Junger Barkeeper steht am Zapfhahn um Biergläser zu füllen.
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Statt der Preise könnten Gastronomen auch die Umsätze erhöhen, indem sie weniger Bier in die Gläser füllen oder Tische kürzer belegen.

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Steigende Preise: "Gierflation" in der Gastronomie?

Die Gastronomie klagt über hohe Kosten für Energie, Personal und Lebensmittel. Gäste bekommen deshalb kleinere Gerichte und saftige Rechnungen serviert. Nun wird diskutiert, ob Gastronomen die Inflation für kräftige Gewinnsteigerungen ausnutzen.

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft und Börse am .

München im Tal. Hier, in der besten Lage befindet sich das Schneider Bräuhaus. Vor 150 Jahren wurde dort im Keller das erste Weißbier gebraut. Der Preis für einen halben Liter ist inzwischen stark gestiegen, innerhalb von zwei Jahren um über zehn Prozent, von 4,44 Euro auf 4,90 Euro. Und das spüren die Kunden nicht nur hier, wenige Meter entfernt kostet das Bier schon 6,10 Euro.

Machen sich die Gastronomen die Taschen voll? Brauereileiter Georg Schneider hat eine Erklärung: "Wenn ich heute in der teuersten Lage in der Innenstadt Essen und Getränke serviere, dann muss ich das einpreisen. Wenn ich mir aus dem Keller ein Bier hole, ist das natürlich günstiger."

Preissteigerungen in der Gastronomie

Doch Lebensmittel und Getränke werden nicht nur in der Münchner Innenstadt teurer – sondern überall. Die Lebensmittelpreise haben im Vergleich zum Vorjahr um über 17 Prozent angezogen. Das spüren die Verbraucher, so wie der Gast Hubertus Tuczek, der eine Gruppe Schweizer zum Schneider Bräuhaus ausgeführt hat: "Generell überlegt man bei Ausgaben schon zweimal, ob man sie eigentlich macht und wo man vielleicht sein Geld nachher ausgibt, weil ja generell alles teurer geworden ist."

Von den Preissteigerungen ist auch die Gastronomie nicht gefeit: Für Georg Schneider sind es neben den Energiekosten vor allem die gestiegenen Lebensmittel- und Personalkosten, die höhere Preise rechtfertigen.

Brauereileiter: Kein Gastwirt oder Brauer lebt vom Draufzahlen

Auch wenn die Kunden teilweise "jammern", sagt er: "Wir versuchen, die Preise weiterzugeben, es lebt kein Unternehmer, Gastwirt, Brauer vom Draufzahlen." Und so steigen die Preise fürs Bier, auch auf den bayerischen Volksfesten: nicht nur in Premiumlage München Innenstadt, sondern auch anderswo.

Bierpreise auf den Volksfesten: Auf dem Augsburger Stadtfest kostet die Maß Hasenbräu inzwischen 11,20, auf der Pfingstdult in Simbach ist die Maß um 60 Cent auf 10,80 Euro gestiegen. Und in Burghausen noch etwas mehr von 9,40 auf 10,10 Euro.

"Gierflation" in der Gastro?

Manch einer fragt sich, ob das Gastgewerbe die Situation nicht doch ausnutzt, um Gewinne kräftig zu steigern. Joachim Ragnitz vom ifo-Institut kommt zu dem Schluss, dass das für Unternehmen vor allem im Handel, Verkehr und Bau, aber eben auch für das Gastgewerbe gelte. Laut seinen Berechnungen haben "Unternehmen im Gastgewerbe und Verkehr ihre Preise deutlich stärker erhöht als es aufgrund der gestiegenen Vorleistungspreise allein zu erwarten gewesen wäre" – also bei Preisen wie etwa der Energie.

Laut dem Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA sei der Gastgewerbeumsatz allerdings immer noch deutlich unter Vor-Corona-Niveau. Auch nach drei Verlustjahren in Folge hätten die heimischen Restaurants und Hotels immer noch nicht die Vorkrisenumsätze erreicht. Gegenüber dem ersten Quartal 2019, also vor Ausbruch der Pandemie, ist der Gastgewerbeumsatz von Januar bis März real um 12,5 Prozent gesunken.

Umsätze erhöhen statt Preise

Dass die Verbraucher zurückhaltender konsumieren, spürt auch DEHOGA-Präsidentin in Bayern Angela Inselkammer. In Aying führt sie den Brauereigasthof "Hotel Aying". Noch kommen die Gäste, doch hier wie anderswo gibt es keine Gewissheiten mehr, sagt sie: "Alle haben so ein bisschen eingezogenen Kopf, und wissen nicht, wie geht‘s weiter, du hörst schlechte Wirtschaftsdaten, du hörst, dass die Menschen Probleme haben."

Steigende Kosten für Lebensmittel und Personal führten zu höheren Preisen in der Gastronomie und Hotellerie. Um den Kreislauf zu durchbrechen, sieht die bayerische DEHOGA-Präsidentin nur eine Möglichkeit: "Zwei Belegungen machen mittags, zwei Belegungen abends, dann können die Gäste halt nur noch zwei Stunden bleiben." So könnten Gastronomen mit dem gleichen Personal in Küche und Service einen höheren Umsatz erzielen.

Kleinere Portionen, höhere Preise, weniger Gäste

In der Branche gibt es noch andere Tricks, um den Umsatz zu erhöhen: Weniger ausschenken, wie etwa Bier in 0,4-Liter-Gläsern. Oder weniger auf den Teller legen und ein Schnitzel statt zwei servieren. Extras wie Ketchup oder Hafer-Milch müssen extra bezahlt werden.

Funktionieren wird all das nur, wenn das Restaurant so nachgefragt ist, dass die Kunden trotzdem kommen. Für Hoteliers und Gastronomie bleibt es eine Gratwanderung, steigende Preise weiterzugeben. Denn wird das Bier zu teuer, trinken es die Kunden am Ende doch lieber daheim.

Im Video: Die Inflation ist auf 6,1 Prozent gesunken - doch die Lebensmittelpreise bleiben hoch. Das spürt man deutlich beim Essengehen.

Die Inflation ist auf 6,1 Prozent gesunken - doch die Lebensmittelpreise bleiben hoch. Das spürt man beim Einkaufen - und noch deutlicher beim Essengehen: Das Gastgewerbe langt ordentlich zu. Aber sind die hohen Preise wirklich gerechtfertigt?
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Die Inflation ist auf 6,1 Prozent gesunken - doch die Lebensmittelpreise bleiben hoch. Das spürt man deutlich beim Essengehen.

Dieser Artikel ist erstmals am 01.06.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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