Von einer Seltenen Krankheit (Rare Disease) spricht man, wenn höchstens fünf von 10.000 Menschen daran leiden. Weltweit soll es - unterschiedlichen Schätzungen zufolge - zwischen 8.000 und 17.000 Seltene Erkrankungen geben. Die meisten betreffen nur wenige oder einzelne Menschen - zusammengenommen aber sind es viele.
Insgesamt leben hierzulande nach Angaben der Bundesärztekammer (BÄK) schätzungsweise vier Millionen Menschen mit seltenen chronischen Erkrankungen, EU-weit sind es rund 30 Millionen, weltweit sogar 300 Millionen Menschen. "Viele dieser seltenen Erkrankungen gehen einher mit Invalidität oder verkürzter Lebenserwartung", erklärte Ärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt. Eines der größten Probleme dieser Menschen ist es, an solide Informationen zu ihrer Erkrankung zu kommen.
Tag der Seltenen Erkrankungen
Der Rare Disease Day wurde in Europa und Kanada erstmals am 29. Februar 2008 begangen. Er findet in Schaltjahren bewusst am seltensten Tag eines Jahres, am nur alle vier Jahre vorkommenden Kalendertag, statt. In Nicht-Schaltjahren fällt der Tag der Seltenen Erkrankungen auf den 28. Februar. Mit dem Tag der Seltenen Erkrankungen ist ein internationaler Aktionstag geschaffen worden, um über die Krankheiten zu informieren und zur Verbesserung der Patientenversorgung beizutragen.
Seltene Krankheiten betreffen oft Kinder
Vier von fünf seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt oder mitbedingt und oft nicht heilbar. Rund die Hälfte der Betroffenen sind Kinder und etwa 30 Prozent von ihnen versterben vor ihrem fünften Geburtstag. Zu den Erkrankungen zählen zum Beispiel bestimmte Infektionskrankheiten, Autoimmunkrankheiten oder Krebsformen. Seltene Krankheiten verlaufen oft chronisch, nehmen einen schweren Verlauf und enden oft tödlich.
Beispiel: Neuronale Ceroid-Lipofuszinose (NCL)
NCL ist eine tödlich verlaufende Stoffwechselerkrankung. Die Krankheit kommt in verschiedenen Ausprägungen vor. Bei einer der Hauptformen der Krankheit entwickeln sich die Kinder zuerst ganz normal. Im Einschulalter beginnt dann, die Sehstärke nachzulassen. Innerhalb von einem bis drei Jahren erblinden die Kinder. Parallel zur stetigen Verschlechterung der Sehkraft beginnt auch ein mentaler Abbau, ähnlich wie bei Demenz.
Schließlich treten zunehmend motorische Probleme auf, die Kinder sind dann auf den Rollstuhl angewiesen, Sprachprobleme und epileptische Anfälle folgen. Der körperliche Abbau geht soweit, dass die Kinder nur noch im Bett liegen können und auch künstlich ernährt werden müssen. In der Regel werden die Patienten nicht älter als 20 oder 30 Jahre.
Weil die Krankheit äußerst selten ist, wird sie oft nicht oder nur sehr spät erkannt. In Deutschland sind zwischen drei- und vierhundert Fälle bekannt. Behandlungsmöglichkeiten oder gar Heilungschancen gibt es noch keine. Lediglich eine Linderung der Symptome, zum Beispiel der Epilepsie oder der Schmerzen, ist möglich.
Im Video: Wie lebt es sich mit einer Seltenen Erkrankung?

Robin leidet seit seiner Geburt unter einer schweren Hautkrankheit in Verbindung mit Rheuma und einer Erkrankung der Leber.
Der lange Weg bis zur Diagnose
Viele Patienten mit Seltenen Erkrankungen leiden oft viele Jahre unter unspezifischen Symptomen, bis die Diagnose gestellt und - möglicherweise - eine Therapie gestartet werden kann. Im Durchschnitt braucht es 4,8 Jahre und viele Arztbesuche, bis Betroffene ihrem Leiden einen Namen geben können. Der Weg ist deshalb so langwierig und schwierig, weil erst die Gesamtheit der vielen einzelnen Symptome das Krankheitsbild ergeben. Zudem ähneln sich viele Seltene Erkrankungen.
Eine Therapie ist oft nicht möglich
Und auch nach einer Diagnose warten viele Hürden auf die Patienten. Es ist nicht leicht, Ärzte zu finden, die sich mit einer Seltenen Erkrankung auskennen - zudem sind viele dieser Krankheiten bislang wenig erforscht. Deshalb besteht auch dann, wenn die Ursache der Erkrankung diagnostiziert wurde, häufig keine Aussicht auf Heilung: Für 95 Prozent der Seltenen Erkrankungen gibt es derzeit noch keine Therapiemöglichkeiten.
