Fahrradfahrer stehen in der Innenstadt an einer Ampel
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Aus für "Radentscheid Bayern" - Initiatoren enttäuscht

Das von 100.000 Menschen unterstützte Rad-Volksbegehren im Freistaat ist rechtlich nicht zulässig. Das entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof. Das Innenministerium sieht sich bestätigt, die Initiatoren wollen nun andere Wege gehen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Das geplante Volksbegehren für ein neues Radgesetz ist vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gescheitert. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens "Radentscheid Bayern" seien nicht gegeben, sagte Gerichtspräsident Hans-Joachim Heßler am Vormittag in München. Das Gericht begründete dies insbesondere damit, dass einige der geforderten Regelungen in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingreifen würden.

Auch eine teilweise Zulassung komme nicht in Betracht, teilte der Verfassungsgerichtshof mit. Denn das Anliegen des Volksbegehrens wäre "ohne die kompetenzwidrigen Vorschriften in einem grundlegenden Baustein entwertet". Es wird also nicht zu einer Volksabstimmung kommen.

Widerspruch zum Straßenverkehrsrecht des Bundes

Laut Verfassungsgerichtshof können Länder nur dann eigene Regeln treffen, wenn der Sachverhalt nicht bereits abschließend von Bundesrecht geregelt sei. Beim vorliegenden Gesetzentwurf sei dies aber der Fall.

Heßler nannte als Beispiel die Forderung, dass vor Kindertagesstätten und Schulen zu den An- und Abfahrtszeiten verkehrsberuhigte Zonen eingeführt werden sollen. Diese Soll-Formulierung habe einen pauschalen Charakter und widerspreche damit teilweise dem Straßenverkehrsrecht des Bundes, das von einer Einzelfallregelung ausgehe.

Innenminister sieht sich bestätigt

Das Innenministerium hatte das Volksbegehren ebenfalls für unzulässig gehalten und den Antrag daher dem Verfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, er habe die Entscheidung der Verfassungsrichter so erwartet.

In dem Gesetzentwurf seien einige Regelungen vorgesehen, die vom Straßenverkehrsrecht abweichen. "Dazu haben wir leider auf Landesebene keine Befugnis", sagte der Minister. "Bundesrecht hat Vorrang vor Landesrecht. Und das hat auch der Verfassungsgerichtshof so gesehen."

100.000 Unterschriften - ADFC-Vorsitzende "sehr enttäuscht"

Die Initiatoren des "Radentscheid Bayern" fordern vom Freistaat ein neues Radgesetz und eine Änderung weiterer Vorschriften - beispielsweise des Straßen- und Wegegesetzes. Ziel ist es, bis 2030 den Anteil des Radverkehrs am bayerischen Verkehrsaufkommen auf mindestens 25 Prozent zu erhöhen - unter anderem durch den Neu-, Um- und Ausbau sowie die Sanierung von Radwegen. Mehr als 100.000 Menschen unterstützten die Forderungen mit ihrer Unterschrift.

Bernadette Felsch, Beauftragte des Volksbegehrens und Vorsitzende des ADFC Bayern, zeigte sich "sehr enttäuscht, dass es jetzt nicht zum Volksbegehren über sicheren Radverkehr in Bayern kommt". Die Entscheidung wertete sie als Aufforderung, "an das Bundesrecht ranzugehen". Denn es brauche mehr Sicherheit für den Radverkehr im Freistaat.

Münchens zweite Oberbürgermeisterin, Katrin Habenschaden (Bündnis 90/Die Grünen) hält dennoch an den Inhalten des Volksbegehrens fest: "Das ist in einem ersten Schritt natürlich ärgerlich, aber dadurch werden die Forderungen des Radentscheids natürlich nicht weniger wichtig", sagte sie dem BR. Eine besonders wichtige Forderung der Aktivisten und Aktivistinnen sei, dass die Staatsregierung mit den Unterstützern des Volksbegehrens in den Austausch gehe und man gemeinsam an den Forderungen arbeite. Denn "dass wir in Bayern – vor allem in der Fläche – eine bessere Radl-Infrastruktur brauchen, ist nichts, was irgendjemand überraschen dürfte", so Habenschaden.

Grünen-Landeschef Thomas von Sarnowski sagte dem BR, die Ampel-Regierung habe vereinbart, die Straßenverkehrsordnung zu reformieren. Unabhängig davon sei aus der Gerichtsentscheidung herauszuhören, dass es durchaus Auslegungsspielraum gebe. "Wir sehen andere Bundesländer, die viel mehr tun für den Radverkehr."

Frage der Budgethoheit erörtert Verfassungsgerichtshof nicht

Wozu sich die Verfassungsrichter am Mittwoch nicht äußerten, war die vorab viel diskutierte Frage der Budgethoheit. Die Höhe der erforderlichen Haushaltsmittel für das Begehren würde zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Budgetrechts führen, hatte das bayerische Innenministerium argumentiert. Laut Verfassung darf über den Staatshaushalt kein Volksentscheid stattfinden. Da das Begehren aber bereits aufgrund der Bundeskompetenz unzulässig sei, habe man die Budgetfrage nicht weiter erörtert, sagte Gerichtspräsident Heßler.

Jan Renner vom Verein "Mehr Demokratie Bayern" hätte sich mehr Klarheit gewünscht: "Die Frage des Budgetrecht, gerade in Bezug auf die direkte Demokratie auf Landesebene, ist eine ganz zentrale. Sie hat große Wirkung auf die Frage, wie wir in Bayern Volksbegehren gestalten können - was wir mit der direkten Demokratie überhaupt angehen können." In Anbetracht dieser Relevanz finde er es "sehr schade, dass heute dazu kein Urteil kam", sagte Renner BR24.

Martin Geilhufe vom Bund Naturschutz in Bayern beurteilte die Gerichtsentscheidung als "echten Rückschritt" für die Mobilitätswende. "Nun müssen und werden wir verstärkt mit anderen Mitteln dafür arbeiten, dass es damit in Bayern vorangeht." Die Münchner ÖDP-Stadträtin Sonja Haider twitterte: "Bürgerbeteiligung durch Bürger-/Volksbegehren ist tot." Wenn selbst mit teurem rechtlichen Rat nichts mehr durchgesetzt werden könne, "dann frustriert das ungemein und führt zu Radikalisierung".

Regierungskoalition legt eigenes Radgesetz vor

Vor gut zwei Wochen hatten CSU und Freie Wähler proaktiv einen Entwurf für ein neues Fahrradgesetz vorgelegt. Bis 2030 sollen demnach in Bayern 1.500 Kilometer neue Radwege und ein landesweit durchgängiges Radverbindungsnetz entstehen. Innenminister Herrmann betonte, er gehe davon aus, dass dieser Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause beschlossen werde. "Und dann werden wir ja in Bayern ein Radgesetz haben. Ich halte das für sehr wichtig, denn wir wollen den Radverkehr in Bayern ja weiter voranbringen."

Den Initiatoren des Rad-Volksbegehrens geht der Gesetzesentwurf aber nicht weit genug. Felsch erneuerte die Forderung nach einer Beteiligung: "Wir bieten unsere Expertise an und werden da auf jeden Fall konstruktiv mitarbeiten, wenn wir denn mitarbeiten dürfen."

Mit Informationen von dpa und epd.

Im Justizpalast gescheitert: Der Verfassungsgerichtshof hält das Volksbegehren "Radentscheid" für nicht zulässig.
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Im Justizpalast gescheitert: Der Verfassungsgerichtshof hält das Volksbegehren "Radentscheid" für nicht zulässig.

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