Autorin Alena Schröder
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Autorin Alena Schröder

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"Bei euch ist es immer so unheimlich still": Weibliches Drama

Alena Schröder hat einen bewegenden Roman über Verletzungen, Mutter-Tochter-Beziehungen und die Brüche in der deutschen Geschichte geschrieben. Angst vor dem Label "Unterhaltungsliteratur" hat sie dabei nicht. Eine Geschichte mit Nachhall.

Über dieses Thema berichtet: Kulturjournal am .

Wie fühlt es sich an, in ein Zuhause zurückzukehren, das man vor fast zwanzig Jahren hinter sich gelassen hat. Und zwar nicht im Guten? In "Bei euch ist es immer so unheimlich still" wagt die junge Mutter Silvia diesen Schritt. Jahrelang war sie viel gereist, hatte ein zwangloses Leben in einer Ostberliner Hausbesetzer-WG geführt. 1989 kehrt sie zurück zu ihrer Mutter Evelyn ins beschauliche Ildingen in Süddeutschland. In einem Wäschekorb trägt sie bei sich: ihre neugeborene Tochter.

Sprünge zwischen Zeitebenen

Im Türspalt sieht Silvia ihre Mutter stehen, eine gebückte Frau, die älter aussieht als ihre 66 Jahre. Die Haare zerzaust, die Brille fleckig. Silvia kann nichts sagen, so perplex ist sie, hat diesen Moment auf der Fahrt im Kopf tausendmal durchgespielt, aber mit einem hat sie nicht gerechnet: Dass sich das Gesicht ihrer Mutter aufhellen würde, als sie sie erkennt. Nur für einen kurzen Moment. Dann hat sich Evelyn wieder gefangen. Strafft die Schultern, räuspert sich. Öffnet die Tür schließlich ganz. "Ah. Du bist es." So als wäre Silvia nur mal kurz weg gewesen. "Gut. Komm rein."

Die Annäherung von Mutter und Tochter gestaltet sich schwierig. Auf beiden Seiten hat es Verletzungen gegeben, die unausgesprochen geblieben sind. Das erfährt man im Laufe der Geschichte. Die Autorin Alena Schröder springt zwischen den Zeitebenen und den verschiedenen Generationen hin und her. Wir erleben die Mutter, Evelyn, selbst mit kleinem Kind - damals in den 50er Jahren. Eine verzweifelte junge Frau. In den Nachkriegsjahren, in denen viele Männer versehrt oder gar nicht heimgekehrt sind, wird sie als fähige Ärztin zunächst dringend gebraucht. Doch schon Ende der 50er schickt es sich nicht mehr, arbeiten zu gehen für eine Frau.

Deutsche Geschichte aus weiblicher Sicht

Nur: Die Mutterrolle in ihrer Ausschließlichkeit - alleine mit einem nach Liebe dürstenden Kind daheim - die will ihr nicht gelingen. Und als das Kind zart und verträumt wird statt rotwangig und diszipliniert, fürchtet sie, als Mutter versagt zu haben. In ihrem Roman beschreibt Alena Schröder eindringlich, wie starre gesellschaftliche Erwartungen zwischen Mütter und ihre Kinder geraten können.

Ein Aspekt, den man so nur erzählen kann, wenn man Frauen in den Fokus nimmt, sagt Autorin Alena Schröder: "Ehrlich gesagt finde ich einfach persönlich, dass Frauen ganz oft die spannenderen Leben hatten. Weil sie schwierigere Entscheidungen treffen mussten, die oft noch viel mehr Leute mit einbezogen haben, für die sie Sorge getragen haben. Zum Beispiel Verwandte, die zu pflegen waren. Oder Kinder, wohingegen Männer ja meistens einfach Entscheidungen für sich getroffen haben. Und deswegen finde ich das Betrachten der deutschen Geschichte des letzten Jahrhunderts wahnsinnig spannend, gerade aus Perspektive der Frauen."

Die gewonnene Weltmeisterschaft 1954, der Mauerfall 1989 – das alles bekommen die Figuren in Alena Schröders Roman vor dem Fernseher mit, ohne wirklich teilzunehmen. Doch beides bleibt nicht folgenlos. Weder der wieder zutage tretende Nationalstolz durch das gewonnene Fußballspiel, noch der Fall der Mauer, der neue Möglichkeiten eröffnet. Auch für den Abriss von bis dahin bitterlich verteidigten zwischenmenschlichen Mauern.

"Bei euch ist es immer so unheimlich still" entfaltet beim Lesen einen unheimlichen Sog. Auch wenn man als Leser manchmal das Gefühl hat, mit manchen Eindeutigkeiten ein bisschen zu sehr an die Hand genommen zu werden.

Gehobene Unterhaltungsliteratur

Verkauft wird es vom Verlag als "Unterhaltungsliteratur". Für Alena Schröder hat das Label nichts Verwerfliches: "Mein Anspruch ist, Bücher zu schreiben, die ich selber auch gerne lesen würde. Und ich lese gerne gehobene Unterhaltungsliteratur. Und da fühle ich mich auch als Schreiberin wohl. Ich habe das Gefühl, dass eigentlich doch eine ganze Menge Leute gerne Bücher lesen, die sie gut unterhalten, nicht unterfordern, aber auch nicht überfordern."

Warum eigentlich nicht: Gehobene Unterhaltungsliteratur. Mit Mut zur Eindeutigkeit erzählt Alena Schröder eine bewegende Geschichte, die noch lange nach der Lektüre nachhallt.

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