Wacker-Chemie in Burghausen, ein Weltkonzern am Industriestandort Bayern
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Wacker-Chemie in Burghausen, ein Weltkonzern am Industriestandort Bayern

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Hohe Kosten, viel Frust: Wandern Unternehmen aus Bayern ab?

Deutschland gehört zu den Ländern mit den europaweit höchsten Strompreisen. Das beunruhigt nicht nur Verbraucher, sondern auch energieintensive Unternehmen – gerade in Bayern. Sorgen vor einer Deindustrialisierung wachsen. Ist der Standort in Gefahr?

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Was, wenn Energie so teuer bleibt? Diese Frage kann Existenzängste bei Bayerns Unternehmern schüren. Die Wirtschaft schlägt Alarm und fordert von der Politik, die Stromkosten zu senken.

Gute Auftragslage, aber hohe Energiekosten

Franz Schabmüller ist der Chef des Automobilzulieferers Framos in Ingolstadt. Seine Kundendatei liest sich wie das "Who is Who" der großen Autokonzerne: Audi, BMW, Daimler, Porsche. Sie alle lassen ihre Rohgussteile von dem mittelständischen Familienbetrieb bearbeiten. Qualität "Made in Bayern". Die Auftragslage ist gut: 200 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr und viele neue Projekte.

Wie viele Unternehmer kämpft auch Franz Schabmüller allerdings mit einem Mangel an Fachkräften und der Bürokratie. Sein Hauptproblem aber sind die Energiekosten. Diese sind seit 2021 um 30 Prozent gestiegen. Das bedeutet 2,5 Millionen Euro Mehrkosten im Jahr. Der Energiepreis sei aktuell im internationalen Vergleich deutlich zu hoch, sagt Schabmüller. "Und für energieintensive Produktionsunternehmen wird sich über kurz oder lang die Frage stellen, ob der Standort noch wettbewerbsfähig ist – und das wird für die Unternehmen in unserem Bereich mit der internationalen Konkurrenz sehr, sehr schwierig."

Der Automobilzulieferer ist ein großer Arbeitgeber in der Region. 1.200 Mitarbeitende sind hier beschäftigt. Eine davon ist Rebecca Hartl aus Pfaffenhofen. Die 30-jährige Feinmechaniker-Meisterin ist als Projektleiterin für neue Aufträge zuständig. Sie hofft, dass der Betrieb wettbewerbsfähig bleibt. Und sie hat klare Erwartungen an die Politik: "Ich wünsche mir für mein Arbeitsleben auf jeden Fall einen sicheren Arbeitsplatz mit Zukunftsperspektive, bei dem ich bis zur Rente arbeiten kann."

Bayerischer Industrie- und Handelskammertag: "Alarmstufe rot"

Noch hält die bayerische Wirtschaft dem Kostendruck stand, doch die ersten Unternehmen haben schon aufgegeben. "Wir haben ja auch real – etwa in der Papierindustrie – schon entsprechende Schließungen und Verlagerungen", sagt Bertram Brossardt von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. "Wir sehen rein statistisch schon, dass die Auslandsinvestitionen nach Deutschland und Bayern sehr stark zurückgegangen sind. Das ist eine gravierende Ausgangslage. Wenn wir nicht gegensteuern, dann werden wir die Deindustrialisierung nachhaltig mit allen Auswirkungen auf Wohlstand erleben."

Ein Blick auf die deutschen Industrieregionen zeigt: Bayern wäre von einer Deindustrialisierung besonders stark betroffen, weil hier die Industriedichte überdurchschnittlich hoch ist.

Entsprechend schlecht ist die Stimmung, wie Manfred Gößl vom Bayerischen Industrie- und Handelskammertag bestätigt: "Insgesamt herrscht Alarmstufe und in der Industrie herrscht Alarmstufe rot. Die Firmen zeigen uns an: Sie werden fast zur Hälfte bei den größeren Betrieben jetzt Produktion einschränken hier am Standort Bayern, oder werden sogar ins Ausland verlagern. Solche Zahlen kennen wir nicht." Der Frust in der Wirtschaft sei noch nie so hoch gewesen wie jetzt, fügt Gößl hinzu.

Weltkonzern Wacker: "Strompreis wesentlicher Faktor"

Bei Wacker-Chemie in Burghausen arbeiten mehr als 8.000 Beschäftigte. Es ist der größte Standort des Weltkonzerns. Peter von Zumbusch leitet das Werk, in dem international gefragte Hightech-Produkte hergestellt werden. In den Hallen wird unter anderem ein Grundstoff für Solarmodule und Mikrochips produziert. 300 Millionen Euro hat der Konzern gerade in dieses Werk investiert. Das Können der Mitarbeiter punktet im internationalen Vergleich. Die Energiekosten zerstören diesen Standortvorteil. In Burghausen zahlt Wacker für Strom dreimal so viel wie in China oder den USA.

"Der Strompreis ist ein wesentlicher wettbewerbsrelevanter Faktor für unseren Standort und natürlich hat das in der Zukunft nachteilige Wirkung bei Standortentscheidungen zwischen verschiedenen Kontinenten", erläutert Peter von Zumbusch. "Wir sind ja auch in Asien unterwegs und in Nordamerika – und deswegen brauchen wir zu der Abschaffung einer Stromsteuer auch noch einen Industriestrompreis für die direkt im globalen Wettbewerb diesen Wettbewerbspreisen ausgesetzten Unternehmen."

Auswirkungen auf Arbeitsplätze in Deutschland

Der Industriestrompreis wäre ein durch staatliche Subventionen vergünstigter Strom für Firmen mit internationaler Konkurrenz. Befristet bis 2030 – in der Hoffnung, dass dann der Ausbau der Erneuerbaren Energien erfolgreich ist.

Bei den bayerischen Arbeitnehmervertretern stößt diese Forderung auf Zustimmung. "Wir sehen auch die Gefahr, dass es zu einer Deindustrialisierung kommen kann, wenn die Energiepreise extrem steigen", sagt Bernhard Stiedl, der Vorsitzende des DGB Bayern. "Wir befürworten auch, dass die Firmen da gestützt und ihnen geholfen wird – aber wir erwarten von den Firmen eben auch, dass sie die Arbeitsplätze in Deutschland halten und dass sie die Arbeitsplätze sichern. Das ist schon eine Grundverantwortung, die die Unternehmen in dem Land haben."

Unternehmer hoffen auf Hilfe aus der Politik

Verantwortung für seine Mitarbeiter zu tragen, ist für Franz Schabmüller eine Selbstverständlichkeit. Er hat den Automobilzulieferer-Betrieb 2018 von seinem Vater übernommen und baut ihn weiter aus. Acht Millionen Euro hat er erst vor Kurzem in Bayern investiert. In Großmehring in der Nähe von Ingolstadt entsteht gerade eine 6.000 Quadratmeter große neue Produktionshalle.

"Da bekam ich oft von Unternehmern die Frage – auf gut bayerisch gesagt: 'Seid Ihr verrückt für ein energieintensives Unternehmen am Standort Deutschland so viel Geld zu investieren?' Und wir sagen auch immer wieder, dass es extrem wichtig für uns ist", sagt Schabmüller. Man wolle ja, dass die nächste Generation Produktion tätige und betreibe.

Und um das für die kommende Generation abzusichern, sei es wichtig, heute die Grundsteine zu legen. Schabmüller ist als Unternehmer in Vorleistung gegangen. Von der Politik erwartet er nun Rahmenbedingungen, die eine Industrieproduktion in Bayern weiterhin ermöglichen.

Dieser Artikel ist erstmals am 2. Oktober 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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