Polizeibeamte stehen in der Silvesternacht hinter explodierendem Feuerwerk.
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Polizeibeamte stehen in der Silvesternacht hinter explodierendem Feuerwerk.

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Silvester - Einsatzkräfte appellieren: "Greift uns nicht an"

Sie wollen Brände löschen oder Verletzte retten und werden selbst angegriffen. Gewalt gegen Einsatzkräfte wird zu einem größeren Problem in Deutschland. An Silvester wird erneut mit derartigen Attacken gerechnet. Doch was lässt sich dagegen tun?

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

"Greift uns nicht an. Beschießt uns nicht mit Böllern, Raketen oder Schreckschusswaffen. Ihr macht euch strafbar und euch drohen mehrere Jahre Gefängnis", bitten eine Polizistin, ein Polizist und ein Feuerwehrmann in einem Video.

Zum Start des Feuerwerksverkaufs an diesem Donnerstag warnen Polizei und Feuerwehr in Berlin mit der gemeinsamen Aktion vor dem Missbrauch von Feuerwerksprodukten. "Wir gehen gemeinsam in den Einsatz. Damit ihr Silvester sicher feiern könnt. Und um euch zu helfen, wenn ihr uns braucht", erklären sie in dem auf "X" veröffentlichten Posting.

  • Zum Artikel: "Böller-Angriffe: 'Einsatzkräfte fühlen sich wie Freiwild'"

"Massiver Personaleinsatz": Polizei will erneute Gewalt verhindern

Im vergangenen Jahr sorgten derartige Vorfälle für bundesweite Empörung: Einsatz- und Rettungskräfte in Berlin und anderen Städten waren massiv angegriffen worden. Zum Teil musste die Polizei ausrücken, um Feuerwehrleute beim Löschen von Bränden gegen Angriffe zu schützen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) rechnet nun mit erneuten Ausschreitungen an Silvester und stellt sich auf massive Polizeieinsätze ein, sagte der GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke der "Rheinischen Post".

"Spätestens seit den Gewaltexzessen im vergangenen Jahr in Berlin, aber auch in zahlreichen Orten im Ruhrgebiet und selbst im eigentlich friedlichen Bonn weiß jeder, dass in unserer Gesellschaft etwas auseinandergelaufen ist", sagte er weiter. "Darauf müssen wir endlich reagieren." Die Polizei werde an den Brennpunkten mit einem "massiven Personaleinsatz" vor Ort sein, um erneute Gewaltausbrüche wie im vergangenen Jahr zu verhindern.

"Wer versagt hat, ist die Politik", sagte Kopelke. "Warum gibt die Politik der Polizei nicht endlich die rechtlichen Möglichkeiten, um konsequent gegen die Beteiligten der Gewaltexzesse einschreiten zu können? Und warum haben wir an Silvester nicht längst ein Verkaufsverbot für Böller? So wie das auch sonst im ganzen Jahr gilt", so der GdP-Vorsitzende weiter.

Politik und Verbände fordern härteres Durchgreifen

Angesichts Zehntausender Angriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte fordern auch Politik und Verbände ein härteres Durchgreifen. "Es braucht mehr Respekt vor Anderen und konsequentes Bestrafen derjenigen, die sich nicht an die Spielregeln halten. Hinter jeder Uniform steckt ein Mensch", sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands, Karl-Heinz Banse, nannte solche Taten einen Angriff gegen den Staat. Für 2023 deutet sich ein Anstieg bei der Zahl der Angriffe an.

Auch Banse forderte von der Gesellschaft mehr Respekt gegenüber Einsatzkräften. "Der Staat muss dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die das tun, auch mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden. Da hapert es noch", sagte er. Sein Verband hatte zuletzt in einer Umfrage ermitteln lassen, wie viele Feuerwehrleute sich Gewalt ausgesetzt sahen. Die Ergebnisse werden am Donnerstag vorgestellt.

