3D-Modell des Kölner Doms
Bildrechte: picture alliance / dpa | Fresenius

Der Kölner Dom wurde mit Laserscannern millimetergenau vermessen und dreidimensional erfasst.

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3D-Modelle - Denkmäler dokumentieren für den Katastrophenfall

Fünf Jahre nach dem Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris ist die Kirche wieder aufgebaut. Das gelang auch dank vieler Zeichnungen, Fotos und 3D-Scans. Auch hierzulande werden historische Bauwerke wie der Kölner Dom präzise dokumentiert.

Über dieses Thema berichtet: Die Welt am Abend am .

Vor fünf Jahren brannte der Turm der Kathedrale Notre-Dame in Paris. Als die Trümmer noch rauchten, versprach Staatspräsident Emmanuel Macron: Die Kirche wird innerhalb von fünf Jahren wieder aufgebaut. Möglich machten das unter anderem zahlreiche Zeichnungen, Fotos und 3D-Scans, die noch vorhanden waren. Sie entstanden, um die mittelalterliche Bauweise zu erkunden. Nach der Katastrophe wurden sie zu einem "virtuellen Zwilling" der Kathedrale zusammengeführt.

Modernste Technik kann bei der Erforschung und Dokumentation von historischen Gebäuden viel leisten. Aber auch der Bleistift hat nicht ausgedient. Manche Details erkennen nur Fachleute mit den eigenen Augen oder durch Betasten.

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Weltkulturerbe: Markgräfliches Opernhaus in Bayreuth

Was wäre, wenn das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth brennen würde? Das hölzerne Logenhaus aus dem 18. Jahrhundert wäre eine leichte Beute für die Flammen. Reich verziert, komplett bemalt und eines der wenigen Theater überhaupt, die es aus dieser Zeit heute noch im Originalzustand gibt, ist es UNESCO-Weltkulturerbe.

Sicher würde wie bei Notre Dame in Paris sofort der Wunsch laut, das Theater wieder aufzubauen. Und gerade in diesem Fall gäbe es auch eine äußerst detaillierte Dokumentation, quasi eine Bauanleitung, entstanden vor mehr als zehn Jahren bei der Generalsanierung. Den Zustand eines historischen Gebäudes vor der Restaurierung genau zu dokumentieren, ist üblich. Beim Markgräflichen Opernhaus wurde daraus aber dank spezieller Fördermittel ein Forschungsprojekt.

3D-Modelle und genaue Untersuchung

Durch die Kombination verschiedener Techniken entstanden 3D-Modelle des Theaters, zum Beispiel besonders hoch aufgelöste Fotos, erklärt Alexander Wiesneth, Bauforscher bei der Bayerischen Schlösserverwaltung, zu deren Bestand das Theater gehört: "Die Objekte werden gefilmt und durch die Übereinander-Lagerung von bis zu 30 hochwertigen Fotos pro Sekunde erhält man durch einen Software-Abgleich ein sehr genaues 3D-Modell." Dazu kommen noch fotogrammetrische Aufnahmen, eine Kombination aus Fotografie und Vermessung: Ein Foto wird dazu entzerrt, heute mittels Software, damit sich alle Maße genau bestimmen lassen.

Mit einer Kamera kann man auch in die kleinsten Winkel hinter der Schnitzerei spähen. Was mit 3D-Laserscannern nicht immer möglich ist. Mit denen wurde das gesamte Theater auch abgetastet. Alle Bilder und Scans zusammen ergaben quasi Konstruktionszeichnungen des Theaters und des Dachstuhls, mit denen man das Gebäude wohl im Notfall rekonstruieren könnte.

Menschliches Auge bleibt unverzichtbar

Aber manche Details entgehen auch der besten Kamera. Etwa, ob ein Bild auf Holz oder Leinwand gemalt ist und welche Farben verwendet wurden. Oder ein spezieller Trick des damaligen Künstler-Stars Giuseppe Galli Bibiena, dessen Malerei die Logen schmückt: "Er hat in die Farbe teilweise Grobstrukturen wie Sand eingebracht, um Effekte zu erzielen, Lichtspiegelungen zu verstärken." So etwas ist nur mit menschlichen Augen aus nächster Nähe zu erkennen und mit dem entsprechenden kunst- und bauhistorischen Kenntnissen. "Es reicht nicht, nur einen Roboter loszuschicken, der Messdaten oder Fotos aufnimmt", betont Alexander Wiesneth.

