

Im Audio: Das Kalenderblatt zum 01.10.1977 - Weltvegetariertag

Ein gezeichnetes Huhn sitzt in einer Pfanne mit Stroh - umgeben von Gemüse.
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Das Kalenderblatt zum 01.10.1977: Weltvegetariertag

Vegetarier werden oftmals angefeindet

Die Entscheidung, kein Fleisch zu essen, sorgt nicht selten bei Gegnern dieser Ernährungsmethode für Kritik oder gar Aufregung. Manche werfen den Vegetariern vor, dogmatisch zu sein, erzieherisch auf andere einzuwirken oder sich gar als die besseren Menschen zu fühlen. Zudem glauben viele nicht daran, dass vegetarische Ernährung Auswirkungen auf das Klima oder die Gesundheit haben – im Gegenteil: Sie sind der Ansicht, dass sogenannte Fleischersatzprodukte dem Klima mehr schaden als Fleisch.

Stimmt das? Was ist dran an Behauptungen rund um das Thema Vegetarismus? Hier einige Antworten auf häufige Fragen:

Ist vegetarische Ernährung besser für Tiere und Klima?

"Es ist tatsächlich so, dass vegetarische Ernährung besser ist für das Klima und auch für viele andere Umweltkategorien wie zum Beispiel die Nitratbelastung in Gewässern", sagt Hyewon Seo vom UBA. Weltweit werden mehr als 33 Milliarden Hühner, 1,6 Milliarden Rinder und jeweils knapp eine Milliarde Schweine und Schafe gehalten. So lauten die Zahlen der Welternährungsorganisation (FAO).

Dafür werden Unmengen an Futter und Flächen benötigt, wodurch das Klima und die Umwelt geschädigt würden. Denn die benötigten Flächen trügen zum Artensterben bei und gerodete Waldflächen fielen als natürliche Klimaschützer aus, konstatiert die FAO. Zudem würden die Wiederkäuer Methan erzeugen, das die Erderwärmung beschleunigt.

Man könne in Deutschland den "Klimafußabdruck unserer Ernährung durch rein vegetarischen Lebensmittelkonsum um 47 Prozent reduzieren", sagt Elisa Kollenda, Referentin für Nachhaltige Ernährung beim World Wildlife Fund (WWF). Die Industrienationen weltweit müssten ihren Fleischkonsum im Idealfall aber um 75 Prozent reduzieren, um die globalen Klimaziele einhalten und die Menschheit auch künftig ernähren zu können. Zu diesem Schluss kam eine Studie der Universität Bonn im Jahr 2022.

Schaden Fleischersatzprodukte dem Klima ebenso wie Fleisch?

Tatsächlich habe der Anbau von Soja dazu geführt, dass Millionen Hektar einmaliger Lebensräume gerodet worden sind, so der WWF. Das habe zu einem drastischen Rückgang der Artenvielfalt vor Ort geführt.

Allerdings wird Soja nicht nur für vegetarische Ersatzprodukte und damit für den menschlichen Verzehr verwendet. 70 Prozent der weltweit angebauten Soja wird als Tierfutter eingesetzt und geht damit zulasten der Fleischproduktion.

Schützt eine vegetarische Ernährung Tiere?

750 Millionen Nutztiere wie Schweine, Rinder, Schafe, Hühner und Puten wurden laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2022 in Deutschland für die Lebensmittelproduktion geschlachtet. Das ist ein Minus von 8,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Der Deutsche Bauernverband schreibt auf seiner Website: "Die Haltungsbedingungen in Deutschland werden immer stärker auf die Bedürfnisse der Nutztiere ausgerichtet, zum Beispiel durch besseres Stallklima, höhere Futterqualität, Hygiene, Tiergesundheitsmanagement sowie durch gezieltere Zuchtmethoden."

Lea Schmitz vom Tierschutzbund hingegen beklagt, dass die meisten Tiere auch heute noch in tierschutzwidrigen Haltungssystemen und einer Hochleistungszucht leben würden, die sie auf reine Produktionseinheiten reduziere. Die Folgen für die Tiere: Sie könnten ihre natürlichen Bedürfnisse nicht ausleben und leiden unter Krankheiten, Stress, Frustrationen und Verhaltensstörungen. Daher sei vegetarische Ernährung "bereits ein erster wichtiger Schritt für mehr Tierschutz", sagt Schmitz.

Unterschiedliche Formen von Vegetarismus

Es gibt nicht den oder die Vegetarier. Vegetarier essen sehr unterschiedlich. Die meisten verzichten auf Fleisch und Fisch. Manche verzichten auf Fleisch, essen aber Fisch (Pescetarier). Zusätzlich essen manche Vegetarier Milchprodukte und Eier (Ovo-Lakto-Vegetarier). Andere verzichten auf Milchprodukte, essen aber Eier (Ovo-Vegetarier). Es gibt auch die umgekehrte Variante: auf Eier verzichten, aber Milchprodukte essen (Lakto-Vegetarier).

