Ein Containerschiff wird beladen.
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Die Weltwirtschaft kühlt sich ab. In Europa treffen die Zinserhöhungen auf eine schwächelnde Wirtschaft - mit hohen Risiken.

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Gefahr der Stagflation: Was das für die Wirtschaft bedeutet

Vieles wird immer teurer – gleichzeitig stockt die Konjunktur. Viele Faktoren sprechen dafür, dass Deutschland in eine Stagnation schlittert. Was das für die Wirtschaft bedeutet und wie wir da wieder herauskommen können.

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Seit gut einem Jahr kämpft die Europäische Zentralbank (EZB) gegen die Inflation. Zehnmal hat sie die Zinsen schon angehoben und diese Maßnahmen zeigen auch Wirkung. Die Inflationsraten sind lange nicht mehr so hoch wie vor einigen Monaten. Aber sie sind immer noch zu hoch. Erst bei einer Rate von 2 Prozent spricht die EZB von Preisstabilität. In der Eurozone lag die Inflationsrate zuletzt bei 5,3 Prozent, in Deutschland sogar bei 6,1 Prozent.

Risiken und Nebenwirkungen der Geldpolitik

Die EU-Kommission hat kürzlich eine ernüchternde Prognose abgegeben. Demnach wird die Wirtschaft in der Eurozone in diesem Jahr nur um 0,8 Prozent wachsen. Das ist deutlich weniger als sie noch im Frühjahr erwartet hatte. Besonders schwach ist dabei die Wirtschaft in Deutschland: Für uns rechnet die EU-Kommission mit einer Rezession und einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,4 Prozent.

Eine Abschwächung der Konjunktur ist an sich gewollt, jedenfalls von der EZB. Denn Ziel der Zinspolitik ist es, die Nachfrage zu dämpfen. Steigende Preise beziehungsweise Inflation ist immer ein Zeichen dafür, dass Angebot und Nachfrage in einer Gesamtwirtschaft nicht zusammenpassen. Die Geldpolitik kann nur bei der Nachfrage ansetzen. Erhöht sie die Zinsen, werden Kredite teurer und Unternehmen und Verbraucher geben weniger aus.

Mitten in der Stagflation: Lernen aus der "Ölkrise"

Befindet sich die Wirtschaft in einer Boomphase, ist das eine erwünschte Abkühlung. Treffen die Zinserhöhungen aber auf eine schwache Wirtschaft, dann droht eine Stagflation. Also eine Inflation bei gleichzeitiger Stagnation der Wirtschaft. In Deutschland gab es das in den 70er Jahren nach dem Ölschock. Die OPEC beschloss damals aus politischen Gründen, weniger Öl zu fördern – daraufhin verdoppelte sich in wenigen Jahren der Preis und das löste eine schwere Wirtschaftskrise aus.

Das Phänomen der Stagflation ist wirtschaftspolitisch schwer zu bekämpfen. Es gibt keine gängigen Rezepte dafür. In der Ökonomie wird meist eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik empfohlen. Also Maßnahmen, die die Unternehmen auf der Kostenseite entlasten, damit sie weiter produzieren. Die Nachfrage zu stärken, zum Beispiel durch Entlastungen der Bürger, hilft in diesem Fall wenig – außer natürlich, um wirtschaftliche und soziale Härten zu vermeiden. Preisdämpfende Maßnahmen, wie ein Preisdeckel für bestimmte Produkte oder eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer, sind eher kontraproduktiv, denn sie würden die Inflation wieder hochtreiben, sobald die Maßnahmen aufgehoben werden.

Eine Lohn-Preis-Spirale

Ob die Stagflation nur ein vorübergehendes Problem ist, das "durchgestanden" werden muss, bis die Inflation bekämpft ist, oder ob sie sich dauerhaft festsetzt, liegt vor allem daran, ob es zu der gefürchteten Lohn-Preis-Spirale kommt. Also die steigenden Preise hohe Lohnforderungen nach sich ziehen, die dann wieder auf die Preise aufgeschlagen werden. Dafür sehen Ökonomen derzeit keine Anzeichen, noch lägen die Lohnabschlüsse im Schnitt unterhalb der Inflationsrate.

Für die EZB ist die derzeitige Situation schwierig. Einerseits muss sie die Inflation weiter bekämpfen, andererseits will sie die Konjunktur nicht über Gebühr belasten. Dazu kommt, dass die Situation in den einzelnen Euroländern sehr unterschiedlich ist. Eine Stagflation gibt es eigentlich nur in Deutschland. In anderen Ländern sind entweder die Inflationsraten niedriger oder das Wachstum höher. Die EZB aber muss sich an der Lage der gesamten Währungsunion orientieren. Dazu kommt, dass es bis zu zwei Jahre dauert, bis die Zinserhöhungen wirklich wirken.

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