Ein Fachwerkhaus mit der Aufschrift Rathaus
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Kommunen im Krisenmodus: Personalmangel an allen Ecken und Enden

Im Privatsektor oder im öffentlichen Dienst, überall fehlen Mitarbeiter, gelernte wie ungelernte. Gerade Städte und Gemeinden tun sich schwer, Personal zu finden, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Für die Mitarbeiter dort heißt das oft: Überstunden.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Von Fachkräftemangel kann inzwischen nicht mehr die Rede sein. Der Ausdruck "allgemeiner Arbeitskräftemangel" scheint angemessener. Stadtkämmerer René Mroncz und Personalchef Michael Baumhakl bereiten zu dem Thema eine Ratssitzung der Stadt Germering vor. Man könnte auch Krisensitzung dazu sagen.

Viele Abteilungen im Krisenmodus

Die Personaldecke in der Verwaltung und bei den städtischen Dienstleistungen ist inzwischen so dünn, dass viele Abteilungen der Verwaltung im Krisenmodus arbeiten. "Gerade im technischen Bereich, wie der IT, wie dem Ingenieurswesen, Hochbau, Tiefbau oder der Veranstaltungstechnik haben wir Probleme, entsprechend geeignetes Personal zu finden", sagt René Mroncz. Damit die Stadtverwaltung funktionstüchtig bleibt, müssen sich Mroncz und seine Kollegen inzwischen einiges einfallen lassen. "Wir haben beispielsweise den IT-Sicherheitsbeauftragten mehrmals ausgeschrieben, trotzdem konnten wir die Stelle nicht besetzen. Jetzt suchen wir andere Lösungen. Wir disponieren das interne Personal um, so dass wir die Aufgabe der Informationssicherheit noch bewerkstelligen können."

Die Mitarbeiter müssen es ausbaden

Der Mangel geht oft besonders zu Lasten der Mitarbeiter. Matthias Leimer ist eigentlich ausschließlich für die IT der fünf Schulen in der Stadt Germering zuständig. Jetzt kümmert er sich auch noch um die IT-Sicherheit. Das bringe ihn manchmal an seine Grenzen, sagt Leimer: "Wenn es IT-Probleme gibt, die nicht wirklich akut sind, dann muss ich die Lehrer auch manchmal vertrösten. Aber um die Arbeit überhaupt zu schaffen heißt es: Überstunden, viel Arbeit, früher anfangen, später nach Hause gehen …"

Was bedeutet Fachkräftemangel?

Eine Million Fachkräfte sollen bis bis 2030 in der öffentlichen Verwaltung fehlen, deutschlandweit. Die Zahl ist allerdings nur eine Schätzung. Sie entstammt aus einer Untersuchung der Unternehmensberatung Price Waterhouse. Die Autoren konnten bei ihrer Studie nicht auf objektive Zahlen zugreifen, da es kein Register gibt, an das offene Stellen gemeldet werden. Auf Basis von Daten zur Bevölkerungsentwicklung, Umfragen und Hochrechnungen ist die Zahl von einer Million entstanden. Bei etwa fünf Millionen öffentlichen Angestellten insgesamt heißt das: Jede fünfte Stelle bleibt bis in sieben Jahren unbesetzt.

Inzwischen trifft es alle Branchen

Begonnen hat es in der Pflege. Vom "Pflegenotstand" hat man schon in den 1980er-Jahren gesprochen. Seitdem hat sich das Problem weiter verschärft. Ab etwa Ende der 90er-Jahre begann es bei der Kinderbetreuung. Müttern sollte die Rückkehr in die Berufstätigkeit erleichtert werden. Dazu brauchte es deutlich mehr Kinderbetreuung, aber zu wenige waren bereit, diesen verantwortungsvollen, aber auch schlecht bezahlten Beruf zu wählen. Sowohl bei der Pflege also auch der Kinderbetreuung hat sich die Bezahlung gebessert. Der Nachwuchs konnte aber zahlenmäßig mit dem Anstieg der Nachfrage nicht mithalten.

Die Kosten sind enorm

Die Unternehmensberatung Boston Consulting hat versucht auszurechnen, wie stark der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern die jährliche Wirtschaftsleistung senkt. Um es vorauszuschicken: Heraus kamen 86 Milliarden Euro.

Grundlage der Berechnung sind Zahlen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Demnach waren für das zweite Quartal 2022 1,9 Millionen offene Stellen für den gesamten deutschen Arbeitsmarkt, gemeldet - also für den öffentlichen und den privaten Sektor zusammen. Das entspricht einer Million mehr gemeldeter Stellen als im Durchschnitt der Vorjahre. Bei einer durchschnittlichen Arbeitsleistung von 86.000 Euro pro Arbeitnehmer ergeben sich damit 86 Milliarden Euro.

Was heißt das für die Kommunen?

Damit ist klar: Privatwirtschaft und Kommunen sind Konkurrenten. Es gibt einen Wettbewerb um Arbeitnehmer. Die gute Bezahlung ist ein Weg, Menschen zu gewinnen. Allein mit mehr Geld sei dieses Problem aber nicht mehr zu lösen, sagt Georg Große Verspohl, Direktor beim Bayerischer Gemeindetag. Auch weil die Kommunen an Tarifverträge gebunden sind, hat die Privatwirtschaft hier immer einen Vorteil.

Darum fordert Große Verspohl eine umfassende Digitalstrategie von der Bundesregierung. Denn das würde die Arbeitsabläufe in den Verwaltungen effizienter und damit auch weniger personalintensiv machen: "Die große Politik, der Bund, muss anfangen, Digitalisierung durchgängig zu denken, vom Antrag bis zum Bescheid und nicht nur sagen: 'Der Bürger muss digitalen Service bekommen', sondern auch die Verwaltungen brauchen digitalen Service, damit die Arbeitsplätze einerseits attraktiver werden und andererseits die Arbeitnehmer produktiver arbeiten können."

Der Öffentliche Dienst hat auch seine Vorteile

Darauf will aber in Germering niemand warten. Personalchef Michael Baumhakl sieht viele weitere Möglichkeiten, die Stadt als Arbeitsplatz attraktiver zu machen und will das zukünftig auch möglichen neuen Mitarbeitern kommunizieren: "Gerade die Sozialen Medien werden immer wichtiger, weil da die potentiellen Mitarbeiter unterwegs sind. Dort müssen wir die Vorteile der Stadt Germering herausstellen!" "Wir bieten so vieles für Mitarbeiter: Dienstradleasing etwa, betriebliches Gesundheitsmanagement, Mitarbeiterschwimmen, usw. Wir gehen da neue Wege als Kommunalverwaltung, um unser Personal hier zu halten und neues zu generieren", ergänzt René Mroncz.

Die graue Amtsstube war gestern

Das ist dem Stadtkämmerer wichtig zu betonen: Der öffentliche Dienst habe Qualitäten, die die private Wirtschaft oft nicht zu bieten habe: Verlässlichkeit, Sicherheit, Menschlichkeit und ganz besonders: Dienst am Gemeinwohl, für die Menschen in der eigenen Gemeinde.

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