Zwei Internats-Schülerinnen beim Essen in der Mensa sehen sich kritisch an.
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Szene aus dem Film "Club Zero" von Jessica Hausner

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Ziemlich dünn: "Club Zero" – der neue Film von Jessica Hausner

Bis nach Cannes hat es Jessica Hausner mit "Club Zero" geschafft. Der Film handelt von Jugendlichen, die sich einem Ernährungskult anschließen. Wohin führt das Fasten für ein neues Ich? Zu einem besseren Selbst oder doch nur ins Verderben?

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Wer an der Schwelle zum Erwachsensein steht, dürstet oft nach Aufmerksamkeit, scheitert aber ebenso oft am Mangel an Individualität. Muss eine Schuluniform getragen werden, ist dieses Dilemma um ein Vielfaches potenziert. Vor allem wenn sie so energieabsorbierend designt ist wie in "Club Zero", einer surrealen Groteske über Führer und Verführte, die in einem Eliteinternat spielt. Beige Shorts, lila Kniestrümpfe, blassgelbe Polohemden mit aufgedrucktem Schullogo – furchtbar freudlos ist dieser Einheitslook, dessen Farbkombination aus der Hölle emblematisch ist für das Innenleben einer Gruppe von Außenseitern.

Fasten für ein neues Ich?

Entsprechend hypnotisiert reagieren sie, als eine neue junge Lehrerin auftaucht: Miss Novaks Lächeln ist wie eintätowiert, ihre Haltung aufrecht, der Gang federnd, die sportliche Kleidung strahlt in Wow-Orange und Power-Rot. Ein lang vermisstes Vorbild. Wie ein Heilsversprechen wirkt dann auch ihr Kurs für bewusste Ernährung.

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Szene aus dem Film "Club Zero" von Jessica Hausner

Die Schüler und Schülerinnen mit dem geringsten Selbstbewusstsein bilden sich schnell ein, durch den Konsumverzicht ungeahnte Stärke zu entwickeln. Weil sie ihren Körper kontrollieren, von der Lehrerin gelobt werden und das jahrelange Desinteresse und den Leistungsdruck der neureichen Eltern nicht mehr an sich heranlassen. Der Diabetiker ist weniger müde, die Leistungssportlerin wächst über sich hinaus, die Bulimikerin frohlockt über ihre perfektionierte Selbstkasteiung.

Der Rausch des Fastens

Und Miss Novak, die Lehrerin? Die predigt fleißig ihre Mantras, zieht täglich etwas stärker an den Strippen ihrer allzu leicht lenkbaren Marionetten und entwickelt sich, als Eltern und Rektorat gegen sie vorgehen, zu einer modernen Wiedergängerin des Rattenfängers aus Hameln. Damit fügt sich "Club Zero" perfekt in die Vita von Regisseurin Jessica Hausner. Denn die Filme der Österreicherin handeln stets von fehlgeleitetem Glauben, der an religiösen Fanatismus erinnert. "Wir wollen ja erzählt bekommen: Tu das und das und dann wird alles gut", sagt Jessica Hausner. "Das hat die katholische Religion sehr gut gemacht, über 2.000 Jahre hinweg. Und jetzt wird das alles ein bisschen schwächer, jetzt suchen wir uns andere Ideologien."

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Szene aus dem Film "Club Zero" von Jessica Hausner

"Club Zero" ist kein Film der subtilen Botschaften: Handlung und Dialoge sind so unmissverständlich wie das Produktionsdesign. Sichtbeton und klare Linien im Internat symbolisieren den goldenen Käfig der Schüler, die Kleidung definiert Machtverhältnisse. Was streng und logisch komponiert ist, irritiert jedoch durch das Fehlen charakterlicher Tiefe und einer Aussage, die über das spöttische Bloßlegen einer privilegierten Ego-Gesellschaft hinausgeht. Denn weil die meisten Figuren nur wie Karikaturen angelegt sind, ist die emotionale Bindung bei null und der Film lässt so kalt wie das Lächeln von Miss Novak.

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