Mutter und Sohn an der Isar
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Nachhaltig und konfliktfrei reisen: Wie klappt es als Familie?

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Nachhaltig und konfliktfrei reisen: Wie klappt das als Familie?

Viele aus der jungen Generation wollen ein umweltgerechteres Reiseverhalten in der Gesellschaft erreichen. Doch führt das möglicherweise zu familiären Spannungen beim Thema Urlaub? Wie eine Familie aus München damit umgeht.

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Nachhaltigkeit und Reisen – zu welchen Konflikten können diese Themen in Familien führen? Und welche Kompromisse sind möglich? Die BR-Redaktion mehr/wert hat eine kleine Familie in München besucht – eine alleinerziehende Mutter mit ihrem klimabewussten Sohn. Wie nachhaltig setzen sie ihre Reisen um?

Vorstellungen beim Reisen gehen oft auseinander

Ulrike Bohle und ihr Sohn Sylvester schmieden Urlaubspläne. Gar nicht so leicht. Mit zunehmenden Alter hat der 16-Jährige immer klarere Vorstellungen, was er möchte. Seit Jahren fahren Mutter und Sohn im Sommer nach Elba – zur Ersatzoma. Immer mit dem Auto. Schon das ist ein Kompromiss für Sylvester. Für ihn ist es undenkbar, noch so zu reisen wie vor zehn Jahren. Er sieht sich in der Verantwortung: "Wir sind jetzt die Generation. Die ältere Generation schafft es jetzt nicht. Früher hat man ja noch nicht so viele Zahlen gehabt", sagt Sylvester. "Aber wir müssen in der Zukunft auf jeden Fall was machen und ich finde man sollte so früh anfangen wie es geht."

Dabei versucht die Vegetarierin Ulrike Bohle schon, möglichst nachhaltig zu leben. Dennoch würde sie gerne mit ihrem Sohn mal nach Costa Rica reisen. Das kommt für Sylvester aber nicht mehr in Frage. Alles möchte sich die Mutter aber nicht vorschreiben lassen: "Also, ich versuche sowieso, ihm das ganze Leben entgegenzukommen, deswegen auch da", erklärt Ulrike Bohle. "Aber bei der Geschichte etwa, dass man nach Elba auch mit dem Zug fahren könnte – das ist absolut unmöglich. Weil auf Elba die Verkehrsmittel einfach nicht so ausgebaut sind, dass man Einkaufen könnte beispielweise." Ganz auf Elba verzichten will die alleinerziehende Mutter nicht. Denn die Ersatzoma in ihrem Haus zu besuchen hat schon Tradition. Zudem ist es ein günstiger Urlaub.

Bus und Bahn statt Auto

Auch im Alltag ist Mobilität ein Thema. Zusammen mit Sohn Sylvester steigt Ulrike Bohle in ihrer Freizeit immer häufiger auf Bahn und Rad um. Doch ganz ohne Auto geht es nicht: "Für mich ist es bei meiner Berufsstätigkeit unmöglich ohne Auto. Ich muss pünktlich ankommen. Ich prüfe Situationen in Kindertagesstätten und das schaffe ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht", erklärt Ulrike Bohle.

Sylvester und seine Mutter leben in München. Dass auch in der Stadt noch so viele mit dem Auto unterwegs sind und etwa SUVs die Straßen verstopfen, ärgert Sylvester. Auch Kurzstreckenflüge findet er unverantwortlich. "Mich macht das schon traurig, vielleicht zu sehen wie die Natur, wie wir sie kennen, dann in ein paar Jahrzehnten oder vielleicht in ein bis zwei Jahrhunderten gar nicht mehr vorhanden sein wird", sagt Sylvester. "Ich will einfach auch für meine Kinder eine Zukunft haben. Weil so wie wir momentan leben, gibt es irgendwann in relativ naher Zukunft gar keine Zukunft mehr."

Skiurlaub nur in bestimmten Gebieten

Ulrike Bohle kann ihren Sohn verstehen, dennoch möchte sie nicht alle lieb gewonnenen Aktivitäten aufgeben müssen. Wie etwa das Skifahren, Sport an der frischen Luft, der die Familie zusammenschweißt: "Hauptsächlich ging es mir darum, auch die Zeit mit meinem Sohn zu verbringen. Also die wenige Zeit, die man hat, wenn man Vollzeitberufstätige ist", berichtet Ulrike Bohle. So gebe es auch jedes Jahr einen Skiurlaub. "Das ist natürlich schon ein Thema, und der Kompromiss für uns ist jetzt, dass wir in ein Skigebiet gehen, in dem wenig Schneekanonen sind, so dass ein Skifahren unter Umständen nicht möglich ist. Und dann sind wir aber trotzdem zusammen am Skiort. Ohne Schnee."

