Gletscherzunge mit braunem Gebirge, blauer Himmel, Sonne; die Landschaft des Qoidenyima-Gletschers im Kreis Gangba der Stadt Xigaze in der autonomen Region Tibet im Südwesten Chinas.
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Weltweit schmelzen die Gletscher, und das kann verheerende Folgen für ganze Regionen haben.

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Neuer Atlas zeigt: Gletscher haben weniger Eis als gedacht

Die weltweit in Gletschern gespeicherte Eis- und Wassermenge ist laut einer neuen Studie geringer als bisher angenommen. Das hätte erhebliche Auswirkungen auf den durch den Klimawandel steigenden Meeresspiegel. Doch es gibt auch Kritik an der Studie.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Infolge des Klimawandels schmelzen weltweit die Gletscher: eine der Hauptursachen für den Anstieg des Meeresspiegels. Derzeit wird geschätzt, dass die Gletscher zu 25 bis 30 Prozent zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen. Die Folgen sind verheerend: Vor allem tiefliegende Küstengebiete sind bedroht. In Europa trifft das besonders auf die Niederlande zu. Der aktuelle Bericht des Weltklimarats IPCC warnt, dass der Klimawandel dort wie an kaum einem anderen Ort Folgen zeitigen könnte.

Gletscher-Studie: 20 Prozent weniger Eis als bislang angenommen

Eine neue Studie, erschienen bei "Nature Geoscience", könnte Bewohnern von bedrohten Regionen gegebenenfalls ein wenig Hoffnung machen. Denn laut dem Team vom Institute of Environmental Geosciences (IGE) und vom Dartmouth College zeigen die neuen Daten, dass die weltweit über dem Meeresspiegel befindlichem Gletschermassen 20 Prozent weniger Eis enthalten als bisher angenommen. Diese 20 Prozent beziehen sich also nur auf das Eis, das direkt zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen könnte.

  • Lesen Sie hier, wie es den bayerischen Gletschern geht.
  • Damit würde der potenzielle Beitrag der Gletscher zum Anstieg des Meeresspiegels um fast acht Zentimeter von 33 auf etwas über 25 Zentimeter reduziert werden, so die Schätzung. Bei diesen Berechnungen wurden jedoch die beiden großen Eisschilde in Grönland und der Antarktis nicht miteinbezogen.

    Satellitenbilder machen es möglich: Der erste Gletscher-Atlas seiner Art

    Auf Basis der Daten erstellte das Team den ersten Atlas, der die Bewegung und Dicke – das ist die große Neuerung – der weltweiten Gletscher misst. Zur Ermittlung der umfangreichen Datenbank analysierten die Forscher Hunderttausende Satellitenbilder von Gletschern. Die hochauflösenden Fotos wurden zwischen 2017 und 2018 von den Satelliten der NASA und der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) aufgenommen.

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    Cordillera Blanca, Peru: Dunklere Farben zeigen eine höhere Fließgeschwindigkeit des Gletschers an.

    Die Untersuchung zeige auch, dass die bisherigen Schätzungen regional gesehen stark korrigiert werden müssen: Das Himalaya-Gebirge in Asien verfüge sogar über ein Drittel mehr Eis als bislang angenommen. Hingegen sei zum Beispiel in den tropischen Anden Südamerikas fast ein Viertel weniger Gletschereis vorhanden. Für dieses Gebiet würde dies bedeuten, dass bis zu 23 Prozent weniger Süßwasser in einem Gebiet gespeichert ist, von dem Millionen von Menschen in ihrem Alltag abhängen. Abgesehen von der Trinkwasserverfügbarkeit haben die Ergebnisse auch erhebliche Bedeutung für weitere Bereiche wie Stromerzeugung oder Landwirtschaft.

    Kritik an der Studie: Nur ein Rechenspiel?

    Doch die Studie ruft auch Kritiker auf den Plan. Prof. Dr. Ben Marzeion, Professor für Klimageographie vom Institut für Geographie der Universität Bremen, sagt: "Der um 20 Prozent verringerte potenzielle Beitrag zum Meeresspiegel rührt lediglich daher, dass die aktuelle Studie größere Teile des Eises in der Antarktis dem Eisschild zuschlägt – statt den vom Eisschild unabhängigen Gletschern. Entsprechend erhöht sich dann der potenzielle Beitrag des antarktischen Eisschilds um den gleichen Betrag." Er halte daher die Angabe eines um 20 Prozent verringerten Potenzials des Meeresspiegelanstiegs für irreführend. Nichtsdestotrotz sei der Datensatz sehr hilfreich, besonders aufgrund der Methodik des Teams.

    Deshalb
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    Die Gletscher schrumpfen immer schneller: In den vergangenen Jahren schwand das Eis bis zu drei Mal schneller als im 20. Jahrhundert.

    Doch: Ohne Messungen vor Ort bleiben Gletscher-Daten ungenau

    Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Wissenschaft noch immer kein ausreichend genaues Bild davon hat, wie viel Wasser wirklich in Gletschern gespeichert ist. Das Team betont, dass die Schätzungen der Gletscher-Süßwasserressourcen ohne direkte Messungen vor Ort stets unsicher bleiben. Laut den Forschern zeigen die Ergebnisse jedoch nicht nur, dass die bisherigen Berechnungen und Modelle überdacht werden müssen. Vielmehr sei die Ermittlung der in den Gletschern gespeicherten Eismenge ein wichtiger Schritt zur Vorhersage der Auswirkungen des Klimawandels auf die gesamte Gesellschaft.

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