Bayerns FDP-Chef Martin Hagen
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Bayerns FDP-Chef Martin Hagen. Er spricht sich für den Verbleib der Liberalen in der Ampel aus.

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Raus aus der Ampel? So ist die Stimmung in der bayerischen FDP

Aktuell befragt die FDP ihre Mitglieder, ob sie die Bundesregierung mit SPD und Grünen verlassen soll. Bundes- und Landesspitze setzen sich für einen Verbleib ein – einige prominente Liberale aus Bayern wollen die Koalition hingegen sofort beenden.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Das neue Jahr könnte für die Berliner Ampel mit größtmöglicher Sprengkraft beginnen. Bis zum 1. Januar sind die rund 76.000 FDP-Mitglieder aufgerufen, über einen Austritt ihrer Partei aus der Bundesregierung abzustimmen.

"Soll die FDP die Koalition mit SPD und Grünen als Teil der Bundesregierung beenden?", lautet die Frage. Antwortmöglichkeiten: "Ja" oder "Nein".

Die Parteispitze hat sich bereits klar positioniert: FDP-Chef Christian Lindner warb für einen Verbleib der Liberalen in der Bundesregierung. Und selbst lautstarke Kritiker der Ampel (und insbesondere der Grünen) wie Parteivize Wolfgang Kubicki oder der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler sprachen sich bereits gegen einen Austritt aus.

Hagen: "Ausstieg nicht im Interesse der FDP und des Landes"

Auch der bayerische FDP-Landeschef Martin Hagen will seine Partei weiter als Teil der Ampel sehen: "Ein Ausstieg aus parteitaktischen Gründen wäre, glaube ich, weder im Interesse der FDP noch im Interesse unseres Landes." Gleichwohl räumte Hagen ein, dass der Frust über die "Gesamt-Performance" und die "Außendarstellung" der Ampel groß sei.

Die Ehrenvorsitzende der Bayern-FDP, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, und der Chef der bayerischen Jungliberalen, Tobias Dutta, schrieben in einem offenen Brief: "Wir sind keine Partei, die vor der Verantwortung flieht. Und niemand mag Menschen, die vor der Verantwortung davonlaufen."

Heubisch: "Wir gestalten zu wenig"

Es gibt aber auch prominente Liberale im Freistaat, die sich für einen Austritt stark machen. Zu ihnen gehört Wolfgang Heubisch, früherer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst. "Wir können in dieser Regierung nur Schlimmeres verhindern, aber wir gestalten zu wenig", sagte Heubisch zu BR24. "In der Bildungspolitik machen wir viel zu wenig. Die letzte Pisa-Studie hat es auch wieder mal gezeigt." Da müsste die FDP laut Heubisch "klotzen" und in der Koalition viel mehr durchsetzen. Doch statt mehr Geld zu investieren, würden 200 Millionen Euro gekürzt. Das Bundesbildungsministerium liegt in der Hand von Heubischs Parteikollegin Bettina Stark-Watzinger.

Kritik an Wirtschafts-, Sozial- und Flüchtlingspolitik der Ampel

Der frühere Vizepräsident des bayerischen Landtags stört sich außerdem an der Wirtschafts-, Sozial- und Flüchtlingspolitik der Ampel. Es brauche keinen Industriestrompreis ("Subventionierung von Wenigen"), sondern stattdessen ein "aggressiv-dynamisches" Unterstützungsprogramm für den Mittelstand. Auch ans Bürgergeld will Heubisch ran: "Es muss ein größerer Abstand zwischen denen, die arbeiten und denen, die nicht arbeiten, sein." Zudem müssten Migranten ohne Aufenthaltsrecht konsequent in ihre Heimatländer oder Drittländer zurückgeführt werden.

