Simon Marius starb vor 400 Jahren, am 26. Dezember 1624. Sein Leben lang und fast drei Jahrhunderte mehr galt der Astronom als Plagiateur.
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Der Ansbacher Hofastronom Simon Marius entdeckte 1610 die Jupitermonde. Oder schrieb er nur bei Galileo Galilei ab?

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Simon Marius - das fränkische Mobbingopfer des Galileo Galilei

Simon Marius hätte berühmt werden können, dank seiner astronomischen Entdeckungen. Doch den einzigen Ruhm, den er erlangte, war der eines Plagiators: Frankens Astronom wurde von Galileo Galilei des geistigen Diebstahls bezichtigt – zu Unrecht.

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Eigentlich hatte der 37-jährige Simon Marius schon eine ganz gute Karriere als Astronom hingelegt, als er am 8. Januar 1610 mal wieder sein Fernrohr zum Himmel richtete und eine Entdeckung machte, die in puncto Weltbekanntheit sein Verhängnis wurde: "Damals habe ich den Jupiter zum ersten Mal gesehen. Und ich entdeckte winzige Sternchen in gerader Linie mal hinter, mal vor dem Jupiter." Was Marius entdeckte, waren einige der hellsten Monde des Jupiters.

Galileo Galilei entdeckt die Jupitermonde einen Tag zuvor

Doch Simon Marius, zu der Zeit Hofastronom beim Ansbacher Markgrafen, hatte bei mehreren seiner Entdeckungen das Pech des ewig Zweiten. Bei den Jupitermonden lief ihm ausgerechnet der berühmte italienische Astronom Galileo Galilei den Rang ab, der seinerseits am 7. Januar 1610 die Entdeckung der vier hellsten Jupitermonde verzeichnete – und auch gleich publizierte.

Heutige Forscherinnen und Forscher kennen den Kummer der "Leider doch nicht ersten"-Publikation zu einer Studie: Pierre Leich, Leiter der Simon Marius Gesellschaft, meint, das sei dann leider in der Wissenschaft wie im Sport: "Alle werden vergessen ab Platz zwei."

Simon Marius veröffentlichte seine Entdeckung der Monde des Jupiters nämlich erst im Jahr 1614 in seinem Werk Mundus Iovialis ("Die Welt des Jupiters"). Da war sein italienischer Konkurrent geschickter: Galilei berichtete gleich noch im März 1610 von seiner Entdeckung, die er - seinen Geldgebern zu Ehren - die Mediceischen Planeten nannte und die heute als Galileische Monde bezeichnet werden: Kallisto, Ganymed, Europa und Io.

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Jupiter mit seinen vier größten Monden am Sternenhimmel. Insgesamt hat der Planet über neunzig Monde. Und es werden weiter neue entdeckt.

Das neue Fernrohr und der Boom der Entdeckungen

Dem berühmten Gelehrten Galilei dürfte klar gewesen sein, dass bei dieser Entdeckung Eile Not tat: Das Fernrohr war gerade erfunden worden und kam in Europa auf den Markt. Dieses Gerät revolutionierte die Astronomie, die zwar bis dahin schon Geräte zur Vermessung nutzte, aber den Himmel nur mit bloßem Auge betrachten konnte. Im neuen Fernrohr jedoch taten sich bislang unbekannte Welten auf. Die Jupitermonde würden bald auch von anderen Astronomen entdeckt werden.

Nicht nur nicht der Erste, sondern als Betrüger beschimpft

Doch es kam noch dicker für Simon Marius: Er war nicht nur nicht derjenige, der Jupiters Monde als Erster entdeckte, sondern er wurde von Galilei auch noch als Plagiator beschimpft. Der ließ 1623 in seiner Schrift Il Saggiatore kein gutes Haar an seinem fränkischen Kollegen:

"Ich will nicht länger schweigen über jenen üblen Profiteur, der bereits viele Jahre zuvor meine Erfindung des geometrischen Kompass als seine eigene ausgegeben hat [in Wahrheit ein Schüler von Marius], und mir jetzt mit unverschämter Dreistigkeit erneut eine Entdeckung streitig macht. Ich spreche von Simon Marius aus Gunzenhausen. Dieser Kerl, der es offensichtlich gewohnt war, sich mit der Arbeit anderer zu schmücken, schämte sich nicht, meine 'Botschaft von den neuen Sternen' zu missbrauchen, um seinen eigenen Ruhm durch meine Arbeit und meine Mühen zu vermehren. Behauptet er doch tollkühn, in seinem Werk 'Mundus Jovialis', er habe die Mediceischen Planeten, welche den Jupiter umkreisen, vor mir entdeckt ... Ich sage, er hat höchstwahrscheinlich überhaupt nichts beobachtet!" Galileo Galilei

