"Eine deutsche Partei" handelt von der AfD
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AfD-Mitglied Andreas Wild bei einer Anti-Corona-Demo

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"Eine deutsche Partei": Doku seziert die AfD bei der Berlinale

Es ist nicht irgendeine Partei, zu deren Innenleben der Dokumentarfilm "Eine deutsche Partei" Zugang verschafft: Es geht um die rechtsgerichtete AfD. Am Mittwoch feiert der Film Premiere bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin.

Muss man sich das so vorstellen: Regisseur Simon Brückner hat sich eine Kamera genommen und ist über Wochen und Monate hinweg zu Veranstaltungen der Partei Alternative für Deutschland (AfD) gegangen, zu Fraktionssitzungen, Ausschüssen und Wahlkampfauftritten, und hat das gefilmt, was passiert ist? Ja, so muss man sich das vorstellen. Mit der Kamera schaut er in die Breite und in den Alltag der Partei. Unglaubliche 500 Stunden Material sind so zusammengekommen.

Immer wieder hinein in die Höhle des Löwen. Mehrfach wird im Film die Position des Regisseurs vor laufender Kamera hinterfragt, wird er als Fremdkörper im parteiinternen Gefüge angesprochen. Wird seine Arbeit in Frage gestellt. Das sei sein Alltag gewesen, erzählt Brückner im Interview: "Angefangen hat das Ganze über einen persönlichen Kontakt in Berlin. Ich weiß noch, wie am ersten Abend jemand zu mir sagte – Ja, wenn Du den Film so machst, wie Du uns den vorgestellt hast, dann könnte das ein richtig guter Film werden, und gut heißt nicht zwangsläufig gut für uns."

Kein AfD-Bashing-Film

"Eine deutsche Partei" ist kein AfD-Bashing-Film geworden, wie Brückner das ausdrückt. Sollte er auch nicht. Er wollte keine These zur AfD filmisch durchdeklinieren, sondern tauchte bei der Partei immer wieder mit seinem ganz eigenen Mantra auf: Ihr seid mir ein Rätsel, zeigt mir, wer ihr seid!

Mit einem fast schon psychologischen Forscherinteresse nähert er sich dem Parteiapparat, orientiert sich dabei an seinem Vater Peter Brückner, dem Sozialpsychologen, der eine wichtige Stimme der Studentenbewegung der 1970er Jahre war und über politische Radikalisierung forschte, dabei immer betonte, man müsse auch von innen auf politische Bewegungen schauen, um sie zu verstehen. Von ihm handelte Simon Brückners vorheriger Film "Aus dem Abseits", der 2015 auf dem DOK.fest München prämiert wurde.

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Filmemacher Simon Brückner

Eine Partei mit auseinanderdriftenden Standpunkten

Nun nähert sich also der Sohn mit dem Instrumentarium des Vaters der AfD. Das entwickelt sich umfassend ambivalent. Brückner macht deutlich, wie weit die auseinanderdriftenden Teile der Partei voneinander entfernt sind. Er tut das in der Tradition des künstlerischen Dokumentarfilms – durch reine Beobachtung. Er verzichtet auf einen Off-Text, auf Kommentare und Interviewsequenzen. Zwei Stunden lang sieht man also Parteimitglieder der AfD hauptsächlich in geschlossenen Räumen miteinander reden.

Das ist spannend, und bisweilen bizarr. Da behauptet etwa der Zahnarzt Carsten Ubbelohde, AfD-Abgeordneter im Berliner Senat, bei einer Fraktionssitzung zu Corona, dass PCR-Tests eine erhebliche Fehlerquote von über 80 Prozent hätten. Viele nicken zustimmend. Aber der Arzt Dieter Neuendorf widerspricht vehement und erklärt, eine solche Einschätzung sei fachlich völlig falsch.

So setzt es sich in vielen anderen Szenen fort – die AfD wirkt in Simon Brückners Film oft wie zwei Parteien mit teilweise entgegengesetzten Standpunkten. Da gibt es die Demagogen und Hetzer auf der einen sowie die Moderaten und Vernünftigen auf der anderen Seite. Das ist zwar bekannt, aber in der Innensicht des Films fein herausgearbeitet und damit nachvollziehbarer als in den meisten Artikeln dazu.

Fokus auf die moderaten Kräfte

Bei einem Treffen hochrangiger AfD-Politiker in einem sächsischen Landhaus im August 2021 sagt Albrecht Glaser, Leiter der Bundesprogrammkommission, man müsse die Vertreter der aggressiven Attacke "einfangen" und die, die geschliffen und hockkompetent argumentierten, "promovieren". Dass das in dieser zerrissenen Partei unmöglich ist, machen die Statements von anderen Parteivertretern deutlich: Da wird etwa gefordert, man müsse die Mitglieder von deutschen Parallelgesellschaften re-migrieren. Was heißt das? Letztlich möchte man alle Menschen mit einem migrantischen Hintergrund in ihre Ursprungsländer zurückschicken.

Der Film wird nur selten zur Bühne für extremistische Ansichten, er interessiert sich vielmehr für die moderateren Kräfte. Simon Brückner sagt: "Die sind ein wichtiges Scharnier für die Entwicklung der Partei – und sie sind viel ambivalenter sowie rätselhafter als die anderen, denn man kann ihnen ganz viele Fragen stellen: Was heißt das – moderat in der AfD? Warum seid ihr noch da, wenn andere Kräfte solche Dinge sagen? Spielt da Verdrängung eine Rolle, oder glaubt ihr, die anderen noch einhegen zu können? Die Geschichte der AfD spricht nicht dafür, dass das funktionieren kann."

Eine Partei auf dem Seziertisch

Der beobachtende Dokumentarfilm "Eine deutsche Partei" legt die Alternative für Deutschland auf den politischen Seziertisch, ohne dabei die Prominenz der Partei zu Wort kommen zu lassen. Weidel, Meuthen, Gauland oder Höcke spielen bei Simon Brückner keine Rolle. Diejenigen, die im Hintergrund agieren, sind letzten Endes entscheidender für das Schicksal der AfD, der Partei, der vor allem eines fehlt: ein gemeinsamer politischer Wille.

Das könnte die Partei auf Dauer zerstören. Letzte Frage an den Regisseur: Werden viele AfDler in der heiß erwarteten Berlinale-Premiere des Films sitzen? Brückner lacht, und meint: "Das glaube ich von daher nicht, weil viele nicht geimpft sind." Im Kino gilt die 2G-Regel.

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