Ein Mann und eine Frau sehen sich in die Augen
Bildrechte: Studiocanal GmbH / David Giesbrecht

Filmszene aus "Cat Person"

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"Cat Person": Normale Hölle der Datingwelt – oder Me too?

2017 traf die amerikanische Autorin Kristen Roupenian mit ihrer Short Story über eine junge Frau, die sich mit einem merkwürdigen Mann einlässt und einen schauderhaften One-Night-Stand erlebt, weltweit einen Nerv. Jetzt wurde "Cat Person" verfilmt.

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Wahre Liebe, klar: Das ist der Himmel auf Erden. Blöderweise fällt sie nicht vom Himmel, sondern versteckt sich meist ziemlich hartnäckig. Wer die Suche nach dem ultimativen Volltreffer oder wenigstens temporär anhaltender Zuneigung nicht aufgeben will, muss daten, hoffen, ausprobieren. Oft ein ums andere Mal. Hölle!

Ist das Date ein Vollidiot oder ein Serienkiller?

Margot, 20, Collegestudentin und Hauptfigur im Beziehungs-Psychothriller "Cat Person", macht aus der Not eine Tugend. Flirten immerhin, den angenehmen Teil der Partnersuche, beherrscht sie blind.

Aktuell tauscht sie mit Robert, einer Zufallsbekanntschaft aus dem Arthauskino, fleißig Textnachrichten aus. Harmlose Belanglosigkeiten, nichts Anzügliches. Eher ein Schlagfertigkeits-Test im Sekundentakt, der den Humorlevel abklopft und sicherstellen soll, dass man nicht aus Versehen an einen Vollidioten oder Serienkiller geraten ist. Das zumindest Letzteres nicht von Robert zu befürchten ist, deuten die kleinen Supermarkt-Geschenke an, die er Margot beim ersten Treffen nach dem Kennenlernen überreicht: rote Fruchtlakritzstangen, ihr Lieblingssoftdrink und ein Feuerzeug in Form eines rauchenden Frosches. Irgendwie süß. Aber auch etwas schräg.

Liebe in Zeiten der digitalen Unverbindlichkeit

Ohne Smartphone-Display und sichere Distanz ist die Vertrautheit zwischen den beiden wie weggeblasen und sie merken: Eigentlich wissen sie rein gar nichts voneinander. Der selbstbewusste Schlagabtausch in Textform weicht unsicherem Rumgedruckse und mehr noch: In Margot keimen Urängste und sie fragt sich, ob der baumgroße und deutlich ältere Typ, mit dem sie grad allein ist, nicht doch ein Psychopath ist, der sie vergewaltigen will.

Weite Teile von "Cat Person" sind eine Eins-zu-Eins-Adaption der Kurzgeschichte, auf der der Film basiert. 2017 im US-Magazin "The New Yorker" veröffentlicht, wurde der Text zum viralen Hit, der auf dem Höhepunkt der MeToo-Bewegung hitzige Diskussionen über modernes Datingverhalten auslöste. Viele Leserinnen erkannten sich in Margot wieder, Männer fühlten sich an den Pranger gestellt. Denn trotz zahlreicher Bedenken trifft sich Margot weiter mit Robert, hat den schlechtesten Sex ihres Lebens und wird am Ende gestalkt und als Hure beschimpft.

Der Film löst sich von der literarischen Vorlage

Das berühmte letzte Wort der Literaturvorlage taucht auch in der Verfilmung als bedrohliche, leinwandfüllende Textnachricht auf. Allerdings wird damit kein Schlusspunkt gesetzt, sondern ein neuer, finaler Erzählstrang eröffnet. Und der birgt, wie so manch andere Drehbuchentscheidung im Vorfeld, allerlei Diskussionspotenzial.

Nebenfiguren werden eingeführt, Charakterzüge werden ausgearbeitet: Eine von Isabella Rossellini gespielte Professorin tritt als feministische Mahnerin auf, Margots Eltern werden als oberflächliche Vertreter einer Generation vorgestellt, die sexistische Verhaltensmuster verinnerlicht haben und nichts daran ändern wollen. Der in der Vorlage eher konturlose Robert wird zum Harrison-Ford-Fanboy, der ein gerahmtes Bild von Han Solo und Leia Organa daheim hat und den ersten Kuss zwischen den beiden Star-Wars-Helden als romantischsten Filmmoment aller Zeiten bezeichnet.

Generation-Splaining voller Klischees

Soll man darüber nun lachen oder lieber schreiend davonrennen? Margots Wechselbad der Gefühle wird auf der Leinwand als wilder Genre-Mix aus "Social Horror" mit surrealen Comedy-Elementen inszeniert, in dem die Grenzen zwischen Gut und Böse auch für das Publikum unklar sind. Statt eindeutige Aggressoren zu benennen, konzentriert sich "Cat Person" eher auf die aus dem Ruder gelaufene Dynamik aus Aufmerksamkeitssuche, Ängsten und Unsicherheit, die geschlechtsunabhängig zu gefährlichem Fehlverhalten führen können.

Wo allerdings der subjektive Gedankenfluss der Literaturvorlage viel Raum für persönliche Interpretation ließ, wirkt der Film fast schon verzweifelt bemüht, sämtliche Gründe für das verkorkste Innenleben einer ganzen Generation zu erläutern. Das ist am Ende nicht mehr als Generation-Splaining voller Klischees – und somit verzichtbar.

"Cat Person" von Regisseurin Susanna Fogel läuft ab 16. November in den deutschen Kinos.

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