Die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt.
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Geht mit dem Leitzins ein weiteres Stück nach oben: Die EZB kämpft mit Zinserhöhungen gegen die Inflation im Euroraum.

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Zinserhöhung der EZB: Was das für Sparen und Bauzinsen bedeutet

Die EZB hat wie erwartet erneut und zum siebten Mal in Folge die Leitzinsen auf 3,75 Prozent erhöht. Trotz anhaltend hoher Inflation war es mit Rücksicht auf die Bankenkrise in den USA und in der Schweiz nur ein kleiner Schritt um 0,25 Prozentpunkte.

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Die EZB hat ihr Tempo verlangsamt und - wie gestern schon die US-Notenbank Fed - die Zinsen nur noch um einen Viertelpunkt angehoben. Der Höhepunkt der Inflation könnte auch im Euroraum überschritten sein.

Kerninflation bei fünf Prozent verfestigt

Die Teuerung hat sich aber verfestigt: Die Kerninflation, bei der die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise nicht mitzählen, liegt inzwischen bei fünf Prozent. Verbraucher zahlen für nahezu alles jetzt deutlich mehr.

Auf der anderen Seite hat die EZB die Zinsen bereits extrem schnell angehoben und will offenbar nicht in diesem Stil weitermachen. Sie will nicht riskieren, dass nach den USA und der Schweiz auch im Euroraum Banken wegen hoher Kursverluste mit ihren Anleihen in Schwierigkeiten geraten.

Außerdem wird die Konjunktur im Euroraum von den Zinsen bereits stark belastet sowie von der Energiekrise und einem Einbruch der Bauwirtschaft. Angesichts der hohen Verschuldung einige Euro-Länder wie Italien und Frankreich ist zudem fraglich, wie schnell die EZB das Volumen ihrer Anleihen zurückfahren kann, ohne die Finanzierung der Staatshaushalte in diesen Ländern zu gefährden.

EZB will Inflation auf zwei Prozent begrenzen

Dessen ungeachtet steigen die Zinsen weiter. Notenbanken wie die Europäische Zentralbank EZB müssen erst mehr Sicherheit darüber gewinnen, dass ihre Geldpolitik bei der Bekämpfung der Inflation auch tatsächlich wirkt. Denn mittelfristig sollen die Verbraucherpreise im Euroraum nach den Vorgaben der Notenbank nur noch um höchstens zwei Prozent steigen und nicht um sieben Prozent, wie im April.

Für Sparguthaben wie für Kredite kündigen sich damit weitere Veränderungen an, vor allem das Schulden machen wird deutlich teurer

Immer höhere Zinsen - Sparer gehen weitgehend leer aus

Angesichts der siebten Zinserhöhung in Folge durch die Europäische Zentralbank und eines Niveaus von annähernd vier Prozent im Leitzins und bei Immobilienkrediten werden Sparerinnen und Sparer langsam ungeduldig. Während Banken für ihre Einlagen bei der EZB die hohen Zinsen dort einstreichen können, bekommen ihre Kunden bei Ihren Bankeinlagen immer noch so gut wie nichts davon ab. Für die Institute ist das ein wahrer Geldsegen, weil sie zugleich auch ihre Kreditzinsen nach oben anpassen können. Sie verdienen damit doppelt daran, dass die Notenbank ihre jahrelange Nullzinspolitik beendet hat.

Baugeld: Etwa vier Prozent Zinsen

Wie hoch die Kreditzinsen sind, richtet sich nach den Renditen am Kapitalmarkt, und die sind mit den Zinserhöhungen der EZB ständig gestiegen. So orientieren sich die die Zinsen für Immobilienkredite grob an Anleihen, mit denen die Baudarlehen refinanziert werden, zum Beispiel Pfandbriefen. Außerdem kann die Bank, bevor sie Baugeld gibt, auch noch Risikoaufschläge erheben - je nachdem wie sicher ihr das ganze Vorhaben im Einzelfall erscheint.

In der Summe läuft es bei einer Laufzeit von 10 Jahren inzwischen auf Hypothekenzinsen von etwa vier Prozent hinaus. Wobei einige Experten sich sogar noch höhere Bauzinsen vorstellen können. Andererseits ist auch eine Gegenbewegung denkbar, wenn die Nachfrage nach Baugeld nachlässt und die Leitzinsen nicht mehr weitersteigen.

