Ein Schutzhelm mit der Aufschrift "Siemens Energy" hängt in einer Werkhalle im Transformatorenwerk Siemens Energy.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Sebastian Kahnert

Vor allem wegen der Windkraft-Tochter Gamesa wandelte sich Siemens Energy vom Hoffnungsträger zum Sanierungsfall.

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Problemfall Windkraft: Siemens Energy mit Milliardenverlust

Seit langem schreibt Siemens Energy im Geschäft mit den erneuerbaren Energien bei der spanischen Windkrafttochter Gamesa nur rote Zahlen. Für dieses Jahr wird nun ein Verlust von 4,5 Milliarden Euro erwartet.

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Siemens Energy hat im abgelaufenen Quartal tiefrote Zahlen geschrieben. Massive Probleme bei der Windkraft-Tochter Gamesa bescherten dem Konzern einen Verlust nach Steuern von 2,9 Milliarden Euro.

Finanzmärkte mit Verlustprognose geschockt

Schon vor einigen Wochen hatte Siemens Energy die Finanzmärkte mit der Ankündigung geschockt, seine bisherige Jahresprognose zurückzuziehen. Der Grund waren neu entdeckte Qualitätsprobleme bei Siemens Gamesa. Damals stürzte der Aktienkurs um rund ein Drittel ab. Nun steht fest: Für das Gesamtjahr erwartet Siemens Energy einen Verlust nach Steuern von rund 4,5 Milliarden Euro.

Erfahrener Sanierer hat übernommen

Nach diversen Management-Wechseln hatte der erfahrene Sanierer Jochen Eickholt im Chefsessel von Siemens Gamesa Platz genommen. Er erläuterte jetzt die gravierenden Qualitätsprobleme, die bei Windturbinen an Land festgestellt wurden.

"Als Ursache für die Probleme wurden vornehmlich Rotorblätter und Hauptläger und einige kleinere Komponenten identifiziert. Ein Beispiel: So ein Rotorblatt hat zumindest im Fußbereich mehr als 150 Schichten von Glasfasern. Und wir haben festgestellt, dass im Herstellungsprozess vereinzelt Unebenheiten auftreten, die dann zu Unregelmäßigkeiten im Laminierungsprozess führen." Jochen Eickholt, Siemens Gamesa

Zuletzt fand unter Hochdruck und unter Beteiligung von externen Experten eine Analyse statt. Man wollte herausfinden, wie teuer es wird, die Qualitätsprobleme bei Siemens Gamesa zu beseitigen. Bei bestimmten Windkraftanlagen an Land kommt es zu deutlich höheren Ausfallraten als geplant. Allein für das abgelaufene Quartal setzte der Konzern dafür nun Kosten in Höhe von 1,6 Milliarden Euro an.

Trennung von Lieferanten

Klarheit liefern nur spezielle Röntgengeräte. Die betroffenen Turbinen können laut Siemens Energy weiter betrieben werden; die Teile sollen möglichst im Rahmen des Regel-Service ausgetauscht werden. Von einigen Lieferanten habe man sich bereits getrennt.

Aktionärsvertreterin fassungslos

Die Münchener Rechtsanwältin Daniela Bergdolt von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz zeigt sich fassungslos; denn kaum war die komplette Übernahme von Siemens Gamesa für vier Milliarden Euro vollzogen, wurden die Mängel öffentlich:

"Die Kontrolldefizite, die sich bei Siemens Energy auftun, sind erschütternd. Es ist kaum nachzuvollziehen, dass man zur Jahreswende Gamesa voll übernommen hat und damals nicht feststellen konnte, dass es diese massiven Qualitätsprobleme gibt, die jetzt zu Milliardenverlusten führen." Daniela Bergdolt, Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz

Konventionelle Bereiche wirtschaftlich erfolgreich

Wesentlich besser lief es dagegen im Geschäft mit Stromnetzen und der klassischen Energieerzeugung, etwa beim Bau und der Service-Betreuung von Gasturbinen. Vorstandschef Christian Bruch versuchte bei der Vorlage der Quartalszahlen, das Positive herauszustreichen. Die starke Leistung der Sparten außerhalb von Gamesa gebe ihm Vertrauen in die Fähigkeit des Unternehmens, Geschäfte wieder wirtschaftlich erfolgreich aufzustellen.

"Dieses Siemens Gamesa-Thema überschattet eigentlich komplett die Lichtblicke wie den wunderbar hohen Auftragsbestand und Auftragseingang und ebenso auch die tollen Ergebnisse im konventionellen Gas and Power Geschäft, also der konventionellen Energie." Verena Diehl, Union Investment

Keine Prognose zu schwarzen Zahlen

Trotz dieser Erfolge bei der Energie-Übertragung und im traditionellen Kraftwerksgeschäft gibt es bislang keine konkrete Prognose des Vorstands, wann wieder schwarze Zahlen zu erwarten sind. Selbst bei den Windturbinen auf hoher See, wo sich Siemens Energy selbst als Marktführer sieht, gibt es Probleme bei der Umrüstung einiger Fabriken und dem Hochfahren der Anlagen. Auch das verursacht weitere Kosten im dreistelligen Millionenbereich.

Wegen Energiewende zu schnell gewachsen

Christian Bruch räumt ein, neue Turbinen seien nicht ausreichend getestet worden; man habe zu viel zu schnell angepackt:

"Das ist in dem Markt unüblich, weil Sie müssen ja alles hinterherziehen: Lieferanten, Logistikketten, alles was dazugehört. Ich glaube, man muss sich hinterfragen, wie schnell kann so ein Geschäft wachsen, und wie viele neue Produkte können Sie gleichzeitig einführen, mit welchen Vorphasen." Christian Bruch, Siemens Energy

Aber das sei ein grundsätzliches Problem der Energiewende, betont Bruch; zu schnelles Wachstum funktioniere halt nicht. Die internen Untersuchungen bei Siemens Energy laufen weiter, auch mit Hilfe externer Spezialisten.

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