Eine Pfingstrose - aus Porzellan
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Anna Volkova: Pfingstrose - aus Porzellan. Zu sehen in der Galerie Handwerk

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"Sag es durch die Blume": Florale Ausstellungen in München

Das Münchner Festival "Flower Power" feiert Blumen in ihrer Schönheit, aber auch Vergänglichkeit. Letzterem versucht sich nun eine Ausstellung entgegenzustellen: Blumen aus Stoff, Papier, Holz, Glas oder Metall sind haltbar. Aber sind sie auch schön?

Über dieses Thema berichtet: Kulturleben am .

Ein schwarzer Wandteppich, nur an einer Stelle ist das originale, rötliche Blumenmuster zu sehen, es formt den Umriss eines Panzers. Die Künstlerin Rose Stach hat hier in Anlehnung afghanischer "War Carpets" eine moderne Version dieses Genres geschaffen. Die Arbeit lebt vom Gegensatz aus Aneignung der Natur - als Teppichmuster - und Zerstörung von Mensch und Umwelt durch den Kampfpanzer.

Hinzukommen die Gegensätze zwischen der häuslichen Anmutung eines Teppichs und den fremden Kriegsschauplätzen - Gegensätze zwischen weich und hart sowie zwischen floral geschwungenen Formen und den harten Konturen des Kriegsgeräts.

Blumenkunst kann auch Kritik

Ganz anders die Videoarbeit von Christoph Brech: Er zeigt Fotos aus den Giardini di Ninfa südlich von Rom. Hier ist es die Natur, die sich die einst menschengemachte Architektur wieder einverleibt: überwucherte Mauern und Brunnen.

15 Künstlerinnen und Künstler sind in der Ausstellung "Sag es durch die Blume" ausgestellt, ihre Positionen und Themen sind höchst unterschiedlich. Was alle vereint, ist der Ansatz, ihre Themen durch Blumen und Pflanzen zu vermitteln. Das können auch kritische Blicke sein. Immer geht es um das Zusammenwirken von Natur und Mensch und um die Tatsache, dass die Natur, so wie wir sie kennen, ohnehin in weiten Teilen vom Menschen beeinflusst ist. Um das klar zu machen, muss man erst wieder neu hinschauen lernen.

Kluger Verfremdungseffekt

Christoph Franke schafft genau das. Er zeigt eine Reihe Fotos von Bäumen - und zwar auf sehr besondere Weise. Kurator Stefan-Maria Mittendorf erinnert daran, dass dieser Fotograf die Bäume ausschließlich im Winter dokumentiere, "wenn der Baum sein Kleid abgelegt hat, wenn er nackt und bloß ist". Er taste diesen Baum förmlich ab: in vielen einzelnen Fotografien, die er in der Postproduktion wieder zusammensetze.

Vor allem aber kehrt Christoph Franke die Bäume um: Wir sehen sie über Kopf, mit der Krone nach unten. Wie Wurzeln sieht das aus. Oder wie das verästelte Netz unserer Bronchien. Dank dieses Verfremdungseffekts sehen wir die Struktur des Baums ganz neu. Wir blicken nicht auf einen Baum, von dem wir wissen, wie er aussieht, bei dem das Gehirn automatisch alles von selbst ergänzt, vielmehr tastet das Auge die Struktur Ast für Ast und Zweig für Zweig ab. Wie zum ersten Mal.

Baumschmuck

Eine Art Befreiung liegt auch in der Arbeit von Gisbert Stach, Schmuckkünstler und vor allem Schmuckforscher. Er befreit den Schmuck vom menschlichen Körper, indem er klassische Perlenketten nicht um den Hals einer Frau oder eines Mannes legt, sondern um einen Baumstamm. Das Wachstum der Bäume und der immer dicker werdende Stamm überwuchern die Perlenkette mit der Zeit: Der Baum macht sich den Schmuck zu eigen.

Während die Ausstellung "Sag es durch die Blume" in der Pasinger Fabrik Malerei, Fotografie, Skulptur und Installationen zeigt, widmet sich die Galerie Handwerk dem Thema Blüten unter einem handwerklichen und materialorientierten Blickwinkel.

Da sind etwa einige täuschend echte Nachbildungen von Schneeglöckchen und Buschwindröschen unter einer Glasglocke von Annette Marie Townsend. Die Pflanzen sind aus Bienenwachs geformt. Man denkt an Votivgaben aus dem religiösen Kontext, aber auch an medizinisches Anschauungsmaterial. In dem Material liegt Vergänglichkeit, der Versuch, Dinge zu bewahren.

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Inger Johanne Rasmussen Noe

Zartheit und Zerbrechlichkeit

Das Material unterstützt die künstlerische Aussage, manchmal erzählt es aber auch eigene Geschichten. Die vielen Blumen aus Papier, Glas und Porzellan in der Ausstellung vermitteln ganz unmittelbar eine Vorstellung von der Zartheit einer Blüte oder auch der Zerbrechlichkeit der Natur.

Victoria Martini hat die Umrisse von Löwenzahn und Holunder mit schwarzem Garn auf schwarzen Untergrund gestickt. Das wirkt edel und erhaben, zwingt zum genauen Hinschauen. Man kann in diese Stickereien eintauchen wie in einen See aus Tinte und immer drohen die Pflanzen zu verschwinden.

Lebensfroh und kraftvoll hingegen ein Zitronenbaum Lauretine Périlhou aus Frankreich: Gelb leuchten die Früchte, mit grünen Blättern an einem geflochtenen Stamm, hinter dem Baum eine ganze Wand aus goldleuchtenden Schnörkeln, irgendetwas zwischen Ranken und barock geformtem, schmiedeeisernem Gitter.

Pflanzen: Vorbild der Künste

Das komplette Ensemble ist in Makramee-Technik ausgeführt, erklärt Angela Böck von der Galerie Handwerk: "Makramee ist eigentlich eine orientalische Knüpftechnik, die in den 70er in Europa einen großen Boom hatte. Seitdem haftet der Technik aber auch ein bisschen das Siegel des Verzopften an." Lauretine Périlhou habe sich nun zum Ziel gesetzt, die Technik von diesem Ruf zu befreien. Die Künstlerin nutzt die verschiedensten Garne, mal dick mal dünn, mal glänzend mal pastellfarben, sie flicht Metallbänder ein oder Halbedelsteine und formt so, Knoten für Knoten eine dreidimensionale Rauminstallationen zusammen.

Technik und Thema entsprechen sich hier, auch Pflanzen suchen immer wieder nach Halt, winden sich an einem Spalier empor, wachsen, indem sie sich verbinden. "Blütenpracht" in der Galerie Handwerk ist eine üppige Schau, farbenprächtig und lebensfroh, aber auch von großer Ernsthaftigkeit: Die oft komplizierte, zeitaufwändige Herstellung der Arbeiten zeugt vom großen Respekt der Gestalter gegenüber der Pflanzenwelt, dem großen Vorbild von Handwerk und Kunst.

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