Bundesverkehrsminister Volker Wissing, FDP (Archivbild)
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Wissing kündigt Ausgleich für steigende Energiepreise an

Bundesverkehrsminister Volker Wissing spricht von "enormen Veränderungen", die auf uns zukommen. Der klimaneutrale Umbau von Verkehr und Wirtschaft werde ein Kraftakt. Wissing kündigt einen Ausgleich für steigende Energiepreise an.

Die Klimapolitik ist eines der großen Themen der neuen Bundesregierung. BR-Korrespondent Jan Zimmermann hat mit dem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) darüber gesprochen, wie Verkehrspolitik unter diesem Vorzeichen aussehen wird, was die Bürgerinnen und Bürger erwartet und was das im Koalitionsvertrag beschlossene "Klimageld" bedeutet.

BR24: Robert Habeck ist in der neuen Bundesregierung Klimaschutzminister. Heißt das, dass er die Klimaschutzpolitik der Ampel bestimmt und Sie bei diesem Thema wenig zu sagen haben?

Volker Wissing: Klimaschutz ist eine Aufgabe, die in vielen Bereichen verwirklicht werden muss. Wir haben im Verkehrssektor einen großen Beitrag zu leisten, wir brauchen klimaneutrale Mobilität, wir müssen die CO2-Emissionen, insbesondere im Individualverkehr, deutlich reduzieren. Das Ziel muss sein, am Ende CO2-neutral zu fahren, vor allen Dingen mit Elektromobilität, aber auch unter Nutzung von synthetischen Kraftstoffen, die etwa zum Beispiel im Bereich des Fliegens von großer Bedeutung sein können.

"Man bewegt sich auf dem Land anders als in der Stadt"

Was sind die wichtigsten Klimaschutzziele, die Sie sich vorgenommen haben?

Im Mobilitätsbereich werden viele CO2-Emissionen verursacht, deshalb können wir so nicht weitermachen. Es liegt die Aufgabe vor uns, CO2-neutrale Mobilität für jede und jeden sicherzustellen. Dabei muss man beachten, dass es keine Einheitsbedürfnisse gibt, sondern die Menschen unterschiedlich sind.

Jede und jeder hat ein eigenes Mobilitätsbedürfnis. Man bewegt sich auf dem Land anders als in der Stadt. Menschen, die in Familien zusammenleben, haben höhere Anforderungen an Flexibilität als Singles. Wer sich um Kinder kümmern muss, der kann nicht längere Wege zur Arbeit hinnehmen, wenn er mal spontan zu Hause einspringen muss. All solche Sachen müssen wir berücksichtigen und Klimaneutralität dabei immer im Blick haben.

Klima- und "Digi"-Check für Gesetze

Laut Koalitionsvertrag unterliegt jedes neue Gesetz einem Klima-Check. Gibt es für diesen Check konkrete Kriterien?

Wir haben internationale Vereinbarungen getroffen, die uns verpflichten, klimaneutral zu wirtschaften und zu leben. Wir müssen jedes Gesetz, das wir gemeinsam auf den Weg bringen, darauf überprüfen, ob es diesen Zielen entspricht. Ansonsten verstoßen wir gegen das, was wir international vereinbart haben.

Solche Dinge wie ein Klima-Check machen Sinn, weil man dann schon im Gesetzgebungsverfahren genau diese Punkte überprüft und Fehler vermeidet. Das heißt, wir prüfen bei Gesetzen, ob sie den Anforderungen an Klimaschutz gerecht werden und genauso prüfen wir auch, ob sie den Anforderungen an eine digitale Gesellschaft gerecht werden. Das sind neue Kriterien, die wichtig sind für uns, weil wir uns Klimaneutralität und auch Fortschritte bei der Digitalisierung zum Ziel gemacht haben. Wenn man Gesetze aus einem Fachbereich auf den Weg bringt, läuft man immer Gefahr, dass man die großen Ziele übersieht. Das darf nicht passieren, deshalb dieser Klima-Check oder auch der Digi-Check.

"Klimaschutz ist eine Daueraufgabe"

Sozialverbände warnen vor einer finanziellen Überforderung von Menschen, die nicht viel Geld haben. Sie könnten durch Klimaschutzmaßnahmen zu stark belastet werden. Teilen Sie diese Sorge?

Wir dürfen keinen überfordern und müssen gleichzeitig die großen Ziele engagiert verfolgen. Wenn wir Menschen in ihrer Mobilität einschränken und die Maßnahmen im Alltag als Belastung empfunden werden, dann werden wir Klimaschutz nicht nachhaltig betreiben können.

Eine Klimaschutzpolitik für vier Jahre macht keinen Sinn. Wenn wir breite politische Mehrheiten aus der Mitte heraus dauerhaft sichern können, dann ist auch Klimaschutzpolitik dauerhaft gesichert. Klimaschutz ist eine Daueraufgabe. Das, was wir jetzt an Transformation auf den Weg bringen, brauchen wir für immer und deswegen müssen wir es so gestalten, dass die Menschen das Ganze als Fortschritt empfinden, mindestens als Sicherung ihrer heutigen Mobilitätsbedürfnisse. Die Beachtung sozialer Aspekte bedeutet Klimaschutz ernst zu nehmen. Ich verstehe Politik als Inklusionsauftrag. Eine Gesellschaft zusammenzuhalten, ist enorm wichtig und zugleich auch enorm schwierig. Deswegen sollten wir nicht Angst haben vor den Aufgaben, die wir vor uns sehen, sondern wir sollten die Aufgaben so angehen, dass wir diese Ziele gemeinsam voranbringen.

