Eine Frau von hohem Status und niedrigrangigere Menschen lebten zur Bronzezeit unter einem Dach.
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Eine Frau von hohem Status und niedrigrangigere Menschen lebten zur Bronzezeit unter einem Dach.

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Vor 4.000 Jahren lebte Arm und Reich unter einem Dach

Wie lebten Menschen in der Bronzezeit zusammen in einem Haushalt? Darüber wussten Forscher bislang so gut wie nichts. Doch Archäologen haben anhand von DNA-Untersuchungen einiges über die Sozialstrukturen der damaligen Zeit in Erfahrung gebracht.

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Archäologen graben in der Erde und entdecken Gegenstände aus grauer Vorzeit, die ihnen Aufschlüsse über das Leben und die Kultur vergangener Völker geben. Was ihnen die Artefakte nicht verraten, ist, in welcher Art und Weise die Menschen in früheren Zeiten zusammengelebt haben. Dies aufzudecken, ist jetzt einem Forscherteam unter der Beteiligung der LMU München gelungen.

DNA-Analysen in Gräbern bei Augsburg

Um mehr über die sozialen Strukturen in der Bronzezeit zu erfahren, haben Archäogenetiker der LMU München, der Harvard Medical School in Boston und des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena die DNA der damals lebenden Menschen untersucht. Ihre Studie veröffentlichten sie am 10. Oktober 2019 im Fachjournal Science.

Ihre Studie bezog sich auf Familien, die auf ehemaligen Höfen in der Bronzezeit lebten. Die Wissenschaftler untersuchten Gräberfelder im Lechtal bei Augsburg. Alissa Mittnik und ihre Kollegen analysierten das Genom von 104 Personen, die auf Friedhöfen geborgen wurden, indem sie die Backenzähne der Bronzezeitlichen Skelette angebohrt haben.

"Wir bohren im Prinzip ein kleines Loch rein, so ähnlich wie der Zahnarzt das macht. Wir nehmen auch Zahnarztbohrer. Wir setzen dann den Knochenpuder frei, der aus dem Zahnbein stammt und aus dem Knochenpuder wird dann die DNA freigesetzt." Johannes Krause, Professor am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena

Überraschende Erkenntnis: Es gab soziale Ungleichheit

Was sie dabei entdeckten, überraschte selbst die Forscher. Denn bislang gingen sie davon aus, dass sich erst in der klassischen griechischen und römischen Antike höher gestellte Familien ihren Haushalt mit Sklaven teilten. Aus prähistorischen Zeiten war das bislang nicht bekannt.

Frauen kamen von weither und waren vermögend

Anhand von traditionellen archäologischen Untersuchungen und den Daten der untersuchten DNA konnten die Forscher zeigen, dass prähistorische Haushalte in der Nähe des Lechtals aus einer wohlhabenden Familie bestanden, bei der die höher gestellten Frauen nicht mit den Männern verwandt waren und aus der Ferne kamen. Möglicherweise aus der Gegend des heutigen Sachsen oder Tschechien.

Mit Knecht und Magd in einem Haushalt?

Zusätzlich lebten aber auch nicht verwandte Personen mit sozial niedrigerem Status mit den Familien unter einem Dach. Sie stammten aus der Region. Die Daten belegen, dass es in den Haushalten zu dieser Zeit und in dieser Gegend bereits soziale Unterschiede gab. Ob es sich bei den ärmeren Menschen um Sklaven oder Gesinde handelte, ist allerdings nicht gesichert.

Stabile soziale Strukturen über Generationen hinweg

Durch die Ausgrabungen südlich von Augsburg konnten die Forscher entschlüsseln, wie sich der Wandel von der Steinzeit zur Bronzezeit auf die damaligen Haushalte auswirkte. Ihre Entdeckungen über Grabbeigaben wie Waffen und aufwendigen Schmuck zeigen, dass Nachkommen von ihren Eltern Reichtum und Status erbten.

"Reichtum korrelierte entweder mit biologischer Verwandtschaft oder Herkunft aus der Ferne. Die Kernfamilie vererbte ihren Besitz und Status weiter. Aber in jedem Bauernhof haben wir auch arm ausgestattete Personen lokaler Herkunft gefunden." Philipp Stockhammer, Institut für Prähistorische Archäologie an der LMU München
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Reichtum und Status wurde weiter vererbt: Hier die reich verzierte Nadel eines hochrangigen Frauengrabes aus Königsbrunn.

Heiratsfähige Frauen mussten den Hof verlassen

Soziale Ungleichheit in Haushalten ist also keine Erfindung der klassischen Antike. Die Menschen im Lechtal lebten bereits 1.500 Jahre früher in der Bronzezeit. Die sozialen Unterschiede innerhalb eines einzelnen Haushalts wurden über Generationen hinweg aufrechterhalten. Allerdings betraf das nur die männlichen Verwandtschaftslinien. Die Frauen mussten offensichtlich den Hof verlassen, wenn sie ins heiratsfähige Alter kamen. Die Mütter der Söhne waren stets Frauen, die aus 400 bis 600 Kilometer Entfernung zugezogen waren. Die nichtverwandten, einheimischen Mitglieder eines Haushalts wurden arm bestattet.

"Wir können leider nicht sagen, ob es sich bei diesen Individuen um Knechte und Mägde oder vielleicht sogar eine Art von Sklaven gehandelt hat. Sicher ist, dass über die männlichen Linien die Bauernhöfe über viele Generationen hin vererbt wurden und dieses System über 700 Jahre stabil war." Alissa Mittnik, Dept. of Genetics, Harvard Medical School in Boston
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Kelten-Frau auf Wanderschaft in der Bronzezeit - Illustration

Sendungen:

  • IQ, 11.10.2019, 18.05 Uhr in Bayern 2
  • Gut zu wissen, 02.11.2019, 19.00 Uhr im BR Fernsehen