Der italienische Komponist breitet die Arme aus
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Komponist Dario Farina

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"Überrascht mich sehr": Hype um Wiesn-Hit "Sarà perché ti amo"

Ein vierzig Jahre alter Italo-Pop-Song begeisterte in dieser Saison das Oktoberfest-Publikum. Komponist Dario Farina kann sich das Phänomen "nicht erklären" - dabei ging das Lied auf Tiktok viral. Was löste den Hype auf Social Media aus?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der Wiesn-Chef und Münchner Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) wollte offiziell zwar nicht von einem diesjährigen "Hit" auf dem Oktoberfest sprechen, hatte aber den Eindruck, dass der Song "Sarà perché ti amo" ("Es muss so sein, weil ich dich liebe") sehr oft in den Zelten zu hören war: "Ein italienischer Klassiker. Finde ich schön, jedenfalls war mit diesem Titel nicht zu rechnen."

Baumgärtner ist also überrascht, der Komponist des Liedes ebenfalls - will man wissen, was dem Evergreen zum späten Wiesn-Durchbruch verholfen hat, muss man wohl eher Tiktok- und Instagram-Nutzer fragen. Denn wer im Bierzelt besonders textsicher mitgrölt, sind vor allem die jungen Gäste, die im letzten Jahr dank Social Media vermutlich schon mehrfach einen Ohrwurm vom Italo-Klassiker hatten.

Doch der Reihe nach: Erstmals veröffentlich wurde der Titel aus der Feder des 76-jährigen Komponisten Dario Farin im Februar 1981 auf einer Single der italienischen Band "Ricchi e Poveri" und wurde beim Schlagerwettbewerb in San Remo gespielt. In Italien und Frankreich erreichte er Platz eins der Charts, in Deutschland immerhin Platz elf.

Seitdem wurde er von zahlreichen Interpreten neu aufgenommen, unter anderem von der französischen Schauspielerin Maïwenn (2003) - aber auch in weiteren Sprachen wie Spanisch, Schwedisch, Tschechisch und Limburgisch. Die aus dem Münsterland gebürtige Sängerin Diana Sorbello legte 2008 eine deutsche Version vor: "Das ist, weil ich dich liebe", die im September dieses Jahres vom kroatisch-deutschen Interpreten Silvio D'Anza neu eingesungen wurde. Zuvor hatte der westfälische Schlager-Kollege Jürgen Renfordt eine Coverversion unter dem Titel "Wer liebt dich halb so wie ich" vorgelegt.

Lied ging auf Tiktok als Sound viral

Aber an den zahlreichen Covern liegt es wohl eher nicht, dass das Lied dieses Jahr einen neuen Hype erlebt - sie wurden teils nur ein paar Zehntausend mal auf Spotify angehört, während das Original bei über 150 Millionen Streams liegt, auf Tiktok gibt es über 150.000 Videos mit dem Sound.

Ausgerechnet derjenige, der das Lied mit in die Welt brachte, scheint auch wenig davon mitzubekommen, wo und warum "Sarà perché ti amo" plötzlich wieder so beliebt ist. Der Komponist Dario Farina tappte im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" im Dunkeln: "So ganz kann ich mir das nicht erklären. Es muss etwas mit Fußball zu tun haben. Das Stück wird in immer mehr Stadien gesungen. Beim AC Milan singen die Fans es ja schon lange, zuletzt riefen aber auch Leute aus Rumänien und Polen an, weil sie das Lied im Fußballstadion verwenden und den Text übersetzen wollten."

Fußballhymne des AC Mailand: "Liegen sich mit Freudentränen in den Armen"

Tatsächlich ist "Sarà perché ti amo" seit 1981 die inoffizielle Hymne des AC Mailand und wird bei allen Heimspielen angestimmt. Damals, bei der Erstveröffentlichung, steckte die heutige Erfolgs-Mannschaft in einer schweren Krise: 1980 musste sie wegen illegaler Wettgeschäfte zwangsweise in die zweite Liga absteigen, ein Jahr später erfolgte der Wiederaufstieg. In den Jahren darauf war der AC Mailand ein von Finanznöten gepeinigtes "Fahrstuhlteam", das mehrmals zwischen Serie A und Serie B hin- und herwechselte, bis Silvio Berlusconi 1986 die Aktienmehrheit übernahm und dem traditionsreichen Club zu neuem Glanz verhalf.

