Tabletten, Spritze und Stethoskop auf grünem Hintergrund mit dem Schriftzug HIV.
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Welche Medikamente gibt es im Kampf gegen eine HIV-Infektion?

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Welt-Aids-Tag: Erleichterungen durch neue Medikamente

Der 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag. Seit über 30 Jahren eine Mahnung, Menschen mit HIV ohne Vorurteilen zu begegnen. Dank neuer Medikamente geht von Infizierten keine Ansteckungsgefahr mehr aus. Dennoch werden sie oft noch diskriminiert.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Eine HIV-Infektion führt heutzutage nicht mehr zwangläufig zum Ausbruch von AIDS und damit zum Tod. Voraussetzung ist, dass die Krankheit auch diagnostiziert und rechtzeitig behandelt wird. HIV-Medikamente unterdrücken die Vermehrung der HI-Viren im Körper, sodass der Ausbruch von AIDS verhindert wird. Die Medikamente müssen lebenslang eingenommen werden. Eine Heilung ist nicht möglich.

Wie hoch ist die Lebenserwartung mit HIV?

Infizierte in Behandlung haben inzwischen die gleiche Lebenserwartung wie Nicht-Infizierte - das besagen Statistiken. "Medizinisch gesehen ist es tatsächlich so, dass Menschen, die eine HIV-Infektion haben, gesund sind und gesund bleiben und eine normale Lebenserwartung haben", sagt Prof. Johannes R. Bogner von der LMU-Infektionsambulanz.

Er geht sogar noch einen Schritt weiter: "Ich habe eine ganz verwegene Hypothese. Es könnte irgendwann ins Umgekehrte umschlagen: HIV-Infizierte leben länger. Und wissen Sie, warum? Das sind Menschen, die gehen alle drei Monate zum Arzt. Da wird das Cholesterin behandelt, da wird der Blutdruck behandelt, da erkennt man den Diabetes rechtzeitig. Die gehen sehr zuverlässig zu Früherkennungsuntersuchungen. Keine Patientengruppe in der Republik ist medizinisch so gut betreut wie unsere Infizierten. Vielleicht leben sie am Ende länger."

Hochwirksame Medikamente gegen HIV entwickelt

Dass HIV kein Todesurteil mehr ist, liegt daran, dass es inzwischen eine sehr effektive antivirale Kombinationstherapie gibt, das heißt, dass mehrere Wirkstoffe miteinander kombiniert werden, die an verschiedenen Stellschrauben der HIV-Vermehrung ansetzen. Möglich gemacht hat diese Medikamentenentwicklung die Grundlagenvirologie, die das HI-Virus in all seinen Bestandteilen möglichst umfassend analysiert hat. So konnten entsprechende Medikamente entwickelt werden, die zum Beispiel bestimmte Prozesse hemmen. Wie die Medikamente beim einzelnen Patienten wirken, hängt jedoch davon ab, mit welcher Virus-Variante er infiziert ist. Manche Varianten weisen Resistenzen auf. Dementsprechend muss die Behandlung danach ausgerichtet werden. Solche Resistenzen sind aber relativ selten.

Die Verträglichkeit von HIV-Medikamenten

Längst ist die Therapie nicht mehr so belastend und mit so vielen Nebenwirkungen verbunden, wie sie es noch vor Jahrzehnten war. Die Tablettenanzahl und der Einnahmerhythmus haben sich deutlich reduziert. Zudem sind die neuen Medikamente gut verträglich – beste Voraussetzung dafür, dass eine Therapie durchgehalten wird. Denn nur etwas, was gut verträglich ist und hilft, nimmt jemand auch gerne und zuverlässig ein, meint Bogner.

Zwar läge die Verträglichkeit nicht bei 100 Prozent, "aber 95 bis 97 Prozent vertragen eine Pille, die ich ihnen verschreibe, so gut, dass sie die [Einnahme] nicht wieder beenden oder zu einem anderen Medikament wechseln müssen ", sagt Bogner. Einige Betroffene leiden jedoch unter Nebenwirkungen wie zum Beispiel Schwindel, Durchfall, Übelkeit, Schlafstörungen, etc. Dann werden andere Medikament eingesetzt, bis eines vertragen wird. "Letztlich sind wir glücklich zu sagen, dass circa 100 Prozent der Patienten eine Therapie finden, die sie so gut vertragen, dass sie damit behandelt werden können", so Bogner.

Depotspritzen in der HIV-Behandlung

Eine Möglichkeit, sich behandeln zu lassen, ist die tägliche Einnahme von Medikamenten, eine andere ist eine Spritze mit Depotwirkung. Dazu müssen die Wirkstoffe regelmäßig alle zwei Monate in das Gesäß gespritzt werden. Die Depotspritzen gelten als effektiver als entsprechende Tabletten. Der große Vorteil der Spritzen ist, dass man nicht jeden Tag an seine Medikamente denken muss und auch nicht jeden Tag an die Tatsache der eigenen Infektion erinnert wird. Außerdem wird eine Erkrankung durch die tägliche Medikamenteneinnahme zum Beispiel in einer Gemeinschaftsunterkunft nicht für jeden offenbar, meint Prof. Johannes R. Bogner.

Die Depotspritzen sind im Prinzip gut verträglich, aber "die tun am Anfang natürlich weh, wie jede Spritze, die man in den Po bekommt. Das Interessante ist: Die ersten Medikamentengaben durch so eine Spritze spürt der Betroffene schon noch deutlich. Aber dann – beim zweiten, dritten, vierten Mal – ist es eigentlich nur noch ein kleiner Piks und die Patienten berichten, dass es dann kaum mehr wehtut und vielleicht einen Tag lang zu spüren ist. Wie nach einer Impfung", so Bogner.

