In Großstädten wie Nürnberg fehlt Wohnraum. Es muss weiter nachverdichtet werden. Aber wie, wenn nicht alles zubetoniert werden soll?
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In Großstädten wie Nürnberg fehlt Wohnraum. Es muss weiter nachverdichtet werden. Aber wie, wenn nicht alles zubetoniert werden soll?

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Weniger Beton, mehr Grün: Wie Nürnberg gegen Versiegelung kämpft

Vor allem in Großstädten werden freie Flächen immer rarer – so auch in Nürnberg. Einerseits ist der Wunsch nach Grünflächen in der Bevölkerung groß, andererseits werden dringend mehr Wohnungen gebraucht. Wie lässt sich dieser Konflikt lösen?

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Wie andere Städte leidet auch Nürnberg unter extremen Hitzetagen. Grün- und Freiflächen sind wichtiger denn je. Doch je mehr Menschen in die Städte drängen, desto mehr braucht es beides: Entsiegelung und Wohnungen. Der Kampf um die Ressource Fläche ist entbrannt.

Ein "Weltacker" mitten in der Stadt

"Wir müssen halt schauen, welche Plätze zum Bauen geeignet sind und aber auch, welche Plätze für Grün und Bunt in der Stadt sorgen", sagt Kathrin Schwanke vom Verein Bluepingu. Sie blickt auf einen ersten Etappensieg: Einen Parkplatz am Westpark haben sie der Stadt Nürnberg abgetrotzt. Nun entnehmen sie erste Bodenproben, denn ab Herbst soll dort der Asphalt wegkommen.

Inmitten der Stadt soll ein "Weltacker" entstehen. Und dieser hat eine klare Botschaft, wie Schwanke erläutert: "Unser Weltacker ist kein Park, und es wird auch kein Zoo und kein Museum, sondern es wird einfach ein Ort, an dem aufgezeigt wird, dass letztlich für jeden Menschen auf dem Planeten 2.000 Quadratmeter Ackerfläche zur Verfügung stünden, wenn es weniger Ungerechtigkeiten in der Welt gäbe. Und auf diesen 2.000 Quadratmetern wächst eben alles, was eine Person zum täglichen Leben braucht."

Wohnraummangel und Nachverdichtung in Nürnberg

Und doch bleibt der Konflikt: In Großstädten wie Nürnberg fehlt Wohnraum. Es muss weiter nachverdichtet werden. Aber wie kann das gelingen – wenn nicht alles zubetoniert werden soll? Andreas Klier hat gezeigt, dass es geht. Für die Bewohner der Nürnberger Südstadt ist er ein Held des nachhaltigen Bau-Stapelns geworden.

"Ich bin hier aufgewachsen", sagt Klier und spricht von einem immensen Zusammenhalt im Stadtteil. "Jetzt bin ich seit 60 Jahren ein Kind des Südstadt, und die Veränderungen, die man hier sieht, sind durchwachsen. Es ist viel Positives dabei, man könnte einiges anders machen, die Verdichtung ist extrem. Wir sind hier der dichteste Stadtteil Nürnbergs."

  • Zum Artikel: Landesamt für Statistik: Versiegelte Fläche in Bayern nimmt zu

Kindergarten auf dem Parkhaus

Vor zehn Jahren hat Klier ein 17.000 Quadratmeter großes Gebäude mit Musikgeschäft und Parkdeckhaus gekauft. Doch Fläche nur für Autos war ihm zu wenig nachhaltig. Er wollte mehr, vor allem für die Kinder des Viertels. "Ich hatte die Möglichkeit, noch hier auf ganz normalen Bolzplätzen zu spielen. Die sind nicht mehr gegeben. Und als ich das Parkhaus gekauft hatte, war die Idee irgendwann geboren, zu sagen: 'Was können wir damit machen?'", erinnert sich Andreas Klier. "Dann kam die Idee: Kindergarten. Auf das Dach eines Hauses mit 17 Meter Höhe einen 'Kinder Garten' zu setzen, war auch bei uns erstmal etwas Undenkbares für viele Entscheidungsträger".

Für Kita Wolke 10 wurden Erde, Holz und Bäume nach oben geschafft. Wegen der Platznot im Viertel wachsen Kinder meist ohne eigenen Garten auf. Umso wichtiger findet Kita-Leiter Philipp Neudecker die Entfaltungsmöglichkeiten oben auf der Grünfläche. "Die meisten Kitas müssen tatsächlich wahnsinnige Kompromisse eingehen. Die mieten sich in Läden ein, in Wohnungen, in Mietwohnungen", erklärt Neudecker. "Hier oben haben wir Spielfläche, wir haben Rasenfläche, wir können hier anpflanzen. Das ist Raum, der aus dem Nichts entstanden ist quasi – und hier sind wir in unserer eigenen Atmosphäre. Die Kinder können hier quasi die Erfahrung sammeln, die sie draußen nicht sammeln können."

Hort in ehemaligem NS-Bauwerk

Der besondere Kita-Bau hat die Architekten von "querwärts" bekannt gemacht - für nachhaltiges Umbauen. Freie Fläche wird eine immer knappere Ressource – und so muss Umbauen das neue Bauen werden. Auch wenn es wie bei manchen Umbau-Projekten durchaus mal knifflig werden kann – wie etwa bei einem Hochbunker aus Kriegszeiten. Jahrzehntelang mied man ihn, nun ist ein Hort in dem früheren NS-Bauwerk untergebracht.

"Diesen Bunker oder diesen Klotz zu knacken, diesen Kraftakt hätte man früher vielleicht nicht gemacht , weil genug freie Flächen da waren, wo das Bauen einfacher ist", sagt Patrick Schreiner von "querwärts" und ergänzt: "Ist ja immer schade drum, grad in unseren Zeiten heute, wo Ressourcen knapp sind. Wir wollen nichts versiegeln, wir wollen keine Bäume fällen,- wenn wir dann die Chance haben, ein Gebäude zu nutzen, egal aus welchem geschichtlichen Hintergrund, finde ich, sollte man es auch machen."

Quelle-Areal in Nürnberg: Neue Siedlung entsteht

Ein weiteres Projekt: das Quelle Areal. Nostalgie schwingt mit, demütig versuchen die Architekten, einem der größten leerstehenden deutschen Industriedenkmale neues Leben einzuhauchen. "Das Spannende an dem Projekt ist, dass das Quelle-Gebäude höchstwahrscheinlich ohne den Denkmalschutz gar nicht mehr stehen würde", sagt Schreiner. Unter Nachhaltigkeitsaspekten wäre das "ein fatales Zeichen gewesen" fügt er hinzu. "Denn wenn man sich so ein großes Gebäude anguckt, muss man sich ja auch erst mal vor Augen halten, wie viel Energie es überhaupt gebraucht hat, um dieses Gebäude entstehen zu lassen. Es wäre eine riesen Verschwendung, wenn man das jetzt alles einstampfen würde und dafür ein ähnliches Volumen wieder bauen würde."

400 Eigentumswohnungen sollen allein in einem Bauabschnitt entstehen – alle sollen Licht und Grün bekommen. Das ist aufwändig, doch es lohnt sich. Nur so kann die nachhaltige Stadt der Zukunft entstehen, davon sind die Architekten überzeugt.

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