Wie weit der Tierschutz geht, hängt also auch davon ab, welche Form des Vegetarismus man betreibt. Der konsequenteste Weg sei der Veganismus, bei dem auch auf tierische Produkte wie Eier, Käse oder Honig verzichtet wird. Auch die Milch- und Ei-Produktion würde zu großem Tierleid führen, sagt Lea Schmitz vom Tierschutzbund.

Ist vegetarische Ernährung gesünder und hilft beim Abnehmen?

Rund ein Kilogramm Fleisch verzehren Deutsche wöchentlich, wie das UBA festhält. Das ist deutlich mehr als die Deutsche Gesellschaft für Ernährung aus Gründen der Gesundheit mit 300 bis 600 Gramm empfiehlt. Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) – die Krebsforscher der Weltgesundheitsorganisation WHO – stuft verarbeitetes Fleisch als "krebserregend" und unverarbeitetes rotes Fleisch als "wahrscheinlich krebserregend" ein.

Die Verbraucherzentrale empfiehlt eine vegetarische Ernährung, wenn sie denn ausgewogen ist: "Eine vegetarische Ernährungsweise hat nachweislich gesundheitliche Vorteile. Wer sich im klassischen Sinne vegetarisch ernährt, also auf Fleisch verzichtet, kann durchaus die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) erfüllen. Das gilt natürlich nur dann, wenn man sich ausgewogen ernährt. Auf sogenannte 'Pudding-Vegetarier', die zwar kein Fleisch essen, aber ansonsten bevorzugt zu Fertigprodukten, Süßwaren und Softdrinks greifen, trifft das nicht zu."

Allerdings empfiehlt die Verbraucherzentrale, Milch und deren Produkte zu verzehren, um einem B12-Mangel vorzubeugen. Denn neben Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten enthalten auch Eier und Milchprodukte das Vitamin. Mögliche Mängel könnten auch durch Ergänzungsmittel kompensiert werden.

Schlanker durch weniger tierische Produkte?

Fleischlastige Ernährung kann zur Gewichtszunahme führen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften aus dem Jahr 2020. Die Forscher untersuchten an fast 9.000 Menschen, welche Zusammenhänge es zwischen Körper und Psyche auf der einen Seite und dem Verzicht auf den Verzehr tierischer Produkte auf der anderen gibt – unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsstand.

Ein Ergebnis lautete: Je seltener Nahrung tierischen Ursprungs auf dem Speiseplan stand, desto geringer sind im Schnitt der Body-Mass-Index (BMI) und das Körpergewicht. Die Forscher vermuten, dass eine Ursache dafür der geringere Anteil an stark verarbeiteten Lebensmitteln bei pflanzlicher Ernährung sein könnte: "Dick machen vor allem übermäßig fett- und zuckerreiche Produkte. Sie regen den Appetit an und zögern das Sättigungsgefühl heraus. Verzichtet man auf tierische Nahrungsmittel, nimmt man im Schnitt weniger solcher Produkte zu sich", sagt Evelyn Medawar, Erstautorin der Studie.

Im Audio: DGE warnt vor Vitamin B12 Mangel bei Vegetariern und Veganern

Eine Kapsel (eine Hälfte rot, eine transparent) mit der Aufschrift B12 enthält kleine rote Kügelchen, auf denen B12 steht.
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DGE warnt vor Vitamin B12 Mangel bei Vegetariern und Veganern

Können sich Kinder ohne Fleisch gesund entwickeln?

"Eine gut zusammengesetzte, gemischt vegetarische Ernährung mit Verzehr von Milchprodukten und Eiern kann gesundes kindliches Wachstum und Entwicklung auch ohne Fleischverzehr ermöglichen", sagt Berthold Koletzko, Vorsitzender der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.

Es bestehe jedoch ein "etwas höheres Risiko für eine nicht optimale Versorgung mit einigen Nährstoffen wie Vitamin B12, Eisen, Zink und Omega-3 DHA [DHA ist eine Omega-3-Fettsäure]." Auch hier könne man gegebenenfalls mit geeigneten Nahrungsergänzungsmitteln gegensteuern.

Die Gesundheit von Kindern hänge nicht davon ab, ob Fleisch gegessen wird oder nicht, so Kollenda, sondern davon, ob die Ernährung ausgewogen sei: "Eine vegetarische Ernährung, die abwechslungsreich ist und außerdem pflanzliche Proteinquellen wie Hülsenfrüchte und Nüsse und tierisches Protein aus Milchprodukten enthält, ist auch für Kinder und Jugendliche geeignet."

Mit Informationen von dpa

Im Video: Rettet der neue Vegetarismus die Welt?

Kühe im Stall
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Nie wieder Fleisch

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