Homöopathische Arzneien liegen in Fläschchen nebeneinander
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Ein Antrag der CSU und Freien Wähler schürt eine Kontroverse, inwieweit mit Homöopathie der Einsatz von Antibiotika verringert werden kann.

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#Faktenfuchs: Kann Homöopathie Antibiotika ersetzen?

Mit Homöopathie gegen multiresistente Keime? Ein Antrag der CSU und Freien Wähler schürt eine Kontroverse, inwieweit mit Homöopathie der Einsatz von Antibiotika verringert werden kann. Was ist eigentlich der Stand der Wissenschaft dazu?

Ein Social-Media-Post, der vor Kurzem aufgetaucht ist, behauptet: "#Homoeopathie wird uns helfen gefährliche multiresistente Keime zu besiegen! Antibiotika sind eine Sackgasse", heißt es da. Weil es an Forschung dazu fehle, wolle man den Antrag der Landtags-CSU unterstützen. Der Absender auf Twitter war eine "CSU Südfreising" - die es gar nicht gibt. Ein Fake-Account also, der mittlerweile gesperrt ist. Den Antrag von Landtagsabgeordneten der CSU und Freien Wähler gibt es aber wirklich. Er wurde am Donnerstag im bayerischen Landtag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern beschlossen.

Teil eines Maßnahmen-Pakets gegen multiresistente Keime

In dem Maßnahmen-Paket "Todesfälle durch multiresistente Keime vermeiden" geht es auch um Homöopathie. In der Hauptsache soll eine Studie veranlasst werden, die auch untersucht, ob Homöopathie den Einsatz von Antibiotika verringern oder teilweise ersetzen kann. Doch was ist eigentlich der Stand der Wissenschaft? Der #Faktenfuchs erklärt die Studienlage.

Homöopathie: Keine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus

Laut dem bayerischen Gesundheitsministerium sind Studien zu homöopathischen Therapieansätzen bei bakteriellen Infektionskrankheiten bereits systematisch gesichtet worden, unter anderem von "Cochrane Collaboration", einem weltweiten Netz von Ärzten und Wissenschaftlern. Die Ergebnisse hätten keine belastbaren Hinweise auf eine Wirksamkeit über die bekannten positiven Placebo-Effekte hinaus gegeben.

Studien, die die Wirkung belegen sollen

Auf Anfrage von BR24 hat die CSU-Landtagsfraktion Links zu drei Studien gemailt, die den Antragstext untermauern sollen. Diese Studien weisen auf – so sehen es Homöopathie-Befürworter bisweilen - positive Ergebnisse für die Homöopathie hin. An diesen Studien, ihrer wissenschaftlichen Aussagekraft, gibt es allerdings vielfältige Kritik. Hier seien einige Gegenargumente herausgegriffen.

Ein Analysebeispiel

Eine Studie von Friese und Zabalotnyi aus dem Jahr 2006 soll die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel bei "akuter Rhinosinusitis" belegen – das ist eine Entzündung der Schleimhäute in der Nase und den Nasennebenhöhlen, wie es bei einem starken Schnupfen vorkommt. Eine Gruppe wurde mit homöopathischen Mitteln behandelt. Eine Vergleichsgruppe erhielt ein Placebo.

Bei der homöopathisch behandelten Gruppe sinken die Beschwerden nach drei Wochen auf null – was dem natürlichen Verlauf eines Schnupfens entspreche, wie zum Beispiel Homöopathie-Kritiker Norbert Aust erklärt. Er ist Experte für Studien im "Informationsnetzwerk Homöopathie". Bei der Kontrollgruppe ohne Wirkstoff bleiben die Beschwerden auch nach drei Wochen fast unverändert hoch, obwohl selbst ein unbehandelter Schnupfen in der Regel abklingt.

Der Grund: 87,5 Prozent der Teilnehmer der Kontrollgruppe verließen die Studie vorzeitig. Der Vermerk "last observation carried forward" heißt, dass die Werte der Personen, die ausgestiegen waren, bis Tag 21 unverändert fortgeschrieben wurden – mit dem Wert, den sie zum Beispiel an Tag 7 hatten. Dadurch lässt sich auch nicht nachverfolgen, ob sich ihr Zustand tatsächlich verbessert hat oder nicht – Eingang in die Studie führt nur ein unveränderter Zustand. Eine solche Verzerrung ist nach Aussage Austs das Merkmal einer schlechten Studie. "Normalerweise müsste diese Studie zurückgezogen werden", schreibt er.

