Respekt Coach vor Gruppe in Raum; Bildungsprojekte wie die Respekt Coaches könnten aufgrund von Kürzungen und Umstrukturierungen im Familienministerium gefährdet sein und möglicherweise nicht mehr finanziell unterstützt werden.
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Aufgrund von Kürzungen besteht die Gefahr, dass Bildungsprojekte vernachlässigt werden, darunter das Programm "Respekt Coaches".

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"Respekt Coaches" an Schulen: Demokratiebildung wird gekürzt

Der Bund will sparen - ab 2024 auch bei den "Respekt Coaches". Sie lehren Jugendliche an Schulen den präventiven Umgang mit Extremismus und Rassismus. Geht ein zentraler Teil der Demokratiebildung verloren? Ergänzt durch "Dein Argument".

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Respekt Coaches" sind pädagogische Fachkräfte, die im Rahmen eines Bundesprogramms präventiv an Schulen arbeiten. In ganz Deutschland sind insgesamt 384 Respekt Coaches an 555 Schulen tätig. Auf Bayern fallen 52 solcher Fachkräfte, im Einsatz an 82 Bildungseinrichtungen. Sonja Schmidt-Haas vom KINDERSCHUTZ MÜNCHEN, Respekt Coach vom Jugendmigrationsdienst München, sagt: "Wir sind keine Lehrkräfte. Mit uns können die Schülerinnen und Schüler offen über ihre Themen sprechen und Lösungsstrategien erarbeiten. Wir können gemeinsam überlegen: Was können wir tun, damit unsere Gesellschaft ein demokratischer, weltoffener Ort bleibt?"

Respekt Coaches: Präventive Arbeit gegen Extremismus, Rassismus oder Mobbing

Laut Schmidt-Haas geht es vor allem um Wissensvermittlung und Kompetenzentwicklung: "Und es geht darum, dass sie merken: Partizipation ist wichtig." Hauptziel ist dabei, junge Menschen vor verschiedenen Formen von Extremismus, Rassismus oder Mobbing zu schützen.

Zentral: Die Perspektiven der Schülerinnen und Schüler ab der fünften Klasse erweitern, damit sie verschiedene Weltanschauungen und Lebensweisen besser verstehen können. Auf diese Weise soll das Programm langfristig zu einem gesunden Schulklima, stärkerem Zusammenhalt und mehr demokratischer Bildung beitragen. Gefördert wird das Ganze bislang vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend um Ministerin Lisa Paus (Grüne). Im laufenden Jahr werden bundesweit 31 Millionen Euro an Mitteln für das Programm bereitgestellt. Doch das soll sich ändern.

Förderung eingestellt: "Know-how wird an die Länder überführt"

Aufgrund von Haushaltskürzungen ist angedacht, das "Respekt Coaches"-Bundesprogramm einzustellen und die Verantwortung dafür auf die Länder zu übertragen. Ein Sprecher des Bundesministeriums sagt dazu: "Die Bundesregierung plant mit dem neuen Startchancen-Programm einen massiven Ausbau der Sozialarbeit an Schulen. Daher wurde entschieden, dass das wichtige Know-how, das im Bundesprogramm 'Respekt Coaches' zur Vermittlung von demokratischen Werten, Respekt und Toleranz sowie einer kritischen Auseinandersetzung mit den Ausprägungen von Extremismus an Schulen gewonnen wurde, Schritt für Schritt weiter in die Schulen verlagert und somit zunehmend in den Kompetenzbereich der Länder überführt wird." Laut dem Bundesministerium werden die Umsetzung und der genaue Zeitpunkt dafür derzeit zwischen Bund und Ländern geklärt.

Jugendverband fordert weiter "geschützte Räume"

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion aufgrund von Kommentaren von Nutzern wie "fraenki" und "Bluebell" im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" um die Frage ergänzt, warum Programme wie das der "Respekt Coaches" nicht von Lehrerinnen und Lehrern im Unterricht geleistet werden können.

