Baby mit einem  alten Trinkgefäß. Schon in der Jungsteinzeit tranken Säuglinge Tiermilch.
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Baby mit einem alten Trinkgefäß. Schon in der Jungsteinzeit tranken Säuglinge Tiermilch.

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Schon in der Jungsteinzeit tranken Babys aus Fläschchen

Wohl schon in prähistorischen Zeiten wurden Babys nicht ausschließlich mit Muttermilch großgezogen. Funde von alten Trinkgefäßen zeigen, dass Säuglinge teilweise oder sogar ausschließlich Tiermilch tranken.

Archäologische Funde an mehreren europäischen Standorten beweisen: Schon in sehr frühen Zeiten gab es kleine Trinkgefäße aus Ton oder Keramik mit einem sehr engen Ausguss, durch den Flüssigkeit tröpfeln konnte. Manchmal hatten die Gefäße tierähnliche Formen. Zunächst dachten Forscher der Universität Bristol, dass ältere und gebrechliche Menschen auf diese Form der Gefäße zurückgegriffen haben. Doch Funde von Gefäßen in alten Säuglingsgräbern, die Rückstände von Tiermilch enthielten, belegen, dass Babys wohl schon in prähistorischen Zeiten mit Tiermilch gefüttert wurden. Diese Funde stammen aus der Jungsteinzeit. Sie datieren aus der Zeit zwischen 5.500 und 4.800 v. Chr.

Babyboom in der Jungsteinzeit

In der Jungsteinzeit, auch Neolithikum genannt (9.000 bis 5.500 v. Chr.), entstand Ackerbau und Viehzucht und eine Art der Vorratshaltung. Der Übergang zur Landwirtschaft führte zu einem deutlichen Bevölkerungswachstum. Doch wie kam es zu dem Babyboom? Diese Frage trieb die Forscher aus Bristol um. Der Schlüssel ist ihrer Meinung nach in der Ernährung der Säuglinge zu suchen.

Früheres Abstillen führte zu Bevölkerungswachstum

Die Forscher nehmen an, dass die Säuglinge zur Zeit der Jäger und Sammler mehrere Jahre lang gestillt wurden. Mit Einführung der Landwirtschaft und dem Beginn der Sesshaftigkeit in der Jungsteinzeit wurden die Babys früher von der Muttermilch entwöhnt und die Mütter boten ihnen stattdessen tierische Milch und Getreideprodukte an. Frauen, die abstillen, können wieder schwanger werden, und das führte zum demografischen Wandel im Neolithikum – so die Annahme der Wissenschaftler.

Funde von Trinkgefäßen in Bayern

Um ihre These zu untermauern, untersuchten Julie Dunne und ihre Kollegen aus Bristol Trinkgefäße aus Kindergräbern in Bayern, denn in Europa werden diese Art von Babyfläschchen im Lauf der Bronze- und Eisenzeit immer häufiger. Ein Gefäß stammt aus der Zeit zwischen 1.200 und 800 v. Chr. (Fundort in Augsburg-Haunstetten aus der späten Bronzezeit) und zwei Gefäße sind aus einer Grabstätte aus der Zeit zwischen 800 bis 450 v. Chr. (Fundort im unteren Altmühltal aus der frühen Eisenzeit). Die Gefäße waren klein, zwischen fünf und zehn Zentimeter, und hatten einen sehr kleinen Ausguss.

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Fütterungsgefäße der späten Bronzezeit. Die Gefäße kommen aus Wien, Oberleis, Vösendorf und Franzhausen-Kokoron, datiert auf 1200- 800 v. Chr.

"Diese sehr kleinen, eindrucksvollen Gefäße geben uns wertvolle Informationen darüber, wie und was Babys vor Tausenden von Jahren gefüttert wurde." Julie Dunne von der Universität Bristol

Die Forscher überprüften in den Rückständen die Fettsäuremoleküle mittels einer Isotopenanalyse. Dabei stellten sie fest, dass die Milchmoleküle wohl aus der Milch von Wiederkäuern stammten. Das heißt, die Kinder wurden teilweise oder ganz mit Milch von Kühen, Schafen oder Ziegen gefüttert, wenn ihre Mütter abstillen wollten. Ihre Studie veröffentlichen die Forscher am 25. September 2019 in der Fachzeitschrift Nature.

Milch von Wiederkäuern als Alternative zur Muttermilch

Obwohl Milch von Wiederkäuern eine wertvolle zusätzliche Nahrungsquelle liefert, kann sie auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Säuglinge haben. Denn tierische Milch ist kein hundertprozentiger Ersatz für Muttermilch. Ihr Anteil an Fett, Kohlenhydraten und Eiweiß ist unterschiedlich zur Muttermilch. Auch kann es aufgrund von Verunreinigungen der Milch zu bakteriellen Infektionen kommen und die Trinkgefäße selbst bergen die Gefahr einer Verschmutzung. Die Studie gibt wichtige Einblicke zur Still- und Entwöhnungspraxis sowie zur Gesundheit von Säuglingen und Müttern in der Vergangenheit.

"Ähnliche Gefäße, obwohl selten, tauchen in anderen prähistorischen Kulturen (wie zum Beispiel Rom und dem alten Griechenland) auf der ganzen Welt auf. Idealerweise möchten wir eine größere geografische Studie durchführen und untersuchen, ob sie demselben Zweck dienten." Julie Dunne von der Universität Bristol