Die Einreise nach Bayern ist für Pfleger aus dem Ausland kompliziert
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Die Einreise nach Bayern ist für Pfleger aus dem Ausland kompliziert

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Schwierige Einreise: Ausländische Pflegekräfte meiden Bayern

In Internetforen wird ausländischen Pflegekräften abgeraten, nach Bayern zu gehen: Zu lange Wartezeiten und besonders viel Bürokratie bei der Einreise. Die zuständigen Ministerien schieben sich gegenseitig die Schuld zu.

Khouloud Ben Said ist endlich angekommen in Bayern. Seit zwei Wochen ist die gebürtige Tunesierin in München und arbeitet als Altenpflegerin im AWO-Dorf Hasenbergl. Doch der Weg, bis sie endlich ins Flugzeug steigen durfte, war lang und kompliziert, erzählt sie: "Ich habe zwölf Monate auf meinen Visumstermin gewartet, das war sehr schwierig und sehr stressig." Die 27-Jährige spricht bereits fließend Deutsch und hat einen Studienabschluss in Pflegewissenschaften.

Ähnlich erging es ihrem Kollegen, Amine Rouis, der dieselbe Ausbildung hat und rund sieben Monate in Tunesien warten musste. Bei ihm ging es vergleichsweise schnell, da ein anderes Bundesland seine Berufsausbildung bereits anerkannt hatte.

Arbeitsgenehmigung: Bis zu einem Jahr Wartezeit

Der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt München (AWO) ist deshalb genervt. Er wünscht sich ein effizienteres Verfahren. Beispielsweise, dass Pflegekräfte schon mit mittleren Deutschkenntnissen nach Bayern kommen dürfen und hier weiterlernen, wie es in Hessen üblich ist. Oder dass sie bestimmte berufliche Qualifikationen und Eignungen nachholen, während sie schon arbeiten.

In Tunesien würden derzeit elf weitere Bewerber mit abgeschlossenem Studium warten und gerne als Altenpfleger bei der AWO arbeiten. Darunter auch Mohamed Bechir Khaloufi. Er warte seit sieben Monaten, während Freunde von ihm schon seit drei Monaten in Frankfurt arbeiteten, erzählt er enttäuscht. AWO-Chef Kopp ist pessimistisch: "Ich rechne damit, dass wir bis zu einem Jahr warten müssen." Und das trotz beschleunigtem Fachkräfteverfahren.

Auch beschleunigtes Fachkräfteverfahren dauert lang

Seit März 2020 gibt es die Möglichkeit, für Fachkräfte ein schnelleres und erleichtertes Einreiseverfahren durchzuführen. Visa müssen dann innerhalb von zwei Monaten erteilt werden. Für diesen Service, den der Staat anbietet, zahlen Arbeitgeber und Vermittleragenturen etwas mehr als 400 Euro pro Fachkraft. Doch die Wahrheit ist: "Wir sind sehr unzufrieden mit diesem sogenannten beschleunigten Fachkraftverfahren", beklagt Kopp. Es werde nicht eingehalten, sei noch immer zu langwierig und zu kompliziert.

Agenturen verzweifeln an bayerischem Verwaltungswesen

Dass das beschleunigte Verfahren in Bayern oft nicht eingehalten werde, bestätigt auch Matthias Mauch. Mit seiner Firma "Rekruut" vermittelt er ausländische Pflegekräfte nach ganz Deutschland und hat beinahe jeden Tag mit den zuständigen Behörden zu tun. Er sagt: In Bayern dauern die Verfahren, also das Visum und die Anerkennung ausländischer Abschlüsse, am längsten.

"Es sind in Bayern zu wenig Leute, die das machen, oder diese Leute arbeiten zu ineffizient." Dazu kommt: Anders als in anderen Bundesländern entscheiden in Bayern die einzelnen Regierungsbezirke über Einreise und Berufseignung. Das mache das ganze Verfahren noch uneinheitlicher und noch intransparenter, kritisiert Mauch.