Wie genau das "Respekt Coaches"-Programm – oder dessen Inhalt - auf Länderebene weitergeführt werden könnte, ist noch völlig unklar. Bisher habe der Bund den Ländern nur mitgeteilt, dass das Programm auslaufen werde, heißt es aus dem Bayerischen Sozialministerium. Sollte das Programm "weiter in die Schulen verlagert" werden, wie das Bundesfamilienministerium schreibt, ist aus Sicht des Bayerischen Jugendrings (BJR) eine Sache besonders wichtig: Die Personen, die an Schulen zu besonders sensiblen Themen wie Antirassismus oder Anti-Extremismus arbeiteten, müssten einen geschützten Raum herstellen, in dem sich die Schülerinnen und Schüler frei äußern können. Für Personen, die in den schulischen Strukturen verankert seien, sei das eher schwierig, denn sie begegnen den Jugendlichen im Schulalltag ja weiterhin – das gelte, so der BJR, für Lehrerinnen und Lehrer wie für Schulsozialarbeiter gleichermaßen.

Eine Sprecherin des BJR betonte auch: Bei der Arbeit mit einer Gruppe Jugendlicher zu sensiblen Themen seien Ausbildung, Wissen und Erfahrung auf diesem speziellen Gebiet nötig. Oft säßen in solchen Gruppen auch Kinder und Jugendliche, die selbst bereits Diskriminierungserfahrungen gemacht haben oder auf andere Weise direkt betroffen seien. "Und das in der Komplexität aufzufangen, kann man von Lehrern und Lehrerinnen nicht erwarten – und auch nicht von allen Schulsozialarbeitern", so eine Sprecherin des BJR. Das mache einen Einsatz externer und entsprechend ausgebildeter Experten durchaus sinnvoll. 💬

Für junge Menschen gibt's weniger – wegen Haushaltskürzungen

Für Respekt Coach Sonja Schmidt-Haas fällt wohl ein Herzensprojekt weg: "Ich finde es furchtbar. Es ist nicht nachvollziehbar, warum dieses Projekt abgesetzt wird, warum wir in diesen Inhalten nicht weiterarbeiten dürfen", sagt sie. Einzuordnen ist das Ganze auch in den Kontext bereits beschlossener Kürzungen für den Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) um 44,6 Millionen Euro (18,6 Prozent). Die Mittel für den KJP waren in den Jahren 2022 und 2023 erhöht worden, um den gestiegenen Aufgaben der Jugendverbände gerecht zu werden. Der aktuelle Regierungsentwurf sieht jedoch vor, diese Mittel auf das Niveau von 2019 zurückzuführen.

"Fatales Signal": Kritik an der Einstellung des Bundesprogramms

Ein "fatales Signal" für junge Menschen in Deutschland sei das, so die Kritik vonseiten des Deutschen Bundesjugendrings. Die Streichung von Mitteln für das Bundesprogramm könnte etablierte Strukturen gefährden, die für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von großer Bedeutung seien. Bei der Unterstützung junger Menschen zu sparen, sei ein "fiskalischer Trugschluss", der Deutschland in Zukunft noch teuer zu stehen kommen werde, so Wendelin Haag, Vorsitzender des Bundesjugendrings.

Dass ihre Arbeit etwas bewirkt, daran zweifelt Respekt Coach Sonja Schmidt-Haas jedenfalls nicht: "Man merkt, dass die Jugendlichen anders mit Themen wie Diskriminierung, Beleidigungen umgehen. Man merkt, dass sie ruhiger an solche Situationen herangehen, reflektierter." In Zeiten von öffentlichen Solidaritätsbekundungen für Hamas-Terroristen nach den Angriffen auf Israel mag das ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Ausgrenzung und Hass in Deutschland und Bayern sein – noch.

Symbolfoto zum Thema Respekt
Bildrechte: picture alliance / Jan Haas | Jan Haas
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Der Bund fördert "Respekt Coaches", um Extremismus, Gewalt, Mobbing und Rassismus vorzubeugen. Jetzt sollen die Fördermittel gestrichen werden.

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