Aurora-Betriebsratschef Hubert Roßkopf (l.) zusammen mit einem Kollegen.
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Noch läuft die Lampen-Produktion: Aurora-Betriebsratschef Hubert Roßkopf (l.) zusammen mit einem Kollegen.

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EU-Lampen für die Ukraine: Warum ist Eichstätt leer ausgegangen?

LEDs für die Ukraine aus China - im Auftrag der EU? In Eichstätt reibt man sich die Augen über diese Vergabe, dort hatten die Aurora Lichtwerke das Nachsehen. Eine Geschichte über die komplexen Entscheidungen der EU und ihre Konsequenzen.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Manchmal werden die Folgen großer EU-Politik besonders im Kleinen sichtbar. Und manchmal prallen Entwicklungshilfe und Industriepolitik aufeinander. Was passiert, wenn beides zusammenkommt, lässt sich gerade in Eichstätt wie unter einer Lupe beobachten. Im Mittelpunkt: die Aurora Lichtwerke. Das vorläufige Ende: ein gescheiterter politischer Spagat. Aber der Reihe nach.

Aurora Lichtwerke in Eichstätt auf der Kippe

Im Dezember 2022 kündigt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein besonderes Hilfsprogramm für die Ukraine an: 35 Millionen LED-Lampen, um so der Bevölkerung beim Stromsparen zu helfen. Als man bei den Aurora Lichtwerken davon erfährt, keimt Hoffnung. Der Eichstätter Lampenhersteller sucht zu diesem Zeitpunkt nach Investoren, um die drohende Insolvenz abzuwenden.

Ein Teil des EU-Auftrags hätte zwar nicht die sofortige Rettung bedeutet, sagt der Betriebsratsvorsitzende Hubert Roßkopf, aber: "Es hätte uns Zeit und Umsatz gebracht, um vielleicht doch noch jemand zu finden, der Interesse an unserem Unternehmen gehabt hätte."

EU-Kommission: Allein der Preis entscheidet

Es muss schnell gehen, die EU-Kommission treibt die Auftragsvergabe voran. Binnen weniger Wochen ist alles abgeschlossen - und Aurora geht leer aus. Den LED-Auftrag erhalten mit Ledvance und Signify stattdessen zwei Konzerne, die sich in chinesischem Besitz befinden oder in China produzieren. "Das ist schon sehr bedenklich", sagt Roßkopf.

Auf BR24-Anfrage begründet die EU-Kommission ihre Entscheidung. "Das einzige vertraglich festgelegte Vergabekriterium war der Preis", teilt ein Sprecher mit. Aurora blieb damit chancenlos gegen die günstigere chinesische Konkurrenz. "EU-Beschaffungsverfahren schließen keine Firmen aus, die zwar in der EU eingetragen sind, aber chinesische Eigentümer haben", heißt es weiter von der Kommission.

Kritik an der EU-Vergabe: Abhängigkeit von China

"Ein fatales Signal", nennt Reinhard Brandl diese Entscheidung. Als CSU-Bundestagabgeordneter aus der Region kämpft er seit Jahren für Aurora und seine Vorgänger. Denn das Unternehmen ist das letzte Überbleibsel davon, was einst Osram mit mehr als 900 Mitarbeitenden war und später Ledvance. Mehr als einmal konnte das Aus für das Werk bereits abgewendet werden.

Natürlich sei der Preis aus Sicht der Steuerzahler ein wichtiges Kriterium, sagt auch Brandl. Aber ausschließlich der Preis? Und China als de-facto Lieferant? Der Politiker appelliert an die EU-Kommission, bei vergleichbaren Aufträgen in Zukunft einen Teil vertraglich für die europäische Herstellung zu reservieren. "Denn sonst werden wir zu 100 Prozent abhängig von China", befürchtet er.

Zukunft für Aurora-Beschäftige und Standort ist offen

Auch im Eichstätter Rathaus schüttelt man den Kopf über die EU. Es sei den Betroffenen vor Ort kaum zu erklären, sagt Oberbürgermeister Josef Grienberger (CSU) und zieht eine Parallele: "Man würde auf keinen Fall Waffen für die Ukraine in China kaufen. Da wäre das Preis auch nicht das einzige Kriterium."

Wie es weitergeht für die Aurora Lichtwerke und rund 180 Beschäftigte, die noch keinen neuen Job haben? Dazu beginnen in diesen Tagen die Gespräche. Zweifel gibt es kaum mehr, dass im Lauf des Jahres die letzte Lampe vom Band läuft. Dann sucht ein großes Grundstück mit modernen Hallen, guter Anbindung, Blockheizkraftwerk und Photovoltaikanlage eine neue Firma.

Was hat Priorität bei der EU: Entwicklungshilfe oder Industriepolitik?

Die EU-Hilfe für die Ukraine an sich stellt bei der Stadt oder bei Aurora niemand in Frage. Auch nicht, dass eine solche Entscheidung immer ein Spagat ist: zwischen der Entwicklungshilfe und der eigenen Industriepolitik, zwischen einem möglichst günstigen Preis und einer Stütze für die europäische Wirtschaft.

Allerdings bleibt in Eichstätt der bittere Nachgeschmack, dass die EU in diesem Fall an ihrem eigenen politischen Spagat gescheitert ist.

Produktion bei Aurora Lichtwerke
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Produktion bei Aurora Lichtwerke

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