Archivbild vom 09.06.2023, Russland, Sotschi: Wladimir Putin (r), Präsident von Russland, und Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, sprechen während ihres Treffens.
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Der Machthaber von Belarus, Alexander Lukaschenko (li), hat nach eigenen Angaben deeskalierend auf Russlands Präsident Putin eingewirkt.

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Lukaschenko über Wagner-Aufstand: Putin hat um Hilfe gebeten

Nach dem kurzen Aufstand der Wagner-Söldner dankt Präsident Putin den Sicherheitsleuten: Sie hätten einen Bürgerkrieg verhindert. Söldner-Chef Prigoschin ist nun im Exil in Belarus - sagt dessen Machthaber Lukaschenko, der sich als Vermittler lobt.

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Der kurzzeitige Aufstand der Wagner-Privatarmee gegen die russische Militärführung wirkt nach. Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich an die Sicherheitskräfte seines Landes gewandt und ihnen gedankt. "Sie haben effektiv einen Bürgerkrieg verhindert", sagte Putin in seiner Rede vor Soldaten, Nationalgardisten und anderen Uniformierten am Kreml-Gelände.

Inlandsgeheimdienst: Ermittlungen gegen Prigoschin eingestellt

Gleichzeitig kündigte der russische Inlandsgeheimdienst FSB an, er habe die Ermittlungen gegen den russischen Chef der Wagner-Truppen, Jewgeni Prigoschin, eingestellt und werde weder gegen ihn noch gegen seine Söldner eine Anklage fordern. Laut Kreml war eine Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen Teil der Vereinbarung, die am Samstag die Söldner zum Rückzug bewegte.

Ob Prigoschin wirklich ungestraft davonkommen wird, bleibt aber unklar. Andere politische Gegner Putins fristen teils jahrzehntelange Haftstrafen in Strafkolonien. Aus Sicht des Politikwissenschaftlers Herfried Münkler muss der Wagner-Chef sogar um sein Leben bangen. "Ich gehe davon aus, dass die Russen Prigoschin über kurz oder lang liquidieren werden", sagte er "Spiegel Online". Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko, der ihm nun offenbar Unterschlupf gewähre, werde dem russischen Geheimdienst dabei kaum im Weg stehen. Ähnlich hatte sich Sicherheitsexperte Nico Lange im Interview mit Bayern 2 geäußert: "Prigoschin hat sich selbst auf die Abschussliste gebracht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der jetzt einfach so weiterleben kann in Weißrussland."

Im Video: Putins Rede nach dem Aufstand der Wagner-Truppen

Nach dem Aufstand der Wagner-Truppen hat Präsident Putin Montagabend im russischen Fernsehen eine kurze Rede gehalten.
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Nach dem Aufstand der Wagner-Truppen hat Präsident Putin Montagabend im russischen Fernsehen eine kurze Rede gehalten.

Chef der Wagner-Truppe in Belarus

Prigoschin wurde am Dienstag in Belarus erwartet. "Ich kann sehen, dass Prigoschin schon im Flugzeug ist", sagte Lukaschenko laut Staatsmedien bei einem Treffen mit belarussischen Offizieren. "Ja, tatsächlich, heute ist er in Belarus", fügte der belarussische Präsident hinzu. Ob das nun bedeutet, dass sich der Söldner-Chef bereits in Belarus aufhält oder dort erst noch ankommen soll, war zunächst unklar.

Belarus hat den russischen Wagner-Söldnern nach eigenen Angaben eine verlassene Militärbasis als Unterkunft angeboten. Zudem gebe es keine Pläne, Rekrutierungsbüros für Wagner in Belarus zu eröffnen.

Stundenlange Telefonate mit Prigoschin

Lukaschenko schilderte gegenüber belarussischen Offizieren und Beamten die Ereignisse aus seiner Sicht: So habe er Prigoschin am Samstag in emotionalen, stundenlangen und mit Kraftausdrücken gespickten Telefonaten zum Ende des Aufstandes bewegt. Prigoschin sei von den vielen Todesfällen seiner Männer in der Ukraine erschüttert und von den Anführeren seiner Truppen, die all diese Todesfälle sahen, unter Druck gesetzt worden. Prigoschin sei in einem "halb wahnsinnigen Zustand" aus der Ukraine in die südrussische Stadt Rostow am Don angekommen.

