Eine junge Frau schützt sich im April 2022 mit einem Regenschirm und einem Schal vor der Hitzewelle im Staat Uttar Pradesh in Indien.
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Eine junge Frau schützt sich im April 2022 mit einem Regenschirm und einem Schal vor der Hitzewelle im Staat Uttar Pradesh in Indien.

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Studie zeigt: Klimawandel befeuert Hitzewelle in Südasien

Extreme Hitze von über 50 Grad Celsius macht Südasien zu schaffen: Mindestens 90 Tote, verlorene Ernten und ein Verbot indischer Weizen-Exporte sind die Folge. Nun zeigt eine Vorab-Studie: Der Klimawandel hat diese Hitzewelle angeheizt.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Wir leben in einer klimagewandelten Welt, in der die globale Durchschnittstemperatur bereits um 1,2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau gestiegen ist. Während das recht abstrakt klingen mag, ist die extreme Hitze mit Temperaturen von 50 Grad Celsius, unter denen Teile Indiens und Pakistans seit März leiden, sehr konkret.

Ebenfalls konkret ist das Ergebnis, zu dem die Forscherinnen und Forscher der internationalen Wissenschaftskooperation "World Weather Attribution" (WWA) kommen: Der Klimawandel hat diese Hitzewelle nicht nur wahrscheinlicher, sondern auch heißer gemacht.

"Ohne den menschengemachten Klimawandel wäre ein solches Ereignis etwa 30-mal weniger wahrscheinlich. Das heißt, was jetzt ein Jahrhundertereignis ist, wäre ohne den Klimawandel ein Ereignis, mit dem man nur etwa einmal in 3.000 Jahren rechnen müsste", sagt Friederike Otto, Klimaforscherin am Imperial College London und Mitbegründerin der WWA.

Klimakrise befeuert extreme Hitze und vernichtet Weizenernte

Selbst für Südasien, das als Region eigentlich an hohe Temperaturen gewöhnt ist, ist die derzeitige extreme Hitze außergewöhnlich - vor allem so früh im Jahr: Noch nie wurden in Indien für den März seit Beginn der Aufzeichnungen vor 122 Jahren so hohe Temperaturen gemessen. Ende April waren rund 70 Prozent Indiens von der extremen Hitze betroffen. In Pakistan löste der Ausbruch eines Gletschersees Überflutungen aus.

In Kombination mit der starken Trockenheit um diese Jahreszeit hat die immer noch andauernde Hitzewelle zu einem Verlust von zehn bis 35 Prozent der Ernte in den Regionen Haryana, Uttar Pradesh und Punjab geführt. Laut WWA seien bislang mindestens 90 Personen aufgrund der extremen Hitze gestorben. Die Dunkelziffer aber dürfte weitaus höher sein, da die Todesfälle verzögert gemeldet werden und Tode aufgrund von Hitzestress selten als solche registriert werden. Hitzewellen gehören zu den für Menschen gefährlichsten extremen Wetterereignissen, die die meisten Todesopfer fordern.

Hitzewelle des Jahrhunderts könnte nun alle zehn Jahre auftreten

Natürlich gab es auch vor dem Klimawandel bereits Hitzewellen. Im Fall dieser Hitzewelle und vor allem ihrem frühen Auftreten im Jahr bereits ab Anfang März errechneten die Klimaforscherinnern und Klimaforscher allerdings, dass es eine derartige Hitzewelle in einer Welt ohne den Klimawandel nur alle 3.000 Jahre geben sollte. Bei der derzeitigen globalen Erwärmung von 1,2 Grad Celsius gegenüber der Mitte des 19. Jahrhunderts hingegen müssten Indien und Pakistan rund einmal alle hundert Jahre mit einer derartigen Hitzewelle rechnen.

"Aber der Klimawandel hört nicht bei 1,2 Grad Celsius auf", sagt Friederike Otto. Derzeit steuert die Welt auf eine weiter steigende globale Durchschnittstemperatur zu, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens rückt derzeit in unerreichbare Ferne.

Und so konnte das Forscherteam auch ausrechnen, dass derartige Hitzewellen in einer Welt mit 2 Grad Celsius globaler Erwärmung noch häufiger würden: Etwa alle zehn Jahre sei dann mit derartigem Extremwetter zu rechnen. Und dabei gehen die Forscherinnen und Forscher davon aus, dass ihre Analyse noch auf der konservativen Seite angesiedelt ist.

Attributionsforschung befasst sich mit Klimawandel

Die vorliegende Studie gehört zum Forschungsfeld der Attributions- oder Zuordnungsforschung. Dabei bemühen sich Forscherinnen und Forscher herauszufinden, welche Rolle der Klimawandel bei spezifischen extremen Wetterereignissen gespielt haben könnte.

Das funktioniert, indem mit Klimamodellen eine Art Parallelwelt berechnet wird, in der es keinen Klimawandel und keine globale Erderwärmung gibt. Indem die Forschenden vergleichen, wie wahrscheinlich ein extremes Wetterereignis in dieser vorindustriellen Welt wäre, verglichen mit der Wahrscheinlichkeit in unserer jetzigen Welt, können sie auf die Rolle des Klimawandels schließen.

Für die vorliegende Studie haben die Forschenden rund zwanzig verschiedene Klimamodelle verwendet, um zu einem bestmöglichen Ergebnis zu kommen. Es handelt sich dabei um eine Vorab-Studie, die zwar selbst noch kein Gutachtungsverfahren durchlaufen hat. Allerdings sind die verwendeten Methoden von Expertinnen und Expertinnen begutachtet worden, sodass sich auch bei vergangenen Studien der WWA die Zahlen nach der Veröffentlichung in Fachjournalen nie geändert haben.

Extreme Wetterereignisse lassen sich Klimawandel zuordnen

So kamen die Forschenden etwa im letzten Jahr zum Schluss, dass der Klimawandel eine Mitschuld an der Flutkatastrophe trägt, bei der Mitte Juli 2021 in Deutschland und in Belgien Hunderte Menschen starben: Er hat derartige Starkregenfälle wahrscheinlicher und intensiver gemacht. Die Hitzewelle in Nordamerika im Sommer vergangenen Jahres mit Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius wäre laut WWA ebenfalls so gut wie undenkbar gewesen: Der Klimawandel hätte sie um mindestens 150 Mal wahrscheinlicher gemacht.

Hitzewelle in Indien gefährdet Lebensmittelsicherheit

Während die Hitzewelle in Indien und Pakistan inzwischen zwar andauert, ihren Höhepunkt aber überschritten zu haben scheint, ist der Schaden bereits angerichtet. Bereits vor einigen Tagen hat nämlich Indien die Ausfuhr von Weizen verboten. Eigentlich hatte das Land angekündigt, angesichts der drohenden Weizenknappheit aufgrund des Ukraine-Krieges dieses Jahr deutlich mehr Weizen zu exportieren.

Dann kam die Hitzewelle, eine verdorrte Ernte – und der verbliebene Weizen würde nun benötigt, um die Lebensmittelsicherheit im eigenen Land sicherzustellen. Und spätestens damit ist klar, dass der Klimawandel längst nicht mehr nur in extremen Wetterereignissen, sondern auf unser aller Teller angekommen ist.

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