Überblicksstudie mit Warnhinweis

Schneller und auch für den Laien erkennbar ist ein Warnhinweis in einer ebenfalls als Beleg genannten Überblicksstudie. Diese nimmt bereits bestehende Tests zur klassischen Homöopathie unter die Lupe. Patienten bekamen also individuell für sie zusammengestellte Mittel. Die Forschergruppe um Robert T. Mathie kommt zu dem Ergebnis, dass Homöopathie "kleine, spezifische Behandlungseffekte" haben könne.

Aber im übernächsten Satz steht die Warnung, dass man bei der geringen oder unklaren Qualität der Beweise vorsichtig bei der Interpretation der Ergebnisse sein müsse. Aust zieht daraus den Schluss: Sogar Wissenschaftler, die eine positive Wirkung der Homöopathie beweisen wollten, müssen zugestehen, dass das Ergebnis nicht zuverlässig ist.

Aust richtet sich nicht dagegen, dass sich jemand homöopathisch behandeln lässt. "Aber problematisch wird es dann, wenn der Homöopathie zugeschrieben wird, dass sie ernsthafte Krankheiten heilen kann." Da sei es gefährlich, auf eine nicht bewiesene Wirkung zu vertrauen.

Die umstrittene Sepsis-Studie

Die dritte Studie, auf die uns die CSU als Fundament ihres Antrags hinwies, ist ebenfalls sehr umstritten. Der Hauptautor der Veröffentlichung zum Thema Sepsis und Homöopathie, Michael Frass, darf seit 2018 seine Veranstaltungen an der Med-Uni Wien nicht mehr halten, wie die österreichische Tageszeitung Der Standard berichtete. Rektor Markus Müller begründete den Schritt im Gespräch mit der Zeitung damit, dass sich "die Med-Uni von unwissenschaftlichen Verfahren und Scharlatanerie klar distanziert". Seiner Studie mangelt es nach Ansicht der wissenschaftlichen Kritiker daran, Angaben zur Vergleichbarkeit der Patienten zu machen, die in die Studie einbezogen wurden. Darüber hinaus gibt es weitere Kritikpunkte.

Verband klassischer Homöopathen will mehr Forschung

Beim Verband klassischer Homöopathen Deutschlands (VKHD) ist man von der Wirksamkeit der Homöopathie überzeugt, dennoch kommt man in einem Studienüberblick zu dem Schluss, dass die verfügbare Datenmenge noch zu gering und weitere Forschung dringend nötig sei. Homöopathen verweisen auch immer wieder auf praktische Erfolge.

Udo Endruscheit, ebenfalls Studienexperte des Informationsnetzwerks Homöopathie, weist aber darauf hin, dass individuelle, nicht überprüfbare Berichte kein Maßstab für die Wirksamkeit eines Medikaments seien: "Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit einer medizinischen Intervention ist die Gesamtevidenz." Und diese würde nicht durch einzelne Studien begründet, "nicht einmal durch einzelne (indikationsbezogene) kleinere Reviews oder Metaanalysen, sondern durch die großen Arbeiten auf dem höchsten Evidenzlevel." Deren gebe es seit 1991 insgesamt elf – und keine einzige davon komme zu dem Ergebnis, dass es belastbare Belege für eine Wirksamkeit homöopathischer Behandlungen gibt.

"Natürlich gibt es Studien, in denen steht als Ergebnis, Homöopathie hilft. Letztlich muss man sich diese Studien dann aber ganz genau angucken", sagte sein Kollege Christian Lübbers, HNO-Arzt aus Weilheim, dem BR. "Das ist auch ein Ergebnis der systematischen Reviews, dass schlecht gemachte Studien häufiger zu dem Ergebnis kommen, dass Homöopathie angeblich wirke. Und sehr gut gemachte Studien nie zu dem Ergebnis kommen, dass Homöopathie über den Placebo-Effekt hinaus wirkt."

Fazit:

Im Antrag von CSU und Freien Wählern wird für möglich gehalten, dass Homöopathika Antibiotika zum Teil ersetzen oder reduzieren können und "in manchen Fällen ebenso heilsam" seien. Für die Wirksamkeit homöopathischer Mittel über den Placebo-Effekt hinaus gibt es aber bislang keine Beweise auf dem Level der Gesamtevidenz.