Die Preisträgerinnen und Preisträger des Menschenrechtsfilmfestivals in Nürnberg.
Bildrechte: NIHRFF/Uwe Niklas

Preisträgerinnen und Preisträger beim Internationalen Menschenrechtsfilmfestival in Nürnberg mit Festivalleiterin Andrea Kuhn (zweite v. links).

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Engagiertes Kino in Nürnberg: Preis für brasilianischen Film

Etwa 90 Kinovorstellungen, zwanzig Vorführungen für Schulklassen und Kino im Virtual-Reality-Modus: Nach acht Tagen geht das 13. Internationale Nürnberger Menschenrechtsfilmfestival zu Ende. Ein Höhepunkt ist die Preisverleihung für engagiertes Kino.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Mehr als zwölf Stunden Film von sieben internationalen Produktionen hat sich die Jury des Internationalen Menschenrechtsfilmpreises angeschaut. Und entschieden: Der mit 2.500 Euro dotierte Hauptpreis geht an den brasilianischen Film "O Estranho/The Intrusion". Darin geht es um den Flughafen Guarulhos bei São Paulo und wie sein Bau die Landschaft und die Menschen, die dort leben, verändert; es geht um Verlust und Erinnerung. In der Begründung der Jury heißt es: "Was einst ein Wald war, ist nun ein Dorf, was einst ein Dorf war, hat sich in einen Regionalflughafen verwandelt. Die Dorfbewohner sind in alle Winde verstreut. Stellen Sie sich vor, jemand richtet einen Scheinwerfer auf diese Situation."

Bewegende Moment beim Publikumspreis

Bei der Verleihung der drei Menschrechtsfilmpreise am Dienstagabend kam es zu sehr bewegenden Momenten, die das Publikum berührten. Der Publikumspreis ging an die deutsche Produktion "Vergiss Meyn Nicht", die den Kampf von Umweltschützern gegen die Rodung des Hambacher Forstes in Nordrhein-Westfalen thematisiert. Der Energieversorger RWE rodet den Wald seit den 1970-er Jahren, um Braunkohle abbauen zu können.

Der Film zeigt Material des Journalisten Steffen Meyn, der den Protest mit seiner 360-Grad-Kamera begleitete. Während der Räumung des Waldstücks durch die Polizei stürzte er in die Tiefe und starb. Befreundete Filmemacher ergänzten sein Material mit Interviews und machten daraus den Film. Einer von ihnen, Kilian Kuhlendahl, nahm den mit 1.000 Euro dotierten Preis sichtlich bewegt entgegen. Seine Stimme zitterte, Festivalleiterin Andrea Kuhn nahm ihn auf der Bühne in den Arm, nachdem er an seinen verstorbenen Freund gerichtet sagte: "Du fehlst“.

Preis der Jugendjury an Film über Teenager in der Ukraine

Auch eine Jugendjury aus fünf Schülerinnen und Schülern des Labenwolf-Gymnasiums vergab eine Auszeichnung: Der mit 1.000 Euro dotierte Open-Eyes-Filmpreis geht an den Dokumentarfilm "We will not fade away". Die ukrainische Regisseurin Alisa Kovalenko hat für ihr Werk drei Jahre lang Jugendliche in der ostukrainischen Donbass-Region begleitet, also in dem Gebiet, in dem sich ukrainisches Militär und prorussische Separatisten seit 2014 erbitterte Kämpfe liefern. Dankbar und mit Tränen in den Augen nahm Alisa Kovalenko den Preis entgegen. Der Krieg in der Ukraine sei wie eine offene Wunde, sagte sie auf der Bühne.

Trotz Krieg: Jugendliche feiern das Leben

Der Film zeigt die Jugendlichen dabei, wie sie trotz der tristen und zerstörten Umgebung das Leben feiern. In einer Szene etwa malen Mädchen mit Kreide Blumen und Einhörner auf eine Wand mit Einschusslöchern, in einer anderen lassen sie Drachen zwischen zerstörten Häusern steigen. "Dieser Film bereichert unser Verständnis für die menschliche Natur und den Kampf für eine bessere Zukunft und hat daher höchstes Lob und Anerkennung verdient", so die Begründung der Jugendjury. Die Orte, die in dem Film zu sehen sind, seien nun komplett zerstört, sagte die Regisseurin Alisa Kovalenko. Der Film sei eine Möglichkeit, die Erinnerung an sie am Leben zu erhalten.

Viele Filmschaffende zu Gast

Das Festival zeigte rund 60 Filmen aus 46 Ländern. Dabei wurden Themen und Menschen beleuchtet, die abseits der Nachrichten eine andere, tiefere Geschichte erzählen. Zum Festival gehörten Gespräche mit Filmschaffenden, Schülervorführungen und diesmal auch eine Lesung mit dem Schriftsteller Ilija Trojanow. Die Leiterin des Menschenrechtsfilmfestivals, Andrea Kuhn, zieht nach einer Woche ein positives Fazit: "Es war für uns alle ein tolles Festival". Auch wenn vermutlich wegen des Sommerwetters weniger Menschen in die Kinos kamen als sonst. "Wir sind hier zusammengekommen, mit den spannendsten Leuten, die ich mir vorstellen kann, und haben über Kunst und Gesellschaft diskutiert“. Die Intensität dabei sei fantastisch gewesen, so die Festivalleiterin.

Schlaglichter in alle Ecken der Welt

Das Nürnberger Internationale Filmfestival der Menschenrechte (NIHRFF) wirft immer wieder Schlaglichter auf Ecken und Regionen in der Welt, die – wenn überhaupt – nur kurz in den Nachrichten vorkommen. Ganz aktuell ist das Festival etwa mit dem Film "Landshaft", in dem es um die derzeit umkämpfte Region Bergkarabach geht. Die Kriege in Syrien und Ukraine sind ebenfalls auf der Leinwand zu sehen. Aber beim Menschrechtsfilmfestival geht es nicht nur um Krisen und Konflikte, sondern auch um Selbstbehauptung und Kraft, wie in "Lotus Sports Clu" über ein queeres Fußballteam in Kambodscha.

"Wir wollen keine Opfer zeigen, sondern wir wollen komplexe Situationen zeigen, und wir wollen Menschen in ihrer ganzen Kraft und Komplexität zeigen. Und dafür ist Kino ein tolles Mittel.“ Andrea Kuhn, Leiterin des Internationalen Nürnberger Filmfestivals der Menschenrechte

Letzter Tag des Menschenrechtfilmfestivals

Das Internationale Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte (NIHRFF) präsentiert seit 1999 alle zwei Jahre engagierte, internationale Filmkunst. Die aus Bronze gestaltete Preisstatuette des Internationalen Nürnberger Filmpreises der Menschenrechte hat auch in diesem Jahr der Nürnberger Künstler Christian Rösner entworfen und gestaltet.

Wer die drei Preisträger-Filme noch einmal sehen will, hat am Mittwochabend im Nürnberger Künstlerhaus noch einmal die Gelegenheit dazu. Die drei Siegerfilme sowie sechs weitere Werke sind noch einmal im kommkino, im kinoeins sowie im Festsaal des Künstlerhauses und im Cinecitta zu sehen. Karten gibt es online und an der Abendkasse.

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