Medikamente zu entwickeln, ist teuer
Gemessen an der Anzahl der Seltenen Erkrankungen gibt es nur wenige Wissenschaftler oder Unternehmen, die an der Erforschung von Ursachen und an der Entwicklung von Behandlungs- oder sogar Heilungsmöglichkeiten arbeiten. Um eine Therapie zu ermöglichen oder zu verbessern, besteht noch viel Nachholbedarf. Eines der Probleme: die Finanzierung. Diagnostik und Entwicklungskosten für Medikamente sind enorm hoch und kosten viele hundert Millionen Euro. Das "rentiert" sich wirtschaftlich für Seltene Erkrankungen nicht.
"Orphan Drugs" - Investition in Medikamenten-Forschung
Um diesem Manko entgegenzuwirken, fördert die EU seit dem Jahr 2000 die Entwicklung von sogenannten Orphan Drugs ("Waisenmedikamente" - also Medikamente gegen Seltene Krankheiten) durch eine Verordnung. Weil ihr Absatzmarkt klein ist, erhalten Pharma-Firmen Sonderkonditionen, wenn sie in die Forschung und Entwicklung von "Waisenmedikamenten" investieren.
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA entscheidet aufgrund der Häufigkeit einer Krankheit und nach wissenschaftlichen Kriterien, ob ein Projekt zur Entwicklung eines neuen Medikaments den "Orphan-Drug-Status" erhält. Zeigt das Medikament im Zulassungsverfahren einen Zusatznutzen gegenüber bisherigen Therapien, erhält das Unternehmen dafür im Gegenzug die Erlaubnis, das Medikament zehn Jahre lang exklusiv vermarkten zu dürfen.
Informationen im Netz zu Seltenen Erkrankungen
"Gemeinsam für die Seltenen" heißt ein Internet-Portal, das an der Universität Erlangen-Nürnberg entwickelt wurde. Es soll Patienten mit Seltenen Erkrankungen ermöglichen, sich auszutauschen und gemeinsam Lösungen für ihre speziellen Probleme zu finden.
In Deutschland gibt es 35 Zentren für Seltene Erkrankungen, die auch mit den Europäischen Referenznetzwerken vernetzt sind. Im SE-Atlas kann man krankheitsspezifisch nach medizinischen Fach- und Versorgungseinrichtungen suchen (auf Deutsch), ebenso nach Patientenorganisationen.
In der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen ACHSE e.V. unterstützen betroffene Menschen sich gegenseitig. Das Netzwerk bündelt Ressourcen sowie Know-how und verschafft den Seltenen Gehör.
Mitmachaktion: Farbe bekennen
Bei der digitalen Mitmach-Challenge "#colourUp4RARE - Malen für die Seltenen" wird die Öffentlichkeit aufgerufen, gemeinsam ein Zebra, das internationale Symbolbild für seltene Erkrankungen, einzufärben. Das Zebra besteht aus 7.000 Feldern. Damit soll der Bedarf an mehr Forschung für betroffene Menschen sichtbar gemacht werden. Werden alle Felder des Zebras bis zum 7. März ausgemalt, spenden die Firmen Alexion und Takeda insgesamt 10.500 Euro zur Unterstützung von Forschungsprojekten an die ACHSE e.V., an das Förderprojekt "Alliance4Rare - Forschungsinitiative für Kinder mit Seltenen Erkrankungen" der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung und an die Care-For-Rare-Foundation.
Mitmachaktion: Rare Diseases Run vom 28. Februar bis 5. März 2023
Bei dem RARE DISEASES RUN handelt es sich um eine "virtuelle" Laufveranstaltung, bei der mit der Anmeldung Spenden gesammelt werden. Organisiert wird der RARE DISEASES RUN von der Syngap Elternhilfe e.V., die bundesweit Familien mit Angehörigen, die am Syngap1-Syndrom erkrankt sind, unterstützt. Neben geistiger Behinderung gehören schwer behandelbare Epilepsie, Autismus, herausforderndes Verhalten, Muskelhypotonie, Schlafstörungen, Ataxie und Dyspraxie zum Krankheitsbild.
Weitere 19 Selbsthilfegruppen für Seltene Erkrankungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich der Aktion angeschlossen. Weitere Informationen und die Details finden Sie hier.
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