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Seenotrettung im zentralen Mittelmeer: Viele Menschen flüchten von Libyen aus über das Mittelmeer nach Lampedusa und Malta.

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Verhandlungen über Asylpolitik: Faesers Risiko

Seit Jahren ringen die EU-Länder um eine gerechte Asylpolitik. Bundesinnenministerin Nancy Faeser versucht heute bei einem EU-Treffen in Luxemburg den Durchbruch für eine Reform zu erreichen. Davon hängt viel ab – auch für Faeser persönlich.

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Die EU-Asylpolitik steckt in einer Sackgasse. Nancy Faeser will sie da rausholen. Vor dem Treffen in Luxemburg an diesem Donnerstag war die Bundesinnenministerin viel in Europa unterwegs. Nach den Gesprächen mit ihren Kolleginnen und Kollegen in den Nachbarländern verbreitete die SPD-Politikerin immer wieder vorsichtigen Optimismus: "Der unbedingte Wille ist im Moment von vielen Staaten da, sodass es tatsächlich klappen könnte", so Faeser zum Beispiel Anfang der Woche. Von einem "historischen Momentum" war bei ihr auch schon die Rede.

Julian Pahlke widerspricht. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete ist immer wieder als ziviler Seenotretter auf dem Mittelmeer unterwegs. Er glaubt nicht, dass sich die Innenminister auf eine Reform der Asylpolitik einigen können: "Ich sehe dieses historische Momentum ehrlich gesagt nicht", so Pahlke im Interview mit BR24. Das Problem aus seiner Sicht: Die Länder am Mittelmeer würden sich weiter vom Rest der EU allein gelassen fühlen – weil keine verpflichtende Verteilung der Flüchtlinge geplant ist. Daran würden auch die Grenzverfahren nichts ändern.

Grenzverfahren bleiben die Ausnahme

Die Grenzverfahren sind gedacht für Menschen, die in der Regel keine hohe Chance haben als Asylbewerber anerkannt zu werden. Schätzungsweise jeder Vierte müsste ins Grenzverfahren, zum Beispiel Menschen aus Georgien, Bangladesch und Pakistan. Syrer oder Afghanen, die aktuell die meisten Asylanträge in Deutschland stellen, würden weiter ein normales Verfahren durchlaufen.

Für die Grenzverfahren müssen die Menschen bis zu drei Monate in einer abgeschlossenen Unterkunft auf EU-Boden in der Nähe der Außengrenze warten. In dieser Zeit prüfen die Behörden, ob ihr Antrag zulässig ist. Ist er das, dürfen die Menschen offiziell einreisen. Heißt es Nein, müssen sie zurück in ihre Heimat.

Entlastung für Kommunen?

Diese Grenzverfahren hatte die Bundesregierung den Ländern und Kommunen vor einem Monat als Möglichkeit genannt, um den Migrationsdruck zu senken. Der Grünen-Abgeordnete Pahlke hält das für Augenwischerei: "Es wird keinen einzigen Kita-Platz schaffen und nicht eine Wohnung mehr an den Markt bringen."

In der Ampel-Koalition denken noch mehr so wie Pahlke. 30 junge Abgeordnete von Grünen und SPD haben in einem Positionspapier davor gewarnt, das Grundrecht auf Asyl abzuschwächen. Darin heißt es zum Beispiel: "Minderjährige und ihre Eltern dürfen keinesfalls in solch ein Grenzverfahren kommen."

Faeser will Minderjährige von Grenzverfahren ausnehmen

Genau das will auch Nancy Faeser erreichen. Auch wenn andere Positionen zu lesen seien, hat die Bundesregierung nach ihren Worten eine "geeinte Position". Auf dieser Basis werde sie in Luxemburg verhandeln. Ob sich Faeser dort durchsetzen kann – offen. Denn die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass nur Familien mit Kindern unter zwölf Jahren von den Grenzverfahren ausgenommen werden.

Der Druck auf die Bundesinnenministerin kommt in der Asylpolitik von allen Seiten: Unterschiedliche Interessen in der EU. Einigen in der Ampel ist ihr Kurs zu restriktiv. Und der Union im Bundestag gehen die von Faeser angestrebten Ausnahmen zu weit. Der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm befürchtet, dass Faeser einer Einigung "um jeden Preis" will. Dabei sei sie auch bereit, "den kleinsten gemeinsamen Nenner" zu akzeptieren, nur um einen Erfolg vorweisen zu können.

Faeser braucht Erfolg für Wahlkampf in Hessen

Throm äußert im Gespräch mit BR24 die Vermutung, dass Faeser dabei an ihren Wahlkampf in Hessen denkt. Die SPD-Politikerin will dort im Herbst Ministerpräsidentin werden. Bisher macht sie in ihrer Heimat kaum Wahlkampf. Dabei liegt ihre SPD in Umfragen deutlich hinter der regierenden CDU.

Ein Erfolg in der EU-Asylpolitik wäre wichtig – auch für Faeser persönlich. Die Bundesinnenministerin versucht es mit Zweckoptimismus. Nach den großen Flüchtlingsbewegungen in den 1990er-Jahren und in den Jahren 2015/2016 könne sich die EU ein Scheitern in der Asylpolitik "nicht leisten". Denn sonst sei der Schengen-Raum mit offenen Grenzen innerhalb Europas in Gefahr.

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