Der FDP sei es gelungen, einige Bestrebungen von SPD und Grünen zu verhindern. So hätten die Liberalen die Einhaltung der Schuldenbremse durchgesetzt und das sogenannte Heizungsgesetz "vom Kopf auf die Füße gestellt", so Heubisch: "Aber es wird uns nicht zugerechnet draußen." Absprachen innerhalb der Koalition - wie beispielsweise die gestrichene Subvention von Agrar-Diesel - würden oftmals binnen kürzester Zeit wieder infrage gestellt. Bei der Schuldenbremse habe man sich die Möglichkeit offen gelassen, diese je nach Verlauf des Kriegs gegen die Ukraine 2024 doch nochmals auszusetzen. "Die FDP-Wähler wollen eine andere Politik ihrer liberalen Partei", sagte Heubisch.

FDP in Umfragen abgerutscht

In bundesweiten Umfragen liegt die FDP aktuell zwischen vier und sechs Prozent. Damit habe die Partei im Vergleich zur letzten Bundestagswahl (11,5 Prozent) bereits mehr als die Hälfte ihrer Wähler verloren, so Heubisch: "Wir brauchen eigentlich ein FDP-Programm pur." Dass seine Partei bei vorgezogenen Neuwahlen ganz aus dem Bundestag fliegen könnte, schreckt ihn nicht ab. "Die Gefahr haben wir so oder so", sagte Heubisch. "Was soll sich denn in der Regierung Tolles ändern?" Er wisse nicht, woher die Befürworter eines Verbleibs ihren Optimismus hernehmen, dass es bei der nächsten regulären Bundestagswahl in zwei Jahren besser aussehen werde als jetzt.

Ähnlich sieht das der frühere Landeschef der Bayern-FDP, Albert Duin, der wie Heubisch zuletzt für die FDP im Landtag saß, aufgrund des schlechten Abschneidens der Liberalen bei der Landtagswahl (3 Prozent) aber nicht wieder ins Parlament einzog. Duin wandte sich zuletzt in einem offenen Brief an Parteichef Lindner und forderte vehement einen Austritt der FDP aus der Ampel. Deren Politik bezeichnete er in weiten Teilen als "Irrsinn". Die Aussagen, Schlimmeres verhindert zu haben, beruhige niemanden – "bestenfalls die vielen Partei-Vasallen, die Angst um ihre Posten haben und die, die mittlerweile sehr stark ins links-grüne Lager abgedriftet sind".

Hagen gewinnt Kampfkandidatur als Landeschef nur knapp

Mitte November hatte Duin auf dem Landesparteitag überraschend gegen Hagen als Landeschef kandidiert und in seiner Bewerbungsrede gepoltert, er werde im Bundesvorstand "den Leuten in den Arsch treten" und habe "die Schnauze gestrichen voll". Am Ende setzte sich Hagen knapp mit 54 Prozent gegen Duin durch (210 zu 182 Stimmen). Zwar riefen beide anschließend zur Einigkeit auf. Bei der Frage "Raus aus der Ampel?" zeigt sich aber ein deutlicher Dissens innerhalb der bayerischen FDP.

Zu der Mitgliederbefragung über einen möglichen Austritt aus der Ampel kam es, nachdem 598 FDP-Mitglieder beim Bundesvorstand in Berlin einen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Die Abstimmung läuft bis zum 1. Januar um 13 Uhr und ist nicht bindend. Da es sich um eine Online-Befragung handelt, dürfte der Ausgang recht schnell feststehen. Wann das Votum genau veröffentlicht wird, wollte die FDP-Pressestelle auf Anfrage von BR24 aber nicht mitteilen. Dort heißt es nur: "Nach Abschluss der Befragung werden Gremien und Mitglieder über das Ergebnis informiert."

Im Audio: Interview mit FDP-Politiker Karl-Heinz Paqué vom 11. Dezember 2023

Ein Plakat der FDP.
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Auf ihrem Parteitag will die FDP zeigen, dass sie im Wettkampf zwischen Union, Grünen und SPD ums Kanzleramt nicht vergessen werden sollte.

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