Blick in den wieder frei gelegten und neu gestalteten Chorraum. Im Zentrum das Auferstehungsfenster.
Bildrechte: Brückner & Brückner Architekten Tirschenreuth und Würzburg

Blick in den wieder frei gelegten und neu gestalteten Chorraum. Im Zentrum das Auferstehungsfenster.

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Haus für Seele und Sinne: die Christuskirche in Neumarkt

Das evangelische Gotteshaus wurde in den vergangenen Jahren nach Plänen der Architekten Brückner & Brückner modernisiert – und ist eine Kirche für das 21. Jahrhundert geworden. Heute, am Tag der Architektur, wird der Sakralbau der Gemeinde übergeben.

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Ein geöffnetes Haus: Bereits das neu gestaltete Portal der evangelischen Christuskirche oberhalb der Neumarkter Altstadt verdeutlicht die grundlegende architektonische Idee. Elegante Glasfugen durchziehen das massive Eichenholz der Tür und ermöglichen Einblicke in den Innenraum. Der wiederum wurde als ein großer heller Raum gestaltet, als "Einraum", wie der Architekt Christian Brückner gerne sagt. Die historischen Wände kalkweiß, der Boden in einem Beige-farbigen Ton.

"Ich möchte mit Wärme empfangen werden", erläutert der Architekt, zusammen mit seinem Bruder Peter Inhaber des Büros Brückner & Brückner mit Sitz in Tirschenreuth und Würzburg. "Wenn ich von Außen nach Innen gehe, möchte ich das Gefühl haben, ich bin geborgen. Das sind genau die Momente, die wir uns bildhaft überlegt haben."

Moderne Rückbesinnung auf den alten Raum

Zum "Einraum" gehört nun auch wieder der Chor im Osten der Kirche, die ursprünglich Teil eines Kapuziner-Klosters war. Jahrzehntelang war der Chor abgeschnitten, durch eine Mauer, hinter ihr – auf verschiedenen Etagen – Gemeinderäume. Das Büro Brückner & Brückner hat das alles zurückgenommen, das Verborgene freigelegt. Das Deckengewölbe des Chors wurde zudem spiegelverkehrt zu ebenen Erde noch einmal gebaut, eine spannende, skulpturale Intervention. Hinter dem Altar – eine breite, gebogene Schleife aus schwarzem Stahl, von den Architekten gestaltet – liegt ein kraftvolles Zentrum, bestimmt allein von Helligkeit und Licht. In der Mitte, in den Boden eingelassen, das Taufbecken, an der Ostwand ein geometrisch ungewöhnlich gestaltetes Fenster, Symbol der Auferstehung.

"Wir wünschen uns, dass ein Sog entsteht", sagt Christian Brückner. "Dass man sagt: Ich will mehr erfahren, ich will näher. Und dann die Schwellenlosigkeit, dass ich auch den Chorraum betreten darf. Und das ist der Moment: Wir werden eins mit diesem Raum. Es verwischt sich die Architektur mit dem Menschen. Man ist Teil des Ganzen. Das ist unser Wunsch, dass das erfolgt."

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Bereits das Portal symbolisiert die Öffnung der Kirche. Blick zur Tür, mit Glasfugen gestaltet.

Öffnung der Kirche in die Gesellschaft

Der neue Chorraum der Neumarkter Christuskirche lässt sich variabel nutzen, für Gottesdienste, ebenso für Kulturveranstaltungen. Die moderne Architektur, einerseits konsequent, andererseits voller Respekt mit Blick auf die hier existierenden Zeitschichten, versinnbildlicht auch eine Öffnung in die Gesellschaft – in einer Zeit, in der die Mitgliederzahlen der Kirchen immer mehr zurückgehen und Bauprojekte dieser Art vermutlich nicht mehr allzu häufig angestoßen werden.

Für die Evangelische Landeskirche in Bayern ist die Neugestaltung überregional bedeutend, sagt Kunstreferent Helmut Braun: "Das ist an diesem Ort sehr wichtig: die Kirche zu öffnen und die Tore aufzumachen - und Formate zu entwickeln, mit Ausstellungen, Konzerten, Lesungen. Ich glaube, dass das gerade in dieser Zeit sehr anregend ist, auch für eine Diskussion zwischen Kirche und Gesellschaft."

Und trotzdem ein sakraler Raum

Gleichzeitig, so Helmut Braun, ist die Christuskirche ein spirituelles, christlich geprägtes Haus. Das zeige auch die architektonische Gestaltung: "Es ist eine Christuskirche. Von daher haben wir versucht, bestimmte Orte der Christusbegegnung auch in diesem Raum zu gestalten. Es gibt den Altar in der Mitte, mit dem Abendmahl als Sakrament. Es gibt den Bereich der Kreuzigung, wo man sagen kann: Es ist eine Passions- und Andachtskapelle. Und dann gibt es den Chorbereich, der in seiner Ausformung hinweist auf die Auferstehung Christi."

Und ebenso auf die Taufe, in Form des Taufbeckens, das in den hellen Boden des Chorraums eingelassen wurde, wie ein Relief, dezent und doch prägnant – aber eben Teil des Ganzen. Helmut Braun spricht mit Blick auf das Taufbecken von einer sehr speziellen und singulären Form. Es ist eines von vielen besonderen Details, die die klare Architektur der neu gestalteten Christuskirche bestimmen.

Miteinander der Zeitschichten

Der Altar steht zu ebener Erde, erhebt sich nicht, die historischen Mauern sind umzogen von einer Fuge aus Kieseln, die langgezogenen Spitzbogenfenster wurden mit transparentem Stoff verhüllt und sind Teil des Lichtkonzeptes. Keine Lampe hängt mehr von der Decke herab, allein eine dreidimensionale Kreuzskulptur, ein Kunstwerk aus Bronze, schwebt in der Höhe. Das Gestühl aus Eichenholz ist beweglich. Über dem Eingang der Kirche erhebt sich, streng konturiert, die Empore. In einem Seiteneingang eine neu gestaltete Kapelle – in ihr hängt nun die Christusfigur der vormaligen Ostwand, ein Kunstwerk aus den 1930er Jahren. Ein Ort für Gebet und Trauer.

"Es ist jetzt auch ein Miteinander mit der Geschichte", erläutert Christian Brückner. "Es ist nicht aufoktroyiert und nur aus der Theorie zu verstehen. Sondern: Es ist freigelegt worden, es ist aufgespürt worden. Und sicherlich an der einen oder anderen Stelle anders. Aber trotzdem wird es auch im kapuzinischen Sinn dem Ort gerecht. Und das ist uns auch wichtig: Die Seelen, die hier über Jahrzehnte, Jahrhunderte – das nicht zu konterkarieren."

Haus des Glaubens, Haus der Seele, Haus der Sinne

Die Architekten Christian und Peter Brückner haben mit ihren Teams bereits etliche beeindruckende Sakralbauten in Bayern verwirklicht, immer wieder in Form von behutsamen und gleichzeitig prägnanten Transformationen – das Weiterbauen gehört zur Philosophie des Büros aus Tirschenreuth und Würzburg. Ebenso haben sie Museen neu gestaltet, darunter den Kulturspeicher Würzburg, das Granitmuseum Hauzenberg und, zuletzt, das Diözesanmuseum in Freising. Mit der von ihnen gestalteten Christuskirche bekommen das evangelische Dekanat in Neumarkt und die Gemeinde ein vielschichtiges Haus, ein Haus des Glaubens, ebenso aber für die Seele und die Sinne.

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