Die Firma Eisbach Bio sitzt mit 50 anderen jungen Firmen im Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie. Was macht sie krisenfest?
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Die Firma Eisbach Bio sitzt mit 50 anderen jungen Firmen im Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie. Was macht sie krisenfest?

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Firmen-Pleiten: Wen es trifft, wer durch die Krise kommt

Corona, Ukraine-Krieg, Energie-Krise: Die Herausforderungen für Unternehmen sind enorm. Welche Firmen schaffen es durch die Krisen? Und was sind die Gründe, warum manche Unternehmen vom Markt verschwinden und andere nicht?

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Zuerst die Corona-Pandemie, dann der Rohstoffmangel und nun der Ukraine-Krieg und mit ihm die Energieknappheit: Die deutsche Wirtschaft muss eine Krise nach der anderen bewältigen. Bis jetzt haben das die Unternehmen verhältnismäßig gut überstanden. Doch Experten warnen: Damit könnte es bald vorbei sein. Denn vielen Firmen geht nun die Puste aus. Besonders betroffen: Große, etablierte Firmen und kleine, junge Unternehmen. Welche Eigenschaften brauchen Unternehmen, um in Krisenzeiten zu überleben? Die BR-Redaktion "mehr/wert" hat sich in der Gründerszene und bei einem Weltkonzern umgesehen.

Hakle, Görtz und Co.: Bekannte Unternehmen vor dem Aus

Einige Firmen hat es bereits getroffen: Der Toilettenpapierhersteller Hakle ist pleite. Und auch der Schuh-Riese Görtz meldete kürzlich Insolvenz an - wegen steigender Energiekosten und der hohen Inflation. "Dazu kommt noch, dass der Konsument, der Verbraucher in Deutschland im Moment total spart", erklärt Patrik-Ludwig Hantzsch vom Verband der Vereine Creditreform.

Zudem seien Lieferketten in der Industrie zerrissen. Je nachdem, wie der Winter verlaufe, erwarte man perspektivisch ab dem nächsten Jahr deutlich zunehmende Insolvenzen. So stellt sich zum Beispiel auch das Amtsgericht München auf eine höhere Zahl von Insolvenzen ein. Doch was brauchen Unternehmen, damit sie die Krise jetzt überstehen?

Welche Firmen überstehen die Krise?

Die Eisbach Bio GmbH in Martinsried bei München ist ein junges Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von neuartigen Medikamenten gegen Krebs spezialisiert hat. Kaum gegründet vor drei Jahren, kam die Corona-Krise. Für viele Unternehmen existenzgefährdend.

Doch diese Firma stellte sich auf die neue Situation ein und reagierte schnell: "Als die ersten Fälle in Deutschland waren, haben wir uns da das Genom des Virus angeschaut und gesehen: Da ist eine Zielstruktur drin, die so ähnlich aussieht wie das Molekül, was wir in der Tumorforschung bearbeiten", erklärt Adrian Schomburg von der Eisbach Bio GmbH. "Also haben wir relativ schnell ein Projekt gestartet, um ein neues Medikament zu entwickeln, und haben da glücklicherweise auch relativ viel Förderung dafür bekommen." Die Entwicklung ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass die klinischen Studien beginnen.

Biotechnologiebranche: Innovationskraft am Wichtigsten

Die Firma Eisbach Bio sitzt im Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie, zusammen mit 50 anderen jungen Firmen, die bisher alle überlebt haben. Doch woran liegt das? Professor Horst Domdey hat in Martinsried schon mehr als 200 Biotech-Startups begleitet. "In der Biotechnologiebranche spielt die Innovationskraft die wichtigste Rolle", erklärt er.

Trotzdem ist es Domdes zufolge "für die Startup-Unternehmen immer noch schwierig, mit den großen zu konkurrieren, weil da zählt einfach der tolle Name. Das haben wir auch in der Pandemie gemerkt. Es gab genügend junge Unternehmen, die neue Testsysteme entwickelt haben. Was auf dem Markt dann vorwiegend genutzt wurde, waren die Testsysteme von Roche Diagnostics und von Siemens Healthineers."

Ein bekannter Name reicht nicht

Auch große Unternehmen müssen innovativ und flexibel sein, um Krisen zu überstehen. Siemens Healthineers, ausgegliederte Medizinsparte von Siemens, hat bei Pandemieausbruch sofort reagiert. Innerhalb weniger Wochen brachte die Firma erste Corona-Tests für Labore auf den Markt und erweiterte ihr Angebot schon bald um Schnelltests.