"Klimaneutrale Mobilität bedeutet enorme Veränderungen"

Worauf müssen sich die Bürgerinnen und Bürger einstellen?

Die Umstellung auf klimaneutrale Mobilität, auch auf klimaneutrale Industrieproduktion bedeutet enorme Veränderungen. Und solche Veränderungen sind immer auch mit der Sorge verbunden, dass es nicht jedem und jeder gerecht wird, dass Menschen finanziell überfordert werden können, dass sie sich plötzlich Dinge nicht mehr leisten können.

Das müssen wir sehr ernst nehmen, weil wir die Menschen ansonsten nicht dauerhaft für diese Politik gewinnen können. Wir können nicht Sozialpolitik statt Klimaschutzpolitik machen, wir können auch nicht Teilhabe statt Klimaschutz machen. Wir müssen beides hinkriegen und das bedeutet auch, dass wir viele Dinge verändern müssen.

Auch über einen Ausgleich für bestimmte gesellschaftliche Gruppen nachzudenken, ist Teil einer solchen Politik. Aber wir dürfen eines nicht verlieren, das ist das gegenseitige Vertrauen. Wenn jemand über die sozialen Aspekte spricht, darf man ihm nicht unterstellen, dass er keinen Klimaschutz betreiben möchte. Wenn jemand über einen Ausgleich für Menschen im ländlichen Raum spricht, die bei immer höheren Spritpreisen die Sorge haben, dass sie nicht mehr wissen, wie sie zum Arbeitsplatz kommen können, dann ist das nicht gegen den Klimaschutz, sondern für den Klimaschutz gerichtet, weil man Menschen mitnimmt.

Das Ziel muss am Ende sein: Fliegen mit synthetischem Kerosin zum Beispiel, Fahren mit elektrischer Energie, die regenerativ erzeugt wurde, bessere ÖPNV-Angebote, um auch eine Alternative zum Individualverkehr zu bieten.

"Wir brauchen ein Umdenken bei der eigenen Mobilität"

Wie können wir das schaffen? Was kann jeder Einzelne tun?

Wir brauchen ein Umdenken bei der eigenen Mobilität. Es muss so sein, dass wenn ein ÖPNV-Angebot da ist, dass man gar nicht mehr in Erwägung zieht, selbst zu fahren, sondern sagt, selbstverständlich nutze ich das. Also beispielsweise im Ballungszentrum oder in Berlin. Wozu fahren die Leute mit dem Auto zum Einkaufen oder zum Shoppen, wenn man ein breites Angebot an Bus und Bahn hat.

Dieses Umdenken brauchen wir in der Gesellschaft und das wird eine große Herausforderung sein. Deswegen liegen enorm viele Aufgaben vor uns, aber auch große Chancen. Und ich bin der Überzeugung, wenn die Menschen die Veränderungen als Fortschritt empfinden, dann werden wir sie auch mitnehmen. Das ist das Ziel, das ich mir gesetzt habe.

"Ausgleich, wo Menschen überfordert werden können"

Sie haben von einem Ausgleich gesprochen. Im Koalitionsvertrag ist von einem "Klimageld" die Rede. Wann kommt diese finanzielle Entlastung?

Wir sehen ja, dass die Energiepreise beispielsweise deutlich ansteigen werden, wenn wir aus der Kohleverstromung aussteigen und weiter auf regenerative Energien setzen. Das bedeutet am Ende, das wir alles kontinuierlich überprüfen müssen, die Belastungen für den Menschen im Blick haben müssen, und immer dafür Sorge tragen, dass es einen Ausgleich gibt, dort wo Menschen überfordert werden können.

Ich werde oft gefragt, was ist der Kraftstoffpreis, den sie sich vorstellen, was darf eine Kilowattstunde kosten. Es ist nicht Aufgabe der Politik, Preise festzusetzen, aber es ist Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass wir als Gesellschaft gemeinsam jede und jeden mitnehmen. Das heißt, dort wo Menschen selbst nicht in der Lage sind, die Veränderungsprozesse aus ihrer Lebenssituation heraus zu meistern, weil die Kosten zu hoch werden oder weil plötzlich Mobilitätsangebote nicht mehr da sind, muss der Staat, muss die Gemeinschaft helfen.

Das frühzeitig zu erkennen, ist unsere Aufgabe. Da gibt es nicht einen Termin oder eine bestimmte Maßnahme, sondern das wird über den gesamten Transformationsprozess hin unsere Aufgabe sein, viel zuzuhören, genau zu beobachten, die Entwicklungen präzise zu analysieren und frühzeitig einzuschreiten, wo Unterstützung gefordert ist.

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