Ivan Gustafik als Andreas Egger und Marianne Sägebrecht als Ahnl in einer Szene des Films "Ein ganzes Leben"
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Szene aus Hans Steinbichlers Verfilmung von "Ein ganzes Leben"

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Bestsellerverfilmung: "Ein ganzes Leben" von Hans Steinbichler

Archaische Zustände, ein hartes, entbehrungsreiches Leben in den österreichischen Alpen: Hans Steinbichler hat den Bestseller von Robert Seethaler "Ein ganzes Leben" verfilmt – und erinnert damit an Alpenfilme von Joseph Vilsmaier.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Acht Jahre ist er alt, der Waisenjunge Andreas, als er nach dem Tod der Mutter aus Wien in das enge Alpental kommt, ein Bankert – uneheliches Kind – der widerwillig von seinem Bauern-Onkel aufgenommen wird. Jahrelang wird er von diesem Onkel als Hilfsknecht ausgebeutet, beim geringsten Vergehen brutalst mit dem Stock geprügelt. Ein dabei gebrochenes und nicht verheiltes Bein bleibt ein Leben lang das sichtbare Stigma.

Zurück zum bäuerlichen Leben

Schon in den ersten Bildern dieser Lebenssaga in den österreichischen Bergen wird klar, wohin die zweistündige Kinoreise gehen wird. "'Ein ganzes Leben' fasst quasi alles zusammen, was ich jemals im Film haben wollte: die Berge, aus denen ich komme und wo ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht habe, und das bäuerliche Leben dort im letzten Jahrhundert", so Steinbichler. Davon habe er auch noch sehr viel erlebt, weil sein Vater aus einer bäuerlichen Familie stammte.

Ein großer Heimatfilm also, der in seiner bildgewaltigen Komposition und überbordenden Musikuntermalung bisweilen an Joseph Vilsmaiers Film "Schlafes Bruder" und andere Alpendramen erinnert. Als der zum jungen Mann herangereifte wortkarge Andreas stark genug ist, seinem Peiniger die Stirn zu bieten, verlässt er den Hof, verdingt sich als Hilfsarbeiter und heuert schließlich bei einem Seilbahntrupp an, der die Bergwelt erschließen soll.

Die alpine Welt rüstet sich für den Tourismus

Der Ausbau der alpinen Welt ist der zweite Strang des Films, der neben der Schilderung der Archaik und der Entsagung auch auf die Themen Raubbau an der Natur und beginnenden Tourismus verweist. Für Hans Steinbichler ein wichtiger Punkt, er hat den Film seinem verstorbenen Vater gewidmet: "Mein Vater war ein Bergjournalist", sagt der Regisseur, "und hat sicher vier Jahrzehnte seines Lebens damit verbracht, im Chiemgau und drumherum in Bürgerinitiativen die Erschließung der Berge zu verhindern."

Doch das Leitthema dieses Steinbichler-Films ist das Leben des einsamen, naiven Menschen Andreas Egger, der in den drei verschiedenen Lebensstadien von drei Schauspielern verkörpert wird. Steinbichler findet schließlich seine Lebensliebe Marie und träumt mit ihr auf der selbst ausgebauten kargen Almhütte von der Zukunft.

Stefan Gorski als Andreas Egger und Julia Franz Richter als Marie in einer Szene des Films «Ein ganzes Leben»
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(Seltener) Moment des Glücks: "Ein ganzes Leben"

Ein monumentales episches Drama

Das Glück wird jedoch jäh zunichtegemacht durch eine Naturgewalt: Eine Lawine zerstört die Hütte und damit die gemeinsame Zukunft. Zurück bleibt ein Gebrochener, ein Geschundener, dem man durch die nun kommenden Jahre folgt bis hin zum Kriegsgefangenenlager in Russland. Später kehrt der Egger wieder in die Berge zurück, wo soll er sonst hin? Wie will man leben, wie sterben?

Aus der erzählerischen Ökonomie Seethalers ist bei Steinbichler und seinem versierten Drehbuchschreiber Uli Limmer ein großes episches Drama geworden, das mit kräftigen, majestätischen Bildern aufwartet und manchmal hart an glatten Klischees und Rührseligkeit vorbeischrammt. Aber doch funktioniert der Film als Ganzes, ein ganzes Jahrhundert und seine Umbrüche ziehen vorbei, ein hartes Leben und acht Jahrzehnte werden erzählt. Bis hin zum Schluss, wenn der alte Egger, ein einsamer Kauz – gespielt von August Zirner, am Lebensende schreibt: "In letzter Zeit denke ich wieder öfter an Dich. An das, was war und an das, was hätte sein können. Ich habe niemanden, aber ich habe alles, was ich brauche."

Im Video: Trailer - "Ein ganzes Leben"

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