Für den Langfristerfolg entscheidend: Hightech-Produkte vor der Konkurrenz auf den Markt zu bringen. Beispiel: Der weltweit erste quantenzählende Computertomograph, der Ende 2021 vorgestellt wurde. Damit ist das Unternehmen der Konkurrenz laut Experten weit voraus. Er liefert eine deutlich bessere Bildqualität bei wesentlich weniger Strahlungsbelastung. Teure und aufwändige Entwicklung haben sich hier ausgezahlt.

Forscher: Kriterien, warum Firmen überleben

Christian Stadler ist Professor für Strategisches Management an der britischen Warwick Business School und forscht über die Kriterien, warum manche Unternehmen überleben und andere nicht. "Der Fokus liegt oft auf: Viel Neues ist wunderbar und gut. Ja, aber es kommt auch darauf an, dass man die PS auf die Straße bringt, dass man das umsetzen kann, dass man es schafft, nicht nur eine Idee als Idee zu haben, sondern eben als Produkt und als Service hinzubringen", erläutert Stadler.

Einem großen Industrieunternehmen ist genau das nicht gelungen: AEG. Die Firma war nach Siemens der zweitgrößte Elektrokonzern Deutschlands. Doch nach vielen Entscheidungen an den Märkten vorbei in den 70er und 80er Jahren kam es zum Niedergang des Unternehmens und 1982 zur Insolvenz. Schließlich wurde AEG zerschlagen und verkauft.

In spezialisierten Märkten konkurrenzfähig bleiben

"Das große Problem für die AEG war eine sehr, sehr breite Aufstellung, die sie auch nicht verändert haben", erklärt Stadler. "Siemens hat in den 70er-Jahren begonnen, sich etwas stärker zuzuschneiden. Damals ist die Ausgliederung der Haushaltswaren in eine Gesellschaft gemeinsam mit Bosch entschieden worden. Man hat Fernseher- und Radio-Produktionen gestoppt. Die AEG hat diese Schritte nie vollzogen und war damit eigentlich zu breit aufgestellt, um in spezialisierteren Märkten jeweils dann noch konkurrenzfähig zu sein."

Siemens dagegen hat sich im Laufe der Zeit von vielen Bereichen getrennt, sogar von der Telekommunikationssparte, die lange das Kerngeschäft darstellte. Statt auf Produkte für den Endverbraucher fokussiert man sich heute allein auf das Industrie- und Firmenkundengeschäft. Im Schnitt werden in Deutschland Unternehmen gerade mal zehn Jahre alt.

Gründerin: Finanzierung erfolgsentscheidend

Die Firma Audeering mit Hauptsitz im oberbayerischen Gilching hat ein neues Verfahren entwickelt, das zum Beispiel den Gemütszustand eines Sprechenden analysieren kann. Die Software erleichtert zum Beispiel Mitarbeitern in Callcentern die Gesprächsführung mit den Kunden.

Für die Chefin und Mitgründerin Dagmar Schuller ist besonders das Thema Finanzierung erfolgsentscheidend, gerade bei jungen Firmen. "Die kritische Phase eines Unternehmens ist die Wachstumsphase", sagt Schuller. "Dann, wenn man sozusagen aus den Kinderschuhen etwas draußen ist, wenn man weitere Anschubfinanzierungen braucht, um dieses Wachstum, das gegebenenfalls in einem Markt auch sehr schnell erfolgen muss, machen zu können und das noch nicht aus den eigenen Gewinnen stemmen kann."

Steigende Zinsen: Kredite schwieriger zu bekommen

Mit den Zinserhöhungen der EZB wird es gerade für wachsende Unternehmen schwieriger werden, Kredite zu bekommen. Hier haben es etablierte Unternehmen mit einem guten Finanzpolster deutlich leichter.

Für Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz gibt es aber noch einen weiteren Punkt, der für Firmen spricht, die schon lange auf dem Markt sind: die Krisen-Erfahrung. "Man hat eine gewisse Resilienz auch gegenüber Krisen entwickelt. Man weiß, dass es Krisen gibt, aber man weiß auch, dass man durch Krisen hindurchkommt."

"Wir müssen uns an Krisen gewöhnen"

Patrik-Ludwig Hantzsch vom Verband der Vereine Creditreform sagt, man gehe davon aus, "dass es eben nicht eine Rückkehr in das Jahr 2019 gibt, wo wir eine relativ normale Konjunktur hatten einen normalen Konjunkturzyklus, sondern tatsächlich, dass wir uns an Krisen gewöhnen müssen. Und zwar nicht für einen kurzen Zeitraum, nicht für einen Winter, sondern für die kommenden Jahre." Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Unternehmen eine lange Geschichte hat oder erst gegründet wurde. Was besonders zählt, sind Innovationskraft, Resilienz – auch finanziell – und vor allem: Flexibilität.

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