Haus im Wärmebild auf einem Smartphone.
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Aktuell gibt es einen Boom in der Energieberater-Branche. Allerdings verhelfen Sanierungsvorschläge nicht immer zu einer Energieeinsparung.

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Energieberatung: "Es gibt sehr viele Dilettanten"

Klimawende und Heizungsgesetz haben einen Boom in der Energieberater-Branche ausgelöst. Allerdings verhelfen Sanierungsvorschläge nicht immer zu einer Energieeinsparung. Selbst auf staatlich empfohlene Energie-Experten ist nicht unbedingt Verlass.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

"Ich habe mir das wesentlich professioneller vorgestellt", sagt ein Hausbesitzer aus Oberbayern, der seinen Namen nicht öffentlich nennen will. Er möchte seine Ölheizung loswerden und noch ein paar andere Energiespar-Maßnahmen in seinem Eigenheim durchführen.

Von seinem Energieberater hat er sich sachkundige Unterstützung erhofft, doch der von dem Berater vorgelegte Sanierungsfahrplan strotzt vor Fehlern: Fotos von einem fremden Haus, ein völlig falsches Baujahr bei der Heizung und eine angeblich ungedämmte Kellerdecke, die de facto schon seit Jahren eine Dämmung hat.

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Bausachverständiger: Sanierungsfahrplan wertlos

Der öffentlich bestellte und vereidigte Bausachverständige Frank Deitschun aus Bremen hat diesen Sanierungsfahrplan genauer unter die Lupe genommen. Sein Urteil ist vernichtend. Schon die Auswertung des energetischen Ist-Zustandes des Einfamilienhauses sei unbrauchbar. Das Objekt sei offensichtlich nicht intensiv begangen worden. Beim Thema Wärmeschutz habe der Energieberater zwar Werte vorgegeben, aber nicht erläutert, ob und wie sie erreicht werden können. Fazit des Bausachverständigen: "Das Ding ist aus meiner Sicht nichts wert."

Im Büro von Frank Deitschun häufen sich die Beschwerden von Hausbesitzern über Energieberater. Er müsse sich Arbeiten ansehen, bei denen er sich frage: "Was machen gerade die Energieberater mit den Häuslebauern?" Seiner Erfahrung nach gibt es unter den Energieberatern "sehr viele Dilettanten".

Energieberater aus der Liste der Deutschen Energieagentur

Das Grundproblem: Der Beruf des Energieberaters ist nicht geschützt. Jeder kann sich so nennen. Der Energieberater allerdings, den der Hausbesitzer aus Bayern beauftragt hat, wird von der Deutschen Energieagentur – kurz dena – offiziell empfohlen. Wer für energetische Sanierungsmaßnahmen staatliche Fördermittel beantragen will, ist sogar verpflichtet, sich von einem auf der Webseite der dena gelisteten Energieeffizienz-Experten beraten zu lassen.

Das bundeseigene Unternehmen teilt auf die Frage nach der Qualitätssicherung unter anderem mit, dass nur einschlägige Berufsgruppen wie zum Beispiel Architekten oder Handwerksmeister als Energieberater zugelassen würden. Zudem fänden bei geförderten Maßnahmen stichprobenartige Vor-Ort-Kontrollen statt.

Berufsverband fordert Verbesserung der Beratungsqualität

"Ich habe das Vertrauen in diesen Prozess verloren", kritisiert der bayerische Hausbesitzer nach seinem Reinfall mit dem dena-Energieeffizienz-Experten – und sogar der Berufsverband fordert bessere Arbeit. Stefanie Koepsell vom Deutschen Energieberater-Netzwerk in Offenbach gibt zu bedenken, dass die dena-Liste die einzige Orientierungsmöglichkeit für Verbraucher sei und spricht sich für eine Verbesserung der Qualitätssicherung sowie ein einheitliches Berufsbild aus.

Ein Problem könnte in der Ausbildung zum Energieberater liegen. Youtuber Alexander Boerger aus Berlin kennt Insider-Informationen. Sein Kanal ist auf Energiethemen spezialisiert. Um sein Wissen zu erweitern, hat der Youtuber im November 2022 einen Online-Kurs zum Energieberater absolviert. Die Lerninhalte haben ihn überrascht. Er dachte, zu erfahren, wie Dämmung und eine Wärmepumpe funktioniert. Stattdessen habe der Schwerpunkt der Ausbildung aber darauf gelegen, Förderanträge richtig auszufüllen und Förderungsbetrug zu verhindern. "Das Einzige, wobei man sicher sein kann, wenn man so einen Energieeffizienz-Experten holt", so Boerger, "ist, dass er am Ende die Formulare sicher ausfüllen kann".

Viel Geld – kein Ertrag

Das Risiko sei größer 50 Prozent, schätzt der Bausachverständige Frank Deitschun, "dass eine Energieberatung in die falsche Richtung geht, dass die Immobilieneigentümer viel Geld ausgeben und keinen Ertrag haben". Kurz: Sie sparen trotz teurer und aufwendiger Maßnahmen gar keine Energie ein. Schlechte Energieberatung kann also kostspielige Folgen haben.

Den bayerischen Hausbesitzer hätte der fehlerhafte Sanierungsfahrplan an seine finanziellen Grenzen gebracht. Rund 180.000 Euro hatte der Energieberater für die Sanierungsmaßnahmen veranschlagt – fast die komplette Altersvorsorge des Rentners. Diese Summe habe ihn erschreckt, räumt er ein. Nach dieser Erfahrung wird er seine Energiespar-Pläne nochmals gründlich überdenken.

Dieser Artikel ist erstmals am 22. Juni 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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