Klimaschutz wird für Sylvester immer wichtiger. Er versucht nicht nur selbst konsequenter zu werden, sondern auch im Familien- und Freundeskreis Dinge in Bewegung zu bringen: "Ich mach es ja eher im kleinen Umkreis. Ich habe keine Instagram-Seiten oder irgend sowas oder veranstalte Demonstrationen, wie Fridays for Future", sagt Sylvester. Aber er gehe mit Freunden auch auf FFF-Demonstrationen. "Aber ich denke, ich bin eher ein kleinerer Teil", sagt Sylvester.

Jugendforscher: "Grundsätzlich kein Generationenkonflikt"

Wie die Generation Z tickt, untersucht Jugendforscher Simon Schnetzer. Er ist für seine Trendstudie "Jugend in Deutschland" ständig im Kontakt mit jungen Menschen. Auch wenn Klimaaktivisten eine sehr starke Präsenz in der Öffentlichkeit haben, gibt es den vielzitierten Generationenkonflikt nach seinen Auswertungen kaum: "Es gab gerade beim nachhaltigen Reisen durchaus eine Zeit gerade mit Fridays for Future 2019 oder so, wo ganz viele junge Menschen ihre Eltern konfrontiert haben: 'Nee, SUV geht gar nicht, nächsten Urlaub machen wir lieber mit der Bahn als mit dem Flugzeug' – aber grundsätzlich sehen wir keinen Generationenkonflikt", erläutert Schnetzer.

Auch wenn einige Vertreter der Generation Z sich lautstark für die Klimaziele einsetzen, zeigt sich, dass sich viele der 14- bis 29-Jährigen laut Studie schwer tun, klimaschädliche Gewohnheiten abzulegen: So würden zwar 27 Prozent auf Flugreisen konsequent verzichten, 34 Prozent vielleicht, aber 39 Prozent verneinen das. Für Flüge eine CO2-Kompensation zahlen würden von den Befragten nur sechs Prozent immer, 21 Prozent manchmal, 25 Prozent selten, 48 Prozent nie. Auf das eigene Auto dauerhaft verzichten wollen 18 Prozent, 28 Prozent vielleicht, und über die Hälfte wäre dazu nicht bereit.

"Junge Menschen sind heute viel stärker sensibilisiert dafür, dass ihr Verhalten im Konsum und im Reisen Auswirkungen hat auf das Klima, das heißt, dieses Bewusstsein haben alle. Anders als es früher vielleicht noch der Fall war", sagt Schnetzer. Es handelten aber nicht alle konsequent. "Weil junge Menschen sagen: 'Ich möchte dies und jenes noch erleben, ich habe diese Träume und die möchte ich mir nicht nehmen lassen', wohingegen die Älteren vielleicht sagen: 'Ich hab dies und das erlebt, theoretisch könnte ich darauf verzichten.'"

Schlechtes Gewissen statt Reiselust?

Der 16-jährige Sylvester hat seine selbst gesetzten "Klimavorgaben" in puncto Urlaub für dieses Jahr schon ausgeschöpft. Mutter Ulrike ist im Konflikt. Für sie beginnt in wenigen Monaten ein Sabbatjahr, bei dem sie sich ihren Kindheitstraum erfüllen wollte: eine Reise nach Afrika, zum Kilimandscharo. Doch die Diskussionen daheim haben sie verunsichert: "Ich habe bestimmt ein wahnsinnig schlechtes Gewissen, weil es wirklich nicht unbedingt notwendig ist, das zu machen." Zehn Jahre habe sie auf ein Sabbatjahr gespart, mit dem Ziel, zum Kilimandscharo reisen zu können und ihn zu besteigen. Doch das drohe nun zu scheitern.

Ihr Sohn Sylvester plant einen sechsmonatigen Auslandsaufenthalt an einer Schule direkt am Meer in Neuseeland. Eine Chance für ihn, der gerne surft, taucht und später Meeresbiologe werden will. Doch der Flug nach Neuseeland ist weit. "Also, ein schlechtes Gewissen habe ich nicht", sagt Sylvester. Auf jeden Fall aber werde er einen CO2-Ausgleich bezahlen.

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