Bayern inzwischen unbeliebtestes Einreiseland

Bayern sei deshalb inzwischen eines der unbeliebtesten Bundesländer für ausländische Pflegekräfte. In den sozialen Netzwerken werde tunesischen Pflegern inzwischen davon abgeraten, nach Bayern zu gehen, da hier die Bearbeitungszeit besonders lange dauere, erzählt Hans Kopp von der Münchner AWO.

"Unsere große Sorge ist, dass uns unsere Bewerber abspringen", befürchtet Kopp. Die Konkurrenz schlafe nicht und ohne Zuwanderung habe die Altenpflege keine Zukunft. In manchen Altenheimen gebe es Stationen, warnt Kopp, auf denen fast alle Pflegekräfte aus dem Ausland kommen. Und diese Situation werde sich noch verschärfen, da die Leute immer älter werden, gleichzeitig aber immer weniger Kinder geboren werden.

Pfleger aus dem Ausland werden dringend benötigt

Zu dieser Einschätzung kommt auch eine Studie der "Vereinigung der Pflegenden in Bayern" (VdPB) aus dem Jahr 2020. Rund 2.000 offene Stellen gibt es jedes Jahr in Bayern, die mangels Fachkräften nicht besetzt werden können. Die Dunkelziffer sei noch höher, da nicht alle offenen Stellen ausgeschrieben sind.

Nur 63 Prozent der Pflegeeinrichtungen würden laut der Studie unbesetzte Stellen bei der Arbeitsagentur melden. Auch die Arbeitsagentur selbst analysiert jedes Jahr, in welchen Berufen es den größten "Fachkräfte-Engpass" gibt: Die Alten- und Krankenpflege landet hier regelmäßig auf Platz eins.

Opposition: Lage so ernst, dass man sie zur Chefsache machen müsste

Zunehmend verärgert ist auch die Opposition im Bayerischen Landtag. Bayern sei darauf angewiesen, ausländische Pflegekräfte anzuwerben "Ohne die geht es schon lange nicht mehr", so die gesundheitspolitische Sprecherin der Bayern-SPD, Ruth Waldmann. Mit mühseligen Verfahren locke man niemanden nach Bayern, "die Lage ist so ernst, dass man das zur Chefsache machen müsste."

Auch die asylpolitische Sprecherin der Grünen, Gülseren Demirel, spart nicht mit Kritik: "Das einzige, was ich aus dem Innenministerium höre, ist, wie man Migrantinnen und Einwanderung abwehren kann. Ich habe noch keinen einzigen Satz gehört, wie man Migration im Interesse dieser Gesellschaft nutzen kann."

Ministerien schieben sich gegenseitig die Schuld zu

Dass die Verfahren in den Behörden deutlich beschleunigt werden müssten, habe er angewiesen, verteidigt sich der Bayerische Innenminister, Joachim Herrmann (CSU). "Diese Ansage gibt es ganz klar und die ist auch gültig." Er verweist auf das Bayerische Gesundheitsministerium. Nicht die Visa seien das Problem, sondern die Überprüfung der beruflichen Qualifikation. "Da hakt es in der Tat."

Das Gesundheitsministerium spielt den Ball zurück ins Innenressort. Berufsabschlüsse würden in der Regel innerhalb von vier Monaten überprüft und lägen damit in der gesetzlichen Frist. Vielmehr gebe es "Faktoren", die das Gesundheitsministerium nicht beeinflussen könne. Dazu zählen Visa und Arbeitserlaubnisse. "Hier ist auf die jeweils zuständige Ausländerbehörde zu verweisen", teilt eine Ministeriumssprecherin mit.

Defizitbescheid oder Visum: Pflegekräfte werden weniger

Doch tatsächlich braucht es vor dem Visum noch einen sogenannten Defizitbescheid. Dieser sagt aus, ob ein Anwerber noch beruflich nachschulen muss. Und für den ist das Gesundheitsministerium zuständig. Die Genehmigungsverfahren zwischen Innenministerium und Gesundheitsministerium sind also eng verzahnt. Doch während die Ministerien noch um eine reibungslose Zusammenarbeit ringen, dürfte sich der Pflegekräftemangel im Freistaat weiter zuspitzen.

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