Der Wagner-Chef sei wütend über Korruption und Inkompetenz in der Militär-Führung gewesen und habe einen mutmaßlichen Armeeangriff auf seine Männer rächen wollen. Er habe Prigoschin klargemacht, dass dessen Forderungen nach einem Führungswechsel der Armee nicht erfüllt werden würden und dass Moskau verteidigt werde.

Lukaschenko: Rat an Putin, nicht "überstürzt" vorzugehen

Nach Lukaschenkos Worten hatte der russische Präsident Wladimir Putin zuvor seine Hilfe gesucht. Putin habe sich darüber beschwert, dass Prigoschin keine Anrufe entgegengenommen habe. Lukaschenko riet Putin nach eigenen Angaben, nicht "überstürzt" gegen die Aufständischen vorzugehen. Stellungnahmen von Prigoschin und der russischen Regierung zu Lukaschenkos Darstellungen lagen zunächst nicht vor.

In dem von Lukaschenko vermittelten Abkommen hatte Prigoschin auf eine Weiterführung des Aufstand verzichtet - im Tausch für sicheres Geleit ins Exil nach Belarus. Seine Männer wurden ebenfalls begnadigt und haben die Wahl, Prigoschin zu folgen, in die russischen Sicherheitskräfte integriert zu werden oder nach Hause zurückzukehren.

Unterschiedliche Aussagen zur Gefährlichkeit des Aufstands

Die Wagner-Söldner konnten dem Direktor der russischen Nationalgarde zufolge deshalb schnell vorankommen, weil die Regierungskräfte sich auf die Verteidigung Moskaus konzentriert hätten. "Es ist ganz einfach: Wir haben unsere ganzen Kräfte in Moskau zusammengezogen", sagt Viktor Solotow, ein enger Verbündeter von Präsident Wladimir Putin.

Die Wagner-Söldner wären nicht in der Lage gewesen, Moskau einzunehmen, wenn sie ihren Marsch fortgesetzt hätten, sagt Solotow der Nachrichtenagentur Tass zufolge. Die russische Nationalgarde soll nun aber mit schweren Waffen und Panzern ausgerüstet werden. Während des Marschs von Kämpfern der Söldner-Gruppe Wagner auf Moskau waren Einheiten der Nationalgarde zur Sicherung der Hauptstadt im Einsatz.

Anders schätzt Putins früherer Redenschreiber, der Politologe Abbas Galljamow, die Geschehnisse ein: Prigoschin wäre fast ungehindert bis nach Moskau durchmarschiert am Samstag, bevor er 200 Kilometer vor der Hauptstadt umkehrte, um Schlimmeres zu verhindern. Die Revolte habe Schwächen des russischen Sicherheitsapparats offengelegt. Putin sei kein Garant für Stabilität mehr, sein Machtverfall beschleunige sich, sagte Galljamow.

Ukraine startet Angriffe unweit der Stadt Bachmut

Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben das Chaos um den Söldner-Aufstand genutzt, um unweit der Stadt Bachmut Angriffe gegen russische Truppen zu starten. "Gerade halten die Angriffe am Abschnitt Bachmut bereits den vierten Tag an", schreibt Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar bei Telegram. Jeden Tag seien dabei "entlang der Flanken" Fortschritte erzielt worden. In die von russischen Truppen besetzte Stadt Bachmut selbst seien die ukrainischen Einheiten dabei jedoch noch nicht vorgedrungen.

Und aus dem britischen Geheimdienstbericht vom Dienstag geht hervor, dass die ukrainische Gegenoffensive in ein Gebiet vorgestoßen ist, das bereits seit 2014 von russischen Truppen besetzt ist. Demnach haben Mitglieder der ukrainischen Luftstreitkräfte kleine Vorstöße im Osten des Dorfes Krasnohoriwka nahe der Stadt Donezk gemacht.

Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP

Russland-Experten sehen den Nimbus Wladimir Putins als unantastbarer Staatsführer beschädigt.
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Russland-Experten sehen den Nimbus Wladimir Putins als unantastbarer Staatsführer beschädigt.

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