Alexander Dobrindt, der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, bleibt dabei: Die Rechtslage sei eindeutig. Es müsse die Möglichkeit geben, Asylsuchende direkt an der deutschen Grenze abzuweisen. Die CSU-Landesgruppe sei sich da einig und unterstütze den Masterplan Migration von Bundesinnenminister Seehofer, sagte Dobrindt. Die Abweisung sei auch kein Widerspruch zu europäischem Recht. In Frankreich sei sie üblich.
Bei dem Streit geht es um die Frage, ob Flüchtlinge an der deutschen Grenze abgewiesen werden sollen, wenn sie keine Papiere haben, schon einmal ausgewiesen wurden oder aus einem sicheren Drittland einreisen. Bisher geschieht das nicht.
Rechtslage erlaubt Zurückweisung - unter Bedingungen
Grundsätzlich ist die Zurückweisung an der Grenze möglich. Artikel 18 des Asylgesetzes erlaubt sie, sofern ein Asylbewerber in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt hat. Aber es gibt Ausnahmen: Von der Einreiseverweigerung auch aus einem sicheren Drittstaat ist unter anderem abzusehen, wenn es das Bundesinnenministerium "aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland angeordnet hat". Genau das passierte im Herbst 2015.
Hürde Dublin-Verordnung
Allerdings wäre es damit wohl nicht getan. Die sogenannte Dublin-Verordnung, die den Umgang mit Asylsuchenden in Europa regelt, stellt Hürden auf: Deutschland müsste prüfen, welcher Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dieses Verfahren nimmt Zeit in Anspruch. Deutschland muss danach beim Erstaufnahmeland ein Rückübernahmeersuchen stellen. Das ganze Verfahren könnte kaum an der Grenze abgewickelt werden.
Bundeskanzlerin Merkel hat Bedenken gegen die Abweisung. Ihr Ziel ist es nach wie vor, eine europäische Lösung zu finden.
"Ich möchte, dass das, was heute gilt, dass europäisches Recht Vorrang hat vor nationalem Recht, dass wir das auch in unserer weiteren Politik umsetzen. Und das bedeutet, dass wir das Dublin-System reformieren, dass wir es verändern, aber dass wir nicht einseitig national agieren." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
Koalitionspartner kritisieren Vorgehen Seehofers
Vorsichtige Kritik an Horst Seehofer kommt von Michael Grosse-Brömer CDU), Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag. Spitz merkt er an, er halte es "nicht für unprofessionell“, den Vorstoß in der Bundesregierung abzustimmen. In der Unionsfraktion sind die Details von Seehofers Konzept offenbar bislang unbekannt. Es gehe bei dem Streit um einen von 63 Punkten, die er nicht kenne. Die SPD-Abgeordnete Eva Högl kritisierte Seehofers Vorgehen in der ARD als "absolut unseriös". In Sachen Zurückweisung an der Grenze habe Bundeskanzlerin Merkel die "Reißleine gezogen".
Grüne sehen eine Wahlkampf-Show, FDP einen Machtkampf
Im Koalitionsvertrag ist die Zurückweisung an der Grenze nicht verankert. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, glaubt, der Ausbruch des Streits sei auf den Herbst in Bayern ausgerichtet, wo die Landtagswahl ansteht: "Horst Seehofer ist Bundesinnenminister und nicht CSU-Wahlkampfminister.“ Der Umgang mit Flüchtlingen lasse sich "nur europäisch und nicht bayerisch regeln". Laut FDP-Chef Christian Lindner stellt Seehofer damit die Machtfrage. Der CSU-Chef wolle wissen, ob er stärker sei als die Richtlinienkompetenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel, mutmaßte Lindner per Twitter.