Blick in eine winterliche Baumkrone. Am Stamm ist ein Nistkasten und die Bruchstelle eines dicken Astes
Bildrechte: BR/Ursula Klement

Nach dem Schnee Anfang Dezember ist an einem alten Apfelbaum ein Ast abgebrochen.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Ast ab? Warum man alte Obstbäume trotzdem erhalten soll

Schnee und Stürme haben alten Obstbäumen zuletzt zugesetzt. Manche sind ganz umgeknickt, bei anderen ist ein Ast abgerissen. Auch wenn man vorhat, einen neuen Baum zu pflanzen, sollte man die alten pflegen. Und auf keinen Fall fällen.

Über dieses Thema berichtet: BR-Heimatspiegel am .

Der Schnee Anfang Dezember hat vor allem Nadelbäume und Eichen beschädigt – aber auch etliche alte Obstbäume, insbesondere Apfelbäume, weil sie eine besonders ausladende Krone haben. Wer durch die Landschaft fährt, sieht auf Streuobstwiesen nun öfters einen Haufen Holz liegen, ein alter Baum in Stücken. Das heißt, Fledermäusen, Spechten und Käfern fehlt jetzt ein Lebensraum. Und dem Gartenbesitzer könnten die Äpfel ausgehen.

Schneiden – aber auf keinen Fall ganz unten

Den alten, beschädigten Baum kurzerhand fällen und dafür dann gleich einen neuen pflanzen? Immerhin gibt's junge Hochstamm-Obstbäume gerade kostenlos, sie werden über den bayerischen Streuobstpakt gefördert.

Genau das ist auf alle Fälle die verkehrte Herangehensweise, sagt Norbert Metz, Streuobst-Fachmann beim Landschaftspflegeverband Mittelfranken in Ansbach: "Das kann's nicht sein." Natürlich sei es wichtig, für kommende Generationen jetzt möglichst viele neue Bäume zu pflanzen. Doch das sei kein Grund, die "alten vorher alle rauszuhauen". Denn, so heißt ein geflügeltes Wort unter Streuobst-Profis: Der Schnitt ganz unten am Baum ist der einzige, der sicher falsch ist.

Die alten Bäume können mehr

Was spricht dafür, die alten beschädigten Bäume stehenzulassen? Sie haben den jungen einiges voraus. Denn sie tragen – wenn sie nicht ganz kaputt sind – jedes Jahr noch Äpfel, Birnen, Pflaumen oder Kirschen. Und sie haben einen herausragenden ökologischen Wert. Alte Obstbäume sind "Juwelen" der Biodiversität.

Das schreibt der Erlanger Biologe Jürgen Schmidl, der totholzbewohnende Käfer in mittel- und oberfränkischen Streuobstbeständen untersucht hat. Die in die Jahre gekommenen Hochstämme bieten unzähligen Tierarten Lebensräume, "ob's ausgefaulte Äste sind für die Vogelwelt, ob's die Borke ist für eine Vielzahl von Insekten – doch genau das bieten halt nur die alten Bäume", so Norbert Metz. Viele Insekten bieten wiederum ein reiches Nahrungsangebot für Vögel, Fledermäuse und Gartenschläfer.

Erste Hilfe: Bruchstelle sauber absägen, Stumpf stehen lassen

Damit die vielen Tierarten und seltene Flechten, Pilze und Moose auch weiter Wohnraum und Nahrung finden, ist es sinnvoll, einen beschädigten alten Obstbaum zu verarzten. Das heißt: Ist ein Ast abgebrochen, muss man die Bruchstelle sauber abschneiden, sagt Baumpfleger Jürgen Zöllner aus Nersingen bei Neu-Ulm. "Dass man wirklich so einen halben Meter Stummel stehen lässt. Und den würde ich schräg abschneiden, aus dem Grund, dass das Wasser nicht drauf stehen bleibt, sondern ablaufen kann."

Wann ist die beste Zeit für die Baumpflege? Experten raten, Bäume bei Temperaturen von 5 Grad plus oder darüber zu schneiden. Bei einer beschädigten Rinde hilft es, wenn man die verletzte Stelle mit schwarzer Folie bedeckt. Baumwachs bringt nichts. Das schadet eher, weil es irgendwann aufreißt und dann Krankheitserreger leichtes Spiel haben.

Wenn der Stamm gravierend verletzt ist, wird's komplizierter

Baumpfleger Zöllner empfiehlt, bei gravierenden Verletzungen am Stamm einen Experten zu holen, der schaut, ob die Standsicherheit des Baums noch gegeben ist. Wenn wirklich die Gefahr besteht, dass er abstirbt und umstürzt, sollte man nur den toten Stamm als Biotop stehen lassen.

Und wohin dann mit dem neuen Baum, der ja auch gebraucht wird? Streuobst-Fachmann Norbert Metz rät: Den jungen Baum neben den alten hinpflanzen. Im Abstand von vier bis fünf Metern zum alten Stamm in eine Lücke. "Das ist der Königsweg." Denn bis der junge Baum richtig trägt, vergehen 20 bis 30 Jahre. Für den Fall, dass auf dem alten wenigstens noch ein paar Äpfel oder Birnen reifen, geht dem Baumbesitzer in dieser Zeit das Obst wenigstens nicht ganz aus.

Damit alte noch lebende Bäume beim nächsten Schnee oder Sturm möglichst gut dastehen, ist es entscheidend, dass man regelmäßig zum Winterende oder im Sommer einen Baumschnitt macht. Das erhöht ihre Lebenserwartung enorm.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!