Regensburger Dom: Aus der Nähe mit Bleistift

Diese Erfahrung hat auch der Bauforscher Manfred Schuller gemacht, der Mitglied des Landesdenkmalrats ist. Als Professor an der Universität Bamberg hat er in den 1980er- und 1990er-Jahren mit Denkmalpflege-Studierenden den Regensburger Dom komplett dokumentiert. Zwanzig Jahre lang stand immer irgendwo ein Gerüst an der Kathedrale, man kam überall ganz nah dran. "Wir haben hauptsächlich das sogenannte Handaufmaß verwendet, das heißt, messen und zeichnen in einer Einheit direkt am Objekt, was natürlich aufwändig ist, was lange dauert, und vor allem sehr gut ausgebildete Leute braucht. Das ging damals natürlich besonders gut von den Gerüsten aus. Da können Sie auch die Wand anfassen. Das ist manchmal sogar wichtig, wenn sie darüber streichen. Dann erkennen Sie zum Beispiel, mit welchem Werkzeug ein Quader bearbeitet ist."

Natürlich wurden derlei Details eingehend beschrieben und die gesamte Kathedrale auch mittels digitaler Fotogrammetrie vermessen, während 3D-Scans damals noch nicht allzu weit entwickelt waren. Alle Erkenntnisse wurden auch in Buchform veröffentlicht.

Kölner Dom: Dokumentation aus der Luft

Ein Gerüst aufzustellen, ist in der Innenstadt von Köln schwierig. Deshalb wurde die dortige Kathedrale mit hoch entwickelten Kameras dokumentiert, die Drohnen bis hinauf zu den Turmspitzen und in alle Winkel der Dächer trugen. Michael Jürkel von der Dombauhütte hat das Projekt geleitet: "Von 2019 bis 2022 sind über 300.000 hochauflösende Einzelaufnahmen entstanden, und die sind dann zusammengerechnet worden zu einem 3D-Modell." Das konnten die Steinmetze dann nach Schäden hoch oben an den Türmen absuchen und auch gleich virtuell das Gerüst für die Reparaturarbeiten dort aufhängen.

Der nächste Schritt wäre ein sogenannter digitaler Zwilling, den man mithilfe einer Virtual-Reality-Brille durchwandern könnte – was keine Spielerei ist, sagt Jürkel: "Man stellt das zum Beispiel der Feuerwehr zur Verfügung, die kann sich dann virtuell im Dom bewegen und vielleicht auch Übungen machen." Derzeit gibt es das noch nicht, aber es ist angedacht – natürlich in der Hoffnung, dass die Feuerwehr derartige Übungen nie in einen Ernstfall umsetzen muss.

Erfahrungen mit dem Wiederaufbau

Deutschland wäre um viele Baudenkmale ärmer, hätten nicht detaillierte Dokumentationen nach damaligem Stand der Technik den Wiederaufbau nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs ermöglicht. Ein Beispiel ist die Residenz in Würzburg: Das Treppenhaus mit dem berühmten Tiepolo-Fresco blieb stehen, aber andere Teile wurden ein Opfer der Bomben. Heute ist die Residenz UNESCO-Weltkulturerbe, auch aufgrund des beispielhaften Wiederaufbaus, betont Alexander Wiesneth. "Das Erstaunliche in Würzburg ist, dass die dort Verantwortlichen schon im September 1939 erste Schutzmaßnahmen gestartet haben, um das Kulturgut zu retten. Und in den letzten Kriegsjahren wurden Foto-Aktionen unternommen, das war damals hochgefährlich." Denn sich auf die Katastrophe vorzubereiten, stand im Widerspruch zu den Sieg-Parolen der Nationalsozialisten.

"Bestmögliche Grundlagen" für den Katastrophenfall

Die Bayerische Schlösserverwaltung besitzt Zehntausende historische Pläne aus der Bauzeit ihrer Denkmale, oder von späteren Umbauten, inzwischen auch in digitalisierter Form. Sie waren eine unschätzbare Quelle für den Wiederaufbau und sind bis heute wichtig bei Restaurierungen. Ebenso wie fotogrammetrische Aufnahmen, die es in analoger Form schon im 19. Jahrhundert gab. Heutige Dokumentationen sind zwar viel detailreicher, und dank bau- und kunsthistorischer Forschung kennt man auch unzählige Details zu Bautechniken und Materialien der Denkmale, vor allem nach so intensiver Forschung wie beim Markgräflichen Opernhaus. Für den Katastrophenfall dort, meint Alexander Wiesneth, "hätten wir sicherlich die bestmöglichen Grundlagen". Aber es wäre eben eine Rekonstruktion, "ein Original ist nicht wiederherzustellen".

Solch ein Forschungsprojekt wie in Bayreuth ist allerdings ungewöhnlich. Die üblichen Dokumentationen bei Restaurierungen sind nicht ganz so aufwändig. Das verfügbare Geld fließt vorwiegend in die Erhaltung der Denkmale und die Restaurierung von kleineren Schäden, die der Zahn der Zeit hinterlässt.

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