Ein Nachteil ist, dass die Depotspritzen nur von spezialisierten Ärzten oder Ambulanzen verabreicht werden. Das ist für manche ein Pferdefuß, meint Bogner. Denn wenn man normalerweise nur alle drei Monate zum Arzt gehen muss, erhöht sich der Rhythmus bei der Spritze auf alle zwei Monate. Für jemanden, der weiter entfernt wohnt, könnte das ein Grund sein, sich gegen die Spritze zu entscheiden.

HIV-Infizierte leiden unter Stigmatisierung und Diskriminierung

Das Ziel ist, dass die Viruslast bei Menschen, die eine HIV-Therapie durchführen, unter die Nachweisgrenze sinkt. Damit sind sie nicht mehr infektiös und ansteckend – selbst beim Sex nicht. Trotzdem leiden viele HIV-Positive immer noch unter Diskriminierung und Stigmatisierung, sogar durch manche Ärzte oder in Kliniken. "Dadurch wird eigentlich nur offenbar, dass diese Personen in der medizinischen Versorgung gar nicht mehr auf dem neuesten Stand sind. Und das ärgert unsere Patienten und sie sind manchmal traurig", sagt Bogner.

PrEP: HIV durch Medikamente verhindern

PrEP bedeutet Prä-Expositions-Prophylaxe. Für die PrEP werden die gleichen Medikamente wie zur HIV-Behandlung eingesetzt. Der Unterschied ist eine Kombination aus zwei Medikamenten in einer Pille. "Die beiden Wirkstoffe im PrEP-Medikament (Tenofovir, Emtricitabin) gelangen unter anderem in die Zellen der Schleimhäute (zum Beispiel im Darm oder in der Vagina), die beim Sex mit Körperflüssigkeiten oder Schleimhäuten des Partners oder der Partnerin in Kontakt kommen. Wenn HIV dann in diese Zellen eindringt, können sich die Viren nicht vermehren. Eine HIV-Infektion wird verhindert", schreibt die Deutsche AIDS-Hilfe auf ihrer Webseite.

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PrEP: HIV durch Medikamente verhindern

Diese HIV-Medikamente sind schon so lange auf dem Markt, dass sie nicht mehr dem Patentschutz unterliegen. Deshalb sind sie relativ günstig geworden und werden, wenn es richtig indiziert ist, auch von der Kasse übernommen, so Bogner. Das heißt: Für Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen seit 2019 die Kosten. Zu diesen Menschen zählen unter anderem Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), Partner oder Partnerinnen von Menschen mit HIV, die keine HIV-Therapie machen oder bei denen die HIV-Therapie nicht richtig wirkt, Drogen injizierende Personen u. a., so die Deutsche AIDS-Hilfe.

Auch die PrEP-Tablette muss, wie bei einer HIV-Behandlung, täglich eingenommen werden. Wenn das Medikament abgesetzt wird, geht die Schutzwirkung verloren. Auf Kassenrezept wird sie nur von Ärzten verschrieben, die sich mit der Behandlung von HIV-Infizierten und mit der PrEP auskennen. Dazu gibt es eine Liste von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter e.V. (dagnä). Weitere Infos auch unter prep.jetzt.

PrEP als Infektionsprophylaxe?

Ist PrEP auch eine Möglichkeit, sich anlassbezogen vor einer HIV-Infektion zu schützen – zum Beispiel, wenn ein Festival oder eine Party ansteht? Studien legen nahe, dass das funktioniert. Es erfordert aber auch eine gewisse Planung. Das Medikament muss, wenn es on demand eingesetzt werden soll, einen Tag vorher und einen Tag danach eingenommen werden, so Bogner. Was dabei nicht aus dem Blick verloren werden sollte - weder bei der punktuellen noch bei der dauerhaften Einnahme von PrEP: Sie schützt zwar vor HIV, aber nicht vor anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen wie Syphilis, Tripper etc.

Postexpositionsprophylaxe - kurz PEP: Die "Pille danach"

Es gibt auch die Möglichkeit, sich im Nachhinein durch die Postexpositionsprophylaxe – kurz PEP – zu schützen. Bei der PEP werden für vier Wochen HIV-Medikamente eingenommen. Die Medikamente hindern HIV daran, sich im Körper festzusetzen, so die Deutsche AIDS-Hilfe. Betroffen können Menschen sein, bei denen der Schutz beim sexuellen Kontakt mit HIV-Positiven versagt hat – zum Beispiel ein gerissenes Kondom, Ärzte und Ärztinnen, die sich mit Nadeln oder Skalpellen von Patienten geschnitten oder gestochen haben, die nicht in HIV-Therapie sind und eine hohe Viruslast haben, Frauen, die vergewaltigt wurden etc. Wichtig ist, die Behandlung schnellstmöglich zu starten. "Am besten innerhalb von zwei Stunden, sonst möglichst innerhalb 24 Stunden, spätestens nach 48 Stunden. Ob eine PEP bis zu 72 Stunden (drei Tage) nach dem Risiko noch sinnvoll sein kann, ist umstritten", schreibt die Deutsche AIDS-Hilfe.

Die Verträglichkeit von PEP

In der Regel wird die PEP sehr gut vertragen. Prof. Johannes R. Bogner von der LMU-Infektionsambulanz berichtet, dass es praktisch nie die Situation gegeben habe, dass die vierwöchige Behandlung abgebrochen oder unterbrochen werden musste, weil es zu einer Nebenwirkung durch die Medikamente gekommen sei.

Rote Aids Schleifen liegen auf einem Tisch.
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Wie ist der Stand der Aids-Forschung, 40 Jahre nach Bekanntwerden der ersten Infektionen mit der Immunschwächeerkrankung?

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