Der Club "Pony" in Kampen auf Sylt
Bildrechte: pa/dpa/Jens Kalaene

Nazi-Parolen auf Sylt: Waren Münchner dabei?

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Nazi-Parolen in Sylter Club: Grölte Münchner Schickeria mit?

Waren bei der Feier im Sylter Nobelclub, bei der rassistische Parolen gegrölt wurden, auch Gesichter der Münchner Partyszene dabei? So heißt es zumindest auf einer Münchner Instagram-Seite. Laut Polizei liegen erste Hinweise auf Verdächtige vor.

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Auf einem populären Münchner Instagram-Kanal wird behauptet, dass auf dem rassistischen Party-Video von Sylt auch Münchner zu sehen seien, die bei dem fremdenfeindlichen Gegröle mitgemacht haben sollen. Personen, die sich viel im Netz bewegten und in der Münchner Partyszene bekannt sowie in der Politik aktiv seien und für Influencer arbeiten sollen. Zuerst berichtete die Tageszeitung "taz" darüber (externer Link).

"Prosecco-Nazis" tragen keine Springerstiefel

Und in der Tat sind einige der Partygäste, die im Sylter Club rassistische Parolen grölten, gut zu erkennen. Aussehen, Kleidung und Haltung lassen die gehobene Münchner Schickeria nicht unwahrscheinlich erscheinen. Denn die, die auf dem Video zu sehen sind, haben augenscheinlich nichts gemeinsam mit dem Bild, das die meisten wohl von Rechtsextremen haben dürften.

Die Menschen in dem Video feiern mit Champagner, in hellen Blusen und Hemden, tragen Sonnenbrillen und goldene Kreolen im Ohr - das Klischee der Sylt-Schickeria, die Insel der Reichen und Schönen. Plötzlich ist die Rede von "Prosecco-Nazis". Scheinbar völlig ungeniert und ausgelassen grölen sie "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!"

Partygäste untergetaucht?

Viele User sollen Personen erkannt haben, einige seien von Arbeitskollegen, Freunden und Familienmitgliedern identifiziert worden. Teilweise lägen dem Instagram-Account nähere Informationen und Profile zu angeblich Beteiligten vor. Doch die Betroffenen scheinen schnell reagiert zu haben: Sylt-Videos sind verschwunden, Profile sind auf "privat" gesetzt oder gelöscht. Medienberichten zufolge soll die junge Frau aus dem Video, die angeblich für eine bekannte Influencerin arbeitet, dennoch umgehend ihren Job verloren haben. Auch eine große Agentur teilte mit, einem ihrer Mitarbeiter nach Bekanntwerden des Videos gekündigt zu haben.

Die Betreiber des Instagram-Kanals, die Münchner unter den Partygästen erkannt haben wollen, drohen indessen unverblümt damit, die betreffenden Personen öffentlich zu machen. Sie sollten aber die Chance haben, ihre Sicht der Dinge zu schildern. Dem Staatsschutz der Münchner Polizei seien das Skandalvideo, aber auch das hiesige Video bekannt, bestätigt eine Sprecherin des Präsidiums auf BR-Nachfrage. Erkenntnisse, um welche Personen es sich handelt, lägen nicht vor. Die Sprecherin verwies auf die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden in Schleswig-Holstein.

Polizei ermittelt gegen konkrete Verdächtige

Auf dem in sozialen Netzwerken kursierenden Video sind Feiernde auf der Außenterrasse eines Sylter Nachtclubs zu sehen, die zu einem Partylied "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" singen. Eine Person soll auch den Hitlergruß gezeigt haben. Zu dem Video seien zahlreiche Hinweise eingegangen, schreibt die Landespolizei Schleswig-Holstein auf ihrem "X"-Kanal.

Die Staatsanwaltschaft Flensburg und das Staatsschutzkommissariat der Polizeidirektion Flensburg ermitteln wegen des Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Demnach liegen bereits erste Hinweise auf beteiligte Personen vor. Zu den Identitäten möglicher Verdächtiger äußern sich die Behörden nicht.

Skandalvideo sorgt für bundesweite Empörung

Derweil hat das Video mit den rassistischen Ausfällen bundesweit Empörung ausgelöst. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht von "ekligen Parolen", die nicht akzeptabel seien, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) von "schlimmer Wohlstandsverwahrlosung". Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, wer Nazi-Parolen gröle, sei eine Schande für Deutschland.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, nannte es "widerlich, wie hier scheinbar privilegierte Menschen in Party-Stimmung ausländerfeindliche Nazi-Parolen grölen". Leider sei niemand zu hören, "der ein klares 'Stopp' ausspricht", sagte sie der "Rheinischen Post" (Samstag).

Linken-Chef Martin Schirdewan sagte der Zeitung, Rassismus und Demokratieverachtung seien nicht nur ein Problem unterer gesellschaftlicher Klassen: "Mit dem Privatjet zur Party fliegen und dort im Suff die Abschiebungen derjenigen zu fordern, die allzu oft die schwere und schlecht bezahlte Arbeit in diesem Land machen, ist so schäbig wie bezeichnend."

Sylt reagiert: "Solche Gäste sind herzlich ausgeladen"

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Sylter Gemeinden sowie Vertreterinnen und Vertreter der insularen Tourismusbetriebe und Tourismusverbände verurteilten die Parolen ebenfalls. "Dieses Verhalten ist für uns abstoßend und vollkommen inakzeptabel", erklärten sie. Solche Gäste bräuchten nicht nach Sylt zu kommen und seien "herzlich ausgeladen".

Die Betreiber der Bar "Pony Kampen" distanzierten sich auf ihrer Internetseite und bei Instagram von jeder Art von Rassismus und Diskriminierung. "Bei uns ist jeder Gast, unabhängig von der Ethnie, herzlich willkommen", schrieben sie bei Instagram.

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