Blick auf den Roten Platz in Moskau durch ein Gitter.
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Machtkampf in Russland

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Wagner-Aufstand laut Beobachtern seit langem geplant

Der Marsch der Wagner-Gruppe auf Moskau wurde abgeblasen. Nun bemühen sich Politiker und Russland-Kenner um eine Deutung der dramatischen Ereignisse: Wie kam es dazu - und wie geschwächt ist nun Präsident Putin?

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Wie geht es weiter in Russland? Nach dem Ende des Aufstands der Wagner-Gruppe gegen Moskaus Führung sind die beiden einst verbündeten Widersacher abgetaucht. Weder Söldnerchef Jewgeni Prigoschin noch Präsident Wladimir Putin haben sich zu Wort gemeldet, seit der Kreml am Samstag die Einigung zwischen Wagner auf der einen und Russlands Militär und Sicherheitsbehörden auf der anderen Seite verkündet hat. Auch hochrangige Militärs hüllen sich in Schweigen. Jetzt bemühen sich Beobachter weltweit um eine Deutung des abgeblasenen Aufruhrs.

Ex-US-General: "Prigoschin hat eindeutig die Nerven verloren"

Der pensionierte US-General und ehemaliger CIA-Direktor David Petraeus ist überzeugt: "Prigoschin hat eindeutig die Nerven verloren." Diese Rebellion habe "nicht die Art von Unterstützung" gefunden, "die er sich erhofft hatte" , sagte er zum Nachrichtensenders CNN. Diese Rebellion habe "nicht die Art von Unterstützung" gefunden, "die er sich erhofft hatte".

Vorsitzender des US-Geheimdienstausschusses von längerfristigen Planung des Aufstands überzeugt

Der US-Abgeordnete Mike Turner, der dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses vorsitzt, sagte, der Marsch auf Moskau sei offenbar vorbereitet worden. "Als Militär versteht er die Logistik und die Unterstützung, die er dafür braucht", sagte Turner in einer Sendung des Senders CBS. Der Aufstand müsse "über einen längeren Zeitraum geplant" gewesen sein.

Klingbeil: "Massive Demütigung" für Putin

SPD-Chef Lars Klingbeil sieht eine "massive Demütigung" für Putin. In der ARD sagte er am Sonntagabend, er vermute große Zweifel in der russischen Elite, in wieweit Putin das Land noch beschützen könne. Klingbeil sieht Putin als "massiv geschwächt" - zumindest hoffe er das.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hält sich in ihrer Einschätzung der Lage in Russland deutlich vager: "Was auch immer die Beweggründe sind, es könnte sein, dass das der erste Haarriss ist, in diesem Beton des Kreml". Es könne sein, dass "andere jetzt warten, wie Putin und andere sich aufstellen", spekulierte sie weiter.

Kiesewetter: Putin wird Krieg gegen die Ukraine "intensivieren"

Roderich Kiesewetter, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, ist zwar ebenfalls überzeugt, dass Putin nun geschwächt sei, rechnet nach dem gescheiterten Aufstand aber jetzt mit einem noch härteren Vorgehen des russischen Präsidenten. "Putin muss jetzt bei seinen Widersachern den Eindruck vermeiden, er sei angeschlagen. Er muss innenpolitische Stärke zeigen", so Kiesewetter gegenüber dem Berliner "Tagesspiegel". Putin werde "den Krieg gegen die Ukraine intensivieren, noch brutaler machen als bislang schon".

Der Druck auf Russland müsse jetzt noch größer werden. Die Ukraine brauche nun "mehr Hilfe denn je", sagte Kiesewetter und forderte, Deutschland müsse der Ukraine den Marschflugkörper vom Typ Taurus liefern. Zudem müsse die Bundesregierung "die Rüstungsproduktion in Europa bündeln und verstärkt auf Ukrainer, Polen und Balten hören", fügte Kiesewetter hinzu.

Roth befürchtet "Stalinisierung" in Russland

Zu einer ähnlichen Einschätzung der Lage kommt auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth. "Es war eine Demütigung für Putin, dass er die Lage nicht mehr unter Kontrolle hatte. Und das vor den Augen der Weltöffentlichkeit und vor den Augen der russischen Bevölkerung. Das ist für einen Diktator schon schwere Kost", sagt der SPD-Politiker den Sendern RTL und ntv.

Der Aufstand habe auch deutlich gezeigt, dass Putin keinen Ewigkeitsanspruch für seine Macht habe. Die Rebellion von Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin habe in der russischen Bevölkerung klare Zweifel an Putin geweckt. Als Reaktion befürchtet Roth, dass es zu einer "Stalinisierung" in Russland kommen könnte: "Das heißt, Gegnerinnen und Gegner könnten jetzt noch früher aus dem Weg geräumt werden. Entweder sie werden ins Gefängnis gesteckt oder möglicherweise getötet."

Trittin: "drohender Bürgerkrieg oder ein Zerfall Russlands" besorgniserregende Dimension

Der Außenpolitiker Jürgen Trittin von den Grünen nannte es "erheblich besorgniserregend", dass die Atommacht Russland "von einer Söldnertruppe erpresst worden" sei. Auf eine solche Eskalation sei "niemand vorbereitet, auch nicht die USA". Ein "drohender Bürgerkrieg oder ein Zerfall Russlands" sei eine besorgniserregende Dimension, sagte Trittin dem "Tagesspiegel". Die Eskalation habe Putin "massiv geschadet".

Nach Wagner-Aufstand: Telefonat zwischen Biden und Selenskyj

Bereits in der letzten Nacht hatten sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat über den gescheiterten Aufstand der Söldner-Gruppe Wagner in Russland beraten. Er habe mit Biden "eine positive und inspirierende Unterhaltung" geführt, erklärte Selenskyj im Kurzbotschaftendienst Twitter. "Wir haben über den Verlauf der Kampfhandlungen und über die Prozesse in Russland diskutiert." Dabei sei es auch um Waffen mit längerer Reichweite gegangen.

Die Welt müsse "Druck auf Russland ausüben, bis die internationale Ordnung wieder hergestellt ist", erklärte Selenskyj. Seinen Angaben zufolge ging es in dem Telefonat auch um den bevorstehenden Nato-Gipfel in Vilnius im kommenden Monat.

EU-Außenminister tauschen sich zu Entwicklungen in Russland aus

Die EU-Außenminister tauschen sich heute in Luxemburg über den Machtkampf in Russland und die möglichen Auswirkungen auf den Krieg in der Ukraine aus. Mit dabei ist auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Für die EU stellt sich unter anderem zudem die Frage, welche Konsequenzen der Machtkampf zwischen Prigoschin und Putin auf Konflikte und Kriege in anderen Ländern haben könnte. So war die bislang von Putin unterstütze Wagner-Gruppe in den vergangenen Jahren nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Ländern wie Mali und Libyen aktiv.

Mit Material von dpa und AFP

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