Experten vom  Projekt "hand.gemacht" sammeln selbstgemachte Gegenstände – und bewahren sie mit Hilfe von 3D-Scan-Technik für die Ewigkeit.
Bildrechte: Hans Mielich/BR

Experten vom Projekt "hand.gemacht" sammeln selbstgemachte Gegenstände – und bewahren sie mit Hilfe von 3D-Scan-Technik für die Ewigkeit.

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Kulturgut bewahren: Freilandmuseum Oberpfalz nutzt 3D-Technik

Selbstgemachte Gegenstände mithilfe von 3D-Technik scannen und als Kulturgut für die Ewigkeit bewahren. Das will man mit dem Projekt "hand.gemacht" im Freilandmuseum Oberpfalz verwirklichen. Die Gegenstände erzählen viele Geschichten.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Paul Vollmeyer macht ein besonderes Erbstück transportbereit. Behutsam packt er die Skulptur in einen Karton. Es ist eine Gipsfigur, ein Mädchen im Kleid kniet und hält ein Gebetsbuch in den Händen. Sein Großvater, ein Bildhauer, hat die Figur Ende des 19. Jahrhunderts geschaffen. Die Figur begleitet ihn schon sein ganzes Leben. Sie war schon in seiner Kindheit immer präsent, sagt Vollmeyer.

Projekt: Selbstgemachte Gegenstände für die Ewigkeit bewahren

Von Vollmeyers Wohnung in Regensburg geht es ins 60 Kilometer entfernte Nabburg im Landkreis Schwandorf. Bei einem Workshop im Freilandmuseum Oberpfalz können Interessierte eigene Objekte mitbringen und einscannen lassen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes mit dem Namen "hand.gemacht“ fertigt ein Team von Experten 3D-Modelle von Alltags- und Gebrauchsgegenständen an und sammelt sie in einer digitalen Datenbank. Die Bedingungen, damit ein Objekt aufgenommen wird: Es muss selbstgemacht sein und einen Bezug zur Oberpfalz haben.

Lasertechnik: 3D-Scanner nimmt jedes Detail auf

So wie Vollmeyers Figur, die jetzt im Freilandmuseum darauf wartet, eingescannt zu werden. Möglich wird das durch einen tragbaren 3D-Scanner. Den hat Julian Moder, Medieninformatiker und einer der Projektleiter, schon in der Hand und richtet ihn auf die Gipsfigur.

Der Scanner benutzt Lasertechnik und eine Fotokamera, so wird die Textur der Gegenstände erfasst. Durch moderne Technik wird dann schon ein erstes 3D-Modell berechnet. Das ist nach wenigen Minuten auf dem Display des Scanners zu sehen. Von Vollmeyers betendem Mädchen ist ein digitaler Zwilling entstanden.

Den Wissenschaftlern geht es um die Geschichten hinter den Objekten. Das ist vor allem die Arbeit von Kulturwissenschaftlerin Michaela Stauber. Nach dem Scan führt sie Interviews mit den Besitzern und dokumentiert die persönliche Geschichte. Spannend ist: Warum wurde etwas selbstgemacht? Welche Emotionen und Erinnerungen verbinden die Besitzer mit den Gegenständen?

"An den Gegenständen hängen immer Lebensgeschichten. Im ersten Moment würde man gar nicht vermuten, wie viel man dazu erzählen kann. Über die Dinge lernt man viel über die Menschen und einen bestimmten Zeitgeist." Michaela Stauber, Kulturwissenschaftlerin, Projekt "hand.gemacht"

Selbstgemachte Unikate aus Vergangenheit und Gegenwart

An die 100 Objekte haben die beiden schon gesammelt. Das älteste ist mehr als 100 Jahre alt, das neueste aus dem letzten Jahr. Das sind Unikate und Gebrauchsgegenstände, die die Menschen für sich selbst hergestellt haben, wie ein gehäkeltes Puppenkleid oder eine selbstgebaute Eckbank.

Kriegszeiten: Materialmangel machte Menschen erfinderisch

Auch Objekte aus Kriegszeiten sind dabei. Ein improvisierter Tabakschneider zeigt, dass der Materialmangel die Leute erfinderisch gemacht hat. Ein Spiegel, der in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in einem Lazarett entstanden ist, gefertigt aus alten Zigarrenschachteln. Ein neuerer Gegenstand ist eine Art Kralle. Gemacht aus einer Feile und einem Spanngurt. Sie stammt aus der Corona-Zeit. Der Tüftler hat sie zum Öffnen von Türen verwendet, damit er keine Türklinken anfassen musste.

Gegenstände kommen nach Scan zu Besitzern zurück

Zu Beginn des Projekts sind die Wissenschaftler über persönliche Kontakte auf Gegenstände gestoßen. Durch vermehrte Öffentlichkeitsarbeit kamen immer wieder Menschen auf sie zu, die ihre Gegenstände nicht ins Museum bringen wollten, weil sie ihnen zu viel bedeuten. Anders als im Museum kommen die Objekte nach dem Scan wieder zu ihren Besitzern zurück. Denn oft werden sie ja auch noch benutzt.

Oberpfälzer Kultur soll nicht verloren gehen

Das Projekt wird in der Richtlinie "Heimat-Digital-Regional" des bayerischen Finanz- und Heimatministeriums gefördert. Start war im Juli 2022 – und es wird noch bis Ende Juni 2025 laufen, insgesamt also circa drei Jahre. Alle Objekte werden in einer Datenbank gesammelt, die Interviews mit den Besitzern werden transkribiert, die Geschichten werden aufbereitet – und in einer Online-Ausstellung gezeigt.

Jeder, der sich für Handgemachtes aus der Oberpfalz interessiert, soll sich die Gegenstände in einer Web-App anschauen können. So wollen die Wissenschaftler die Oberpfälzer Kultur sichtbar machen – denn die soll nicht verloren gehen.

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