Doch was änderte sich im letzten Jahr? Fans des AC Mailand verbreiteten Aufnahmen aus den Stadien auf Tiktok und Instagram - darauf zu sehen und zu hören tausende Menschen, die voller Inbrust das Lied mitsangen - und das ging viral.

Die Begeisterungswelle schwappte über die Fußball-Blase hinaus - seitdem wurde das Lied laut vieler Videos nicht nur in Stadien gesungen, sondern auch auf italienischen Marktplätzen, wo Touristen spontan in den Gesang einfielen oder tanzen. "Eltern und ihre Kinder liegen sich mit Freudentränen in den Armen. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte können sie sich auf denselben Lieblingssong einigen", hieß es im vergangenen Mai auf einer Schweizer Website.

Farina glaube "an die Unbeschwertheit"

Das Lied wurde auf Social Media aber auch zum Inbegriff der "Dolce Vita", die Hintergrundmusik für Inhalte, die "irgendwas mit Italien" zu tun haben: Ob bei Videos zur Urlaubsreise in Positano, bei italienischen Kochrezepten oder zu Bildern der Traumhochzeit in der Toskana.

Vielleicht liegt es auch an der Leichtigkeit und Sorglosigkeit, mit der es daherkommt - und die wohl auch typisch für den Komponisten Farina ist. In einer italienischen Zeitung schrieb Neffe Ricky Farina, ein Filmemacher, im Januar, dass der Komponist "wie Woody Allen nicht an Gott, sondern an die Unbeschwertheit" glaube, verstanden nicht etwa als Bedenkenlosigkeit, sondern als "Balsam und süße Brise mitten im Sturm".

Die Songs von Dario Farina seien selbst in Osteuropa dermaßen erfolgreich, dass sie "wahrscheinlich sogar Putin unter der mit Panzerglas abgetrennten Dusche summt". Anlass für diese Überlegung war eine neu erschienene Biografie von Farina unter dem Titel - wie könnte es anders sein? - "Sarà perché ti amo".

Komponist: Song sei "ziemlich tanzbar"

Und was sagt der Komponist Farina selbst dazu, dass sein Lied zum Social Media-Hit wurde? Was TikTok betrifft, wollte sich der Komponist nicht konkret äußern, er nutze den Dienst nicht. Allerdings habe sich seine Ehefrau den Schlager als Klingelton heruntergeladen: "Offenbar ist das Lied ziemlich tanzbar." Für ihn sei dagegen denkbar, dass ein Auftritt von "Ricchi e Poveri" mit "Sarà perché ti amo" am 22. Juli in der Giovanni Zarrella-Show im ZDF zur neuerlichen Popularität beigetragen habe.

So oder so ist der in München lebende Dario Farina ("Mir geht's gut hier") Experte für die bayerische Befindlichkeit, hat er doch die Titelmelodie zur beliebten BR-Serie "Monaco Franze - Der ewige Stenz" und zur Filmkomödie "Rossini" geschrieben und mit den Kino-Legenden Helmut Dietl und Bernd Eichinger zusammengearbeitet. Mit der Wiesn hat Farinas Leidenschaft für die Isarmetropole anscheinend nicht sonderlich viel zu tun: "Mir hat die Stadt einfach immer gefallen. Weil sie so aufgeräumt ist. Vor allem, nachdem ich 25 Jahre lang in Rom gelebt habe, wo die Autos in doppelter Reihe parken."

Der zweifache Gewinner des Schlagerwettbewerbs selbst war in diesem Jahr wegen einer Knie-OP übrigens nicht auf dem Oktoberfest und schätzt vor allem die Mittags-Atmosphäre, wenn "noch nicht so viele Betrunkene" unterwegs seien: Am liebsten geht er dahin, "wo man gut Ente isst".

Die grölenden Mengen in den Bierzelten, die sein Lied schmettern, hat er also dieses Jahr verpasst. Einstimmen hätte er aber vielleicht eh nicht können: Den Text seines Hits, den TV-Moderator und Sänger "Pupo" alias Enzo Ghinazzi verfasst hat, kann sich der Komponist nämlich bis heute schwer merken.

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