Anstieg bei Fallzahlen: Gewalt gegen Einsatzkräfte nimmt zu

Bundesweite Zahlen zu Übergriffen im zu Ende gehenden Jahr liegen noch nicht vor. Vom bayerischen Innenministerium hieß es bereits: "Es gibt aber wohl einen weiteren Anstieg der Fallzahlen beim Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte." In Rheinland-Pfalz wurden nach Angaben des Landesinnenministeriums im ersten Halbjahr dieses Jahres 2.151 Einsatzkräfte als Opfer von Gewaltdelikten erfasst.

Demnach waren dort 2023 Polizeibeamte betroffen. Bei der Feuerwehr seien 16 und unter den sonstigen Rettungsdiensten 112 Opfer in den ersten sechs Monaten erfasst worden. Bei den Zahlen handelt es sich laut dem Ministerium um Opfer von in diesem Zeitraum abgeschlossenen Ermittlungsverfahren. Der Tatzeitpunkt könne deshalb auch vor 2023 liegen. 2022 gab es insgesamt mehr als 4.300 Betroffene.

Niedersachsen rechnete mit einer Zunahme von Gewalttaten in diesem Jahr. Laut Innenministerium verzeichnet das Bundesland bei Angriffen auf die Polizei mit Stand Ende Oktober ein Plus im unteren dreistelligen Bereich im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt.

Hemmschwelle gesunken: 30 Prozent mehr Angriffe auf Feuerwehrleute

In Berlin ging die Polizei für 2023 zuletzt von etwa 15 Prozent mehr Angriffen auf Polizisten und 30 Prozent mehr auf Feuerwehrleute im Vergleich zum Vorjahr aus. Im vergangenen Jahr seien in der Hauptstadt 2.291 Polizisten Opfer eines tätlichen Angriffs geworden. Bundesweit gab es 2022 mehr als 42.700 Gewalttaten gegen Polizeivollstreckungsbeamte – 7,9 Prozent mehr als 2021, wie das Bundeskriminalamt mitgeteilt hatte.

Die Hemmschwelle, "Menschen in Uniform anzugreifen und zu verletzen", sei stetig gesunken, sagte NRW-Innenminister Reul. "Das ist nicht hinnehmbar." Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Qualität der Angriffe auf Einsatzkräfte im vergangenen Jahr sei neu, "etwa wenn Rettungskräfte in mutmaßliche Hinterhalte gelockt und angegriffen wurden".

Johanniter: Kein Anstieg – doch"jeder Angriff ist einer zu viel"

Für die Johanniter-Unfall-Hilfe in Niedersachsen steht fest: Jeder Angriff sei einer zu viel. Im Laufe dieses Jahres sei aber kein Anstieg von Angriffen gegen Einsatzkräfte zu verzeichnen gewesen. Der Verein hofft, dass die Öffentlichkeitskampagnen der vergangenen Monate griffen und den Menschen im Bewusstsein bleibe, dass Retter nie Ziel körperlicher Angriffe sein dürfen.

Beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Wiesbaden werden Einsatzkräfte nach Angaben einer Sprecherin geschult, in solchen Situationen deeskalierend zu wirken. "Sie wissen auch, wann sie sich zurückziehen und die Polizei rufen sollten." Das Innenministerium in Wiesbaden teilte mit: "Im Rahmen der Aus- und Fortbildung werden Polizistinnen und Polizisten auf derartige Angriffe vorbereitet."

Größter Einsatz seit Jahrzehnten: Einsatzkräfte bereit für Silvester

In Berlin gibt es nun zum Jahreswechsel den größten Polizeieinsatz an Silvester seit Jahrzehnten, auch in anderen Städten sollen viele Polizisten für Sicherheit sorgen. Die Berliner Feuerwehr sieht sich gut vorbereitet. Feuerwehrsprecher Vinzenz Kasch sagte im RBB24 Inforadio, nach den Übergriffen im vergangenen Jahr habe man in den betroffenen Kiezen Projekte mit Jugendlichen angestoßen und die Zusammenarbeit mit der Polizei intensiviert.

"Wir können davon ausgehen, dass es auch wieder solche Szenen wie im vergangenen Jahr geben wird – aber wir haben uns da eben jetzt anders aufgestellt, in der Abstimmung mit der Polizei, in der Information der eigenen Einsatzkräfte", sagte Kasch.

Mit Informationen von AFP und dpa

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