Festgeld: Zwei bis drei Prozent Zinsen

Entscheidend ist der Wettbewerb der Banken untereinander. Es gibt dafür keine festen Regeln, jede Bank oder Sparkasse entscheidet frei darüber, wie bei ihr die Konditionen sind. Normalerweise führt die Konkurrenz der Institute dazu, dass die Zinsen ähnlich hoch sind, aber es gibt eben auch immer Ausnahmen. Derzeit sind das viele Nischenanbieter wie etwa reine Onlinebanken oder –Broker, die Kunden mit Sparangeboten auf ihre Tagesgeldkonten locken. Aber häufig gibt es die hohen Tagesgeldzinsen nur für wechselwillige Kunden und dann auch nur für ein paar Monate.

Wer sich länger bindet, kann mit Festgeld und Laufzeiten ab 12 Monaten bereits Renditen erzielen, die sich im Bereich von zwei bis drei Prozent bewegen. Bankexperten wie die Unternehmensberatung Capco rechnen in den nächsten drei Monaten mit höheren Sparzinsen.

Lange würden es die meisten Institute nicht mehr durchhalten, ihren Sparerinnen und Sparern Zinsen vorzuenthalten. Wenn die Experten von Capco recht behalten, könnte man mit dem Festgeld noch ein paar Wochen warten, und in dieser Zeit sein Geld auf einem attraktiven Tagesgeldkonto zwischenparken, das dann unter Umständen bei einer anderen Bank als der Hausbank wäre.

Banken erleben eine Sonderkonjunktur

So ist ein Großteil der jüngsten Gewinne von Deutscher Bank und Commerzbank sowie von vielen Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken auf die Wende in der Geldpolitik von Notenbanken zurückzuführen.

Ein Wermutstropfen sind für die Kreditinstitute die Buchverluste, welche die Zinswende den Anleihen beschert, von denen sehr viele auch in den Bilanzen der Banken lagern. Aber diese Verluste treten nur dann auf, wenn Anleihen vor Ende ihrer Laufzeit verkauft werden müssen. In den USA mussten einige Banken das allerdings tun, weil Kunden ihre Einlagen dort schnell abzogen. In Deutschland und im Euroraum ist dieses Problem bisher noch nicht aufgetreten.

Wenn Sparer Geld abziehen, können Banken zusammenbrechen

Die Beispiele in den USA, bei der Silicon Valley Bank oder bei First Republic Bank zeigen, dass es nicht egal ist, was Kunden mit ihren Bankeinlagen machen. Wenn Einlagen in großer Zahl abgezogen werden, brechen Banken zusammen.

Ein klassischer Bank Run, bei dem Kunden an den Geldautomaten Schlange stehen aus Sorge um ihre Ersparnisse, war zum Beispiel in Griechenland während der Euroschuldenkrise noch ein Thema. Heute lassen sich die Gelder bequem per Smart Phone-App hin und herschieben, niemand muss mehr Schlange stehen.

Problem: Weltweit gibt es sehr viel Liquidität

Gerade in Deutschland, wo viele Sparguthaben seit Jahren nahezu unverzinst auf Konten liegen, gibt es ein Überangebot an Liquidität. Nahezu überall auf der Welt herrscht eine Art Anlagenotstand, das heißt es gibt viele Ersparnisse, die möglichst sicher und zinsbringend angelegt werden wollen. Das ist ein Thema, das auch der Globalisierung geschuldet ist. So drängen heute etwa kalifornische Pensionsfonds ebenso auf den Markt wie der norwegische Staatsfonds oder arabische Emirate, die ihre Öl-Milliarden anlegen wollen. Und alle können sich an Infrastrukturmaßnahmen wie zum Beispiel Windkraftparks in der Nordsee beteiligen.

Deutsche Sparerinnen und Sparer befinden sich mit ihren Einlagen bei den Banken also längst in einem globalen Wettbewerb, wo sehr viel Kapital nach Möglichkeiten für Investitionen sucht. Die Konsequenz: Wer dabei möglichst kein Risiko eingehen will, darf nur eine geringe Verzinsung erwarten. In Zeiten höherer Inflation kann diese Verzinsung oft so niedrig sein, dass die Kaufkraft der Ersparnisse unterm Strich sogar sinkt.

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