Das war ein vernichtender Schlag gegen Marius, der fast drei Jahrhunderte lang Wirkung zeigte. Angeblich findet sich immer noch in manchen Büchern die Behauptung, dass Marius von Galilei nur abgeschrieben habe. Doch das ist längst widerlegt.

Die wissenschaftliche Rehabilitation des Simon Marius

Der Rufmord Galileis verhinderte zumindest nicht, dass Simon Marius bis zu seinem Tode am 26. Dezember 1624 (nach heute gültigem gregorianischem Kalender am 5. Januar 1625) weiterhin als Hofastronom tätig war, als der er viele Entdeckungen machte, wie den Andromedanebel oder die Phasen der Venus – leider wieder nicht als Erster.

Doch historisches Gewicht konnte Marius mit dem Plagiatsvorwurf zunächst nicht mehr erlangen. Erst im Jahr 1900 fand die königlich-niederländische Akademie der Wissenschaften heraus, dass der fränkische Astronom die Monde durch eigene Leistung entdeckt haben musste, ganz unabhängig von Galilei. Denn der Faktencheck zeigte: Die Daten zu den Umlaufbahnen der Jupitermonde, die Marius nach seinen präzisen Beobachtungen notierte, waren um einiges genauer als die des Galileo Galilei.

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Fast gleichzeitig mit Galilei entdeckte Simon Marius die vier größten Jupitermonde. Seine Beobachtung war genauer als die des Konkurrenten.

Worum es sich bei Jupiters Monden dreht

Marius hin, Galilei her, mag man meinen. Die ersten vier entdeckten Monde Jupiters, bei dem noch rund 90 weitere Monde entdeckt wurden. Was soll's?

Aber vor über 400 Jahren hing eine ganze Menge an der Entdeckung, wie es sich ganz bescheiden in Marius' Beschreibung ankündigt:

"Habe ich mich doch zuerst sehr gewundert; um dann zu der Meinung zu gelangen, dass sich diese Sterne geradeso um den Jupiter bewegen wie die fünf Sonnenplaneten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn sich um die Sonne bewegen." Simon Marius

Denn die astronomische Forschung zirkulierte zu dieser Zeit um einen sehr heiklen Punkt: die Frage, ob sich die Sonne um die Erde dreht, wie die Kirche es gerne weiter gesehen hätte, oder ob sich nicht vielmehr die Erde um die Sonne bewegt. Eine kritische Behauptung, wie sie erstmals im Weltbild des Astronomen Kopernikus auftauchte und die den Befürworter Galilei vor die Inquisition brachte. Auch Johannes Kepler hängte dem kopernikanischen Weltbild an. Doch das war in gefährlichem Widerspruch zur Lehre der Kirche. Und so fanden manche Astronomen eine diplomatische Kompromisslösung: Alle Planeten kreisen um die Sonne, mit dieser zusammen aber wiederum um die Erde. Diese Lehrmeinung vertraten der Prager Hofastronom Tycho Brahe und auch sein kurzfristiger Assistent Simon Marius.

Jeder Hinweis darauf, dass sich da ein oder mehrere Himmelskörper nicht um die Erde drehen, bildete damit ein Gewicht in der Waagschale dieses Disputes. Etwa, wenn Monde um Jupiter kreisen oder die Venus Phasen hat – was nur passieren kann, wenn sie zwischen Erde und Sonne hindurch wandert.

Das Simon Marius-Jahr 2024

Damit die wissenschaftlichen Leistungen von Simon Marius nicht wieder unbeachtet in Vergessenheit geraten, hat die Simon Marius-Gesellschaft das 400. Todesjahr des fränkischen Astronomen zum Gedenkjahr ausgerufen. Mehr Informationen und Tipps für Veranstaltungen finden Sie online unter https://www.simon-marius.net/ [externer Link]

Im Audio: Welche Rolle spielten Gelehrte aus Franken bei der Erforschung unseres Universums?

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