Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht auf der Sommer-Pressekonferenz.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht auf der Sommer-Pressekonferenz.

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Scholz rät Politik und Gesellschaft: "Fünfe gerade sein lassen"

Bundeskanzler Scholz hat sich bei der Sommer-Pressekonferenz für den Einsatz von Polizisten in Freibädern ausgesprochen. Den Koalitionspartnern und der Gesellschaft riet er dringend zu mehr Gelassenheit. Das würde Deutschland nach vorn bringen.

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Er freue sich jetzt auf seinen Urlaub, aber sollte es die Situation erfordern, ginge es natürlich auch ohne, sagt Scholz und blickt entspannt lächelnd in die vollbesetzten Reihen der Bundespressekonferenz. Der Kanzler beantwortet fast zwei Stunden lang geduldig die Fragen der Hauptstadtpresse. Die sind ein Kessel Buntes: Scholz wird befragt zur Stimmung in der Koalition, dem Krieg in der Ukraine, der Situation in Schweden und Südkorea, zur Migration, zur Sicherheitslage in Deutschlands Freibädern, zum Thema Sterbehilfe oder zum Dialog der Religionen.

Blick mit Stolz auf das Geleistete

Bei der Befragung durch die Journalisten zeigt sich sehr deutlich, wie der Kanzler gerade tickt. Wie er auf das Geleistete seiner Koalition blickt - und zwar mit Stolz: "Im Herbst vergangenen Jahres hatten alle Angst, dass Fabriken schließen müssen, dass die Krise zehn Jahre dauern wird. Und jetzt? Haben alle vergessen, was wir für ein Problem hatten. Da sage ich: toll." Deutlich wird auch, wie Scholz den koalitionsinternen Streit beim Heizungsgesetz bewertet - irritiert: "Das gefällt weder mir noch sonst irgendwem in diesem Land." Und sehr deutlich wird auch, wie der Kanzler in die Zukunft blickt - nämlich gelassen. Mehr Gelassenheit empfiehlt er bei der Gelegenheit auch dem Rest des Landes und seiner Regierung und das gleich mehrfach: "Der Konsens, der Kompromiss, das 'Fünfe gerade sein lassen', ist ein guter Weg, der Deutschland nach vorne bringt."

Scholz ist kein Mann der lauten Töne. Ausnahmen wie seine emotionale Reaktion auf Beleidigungen durch Demonstranten im brandenburgischen Falkensee Anfang Juni bestätigen die Regel. Scholz wirkt seit Monaten, als hätte er sich selbst Ruhe und Gelassenheit auferlegt. Zieht diesen Stiefel durch, auch wenn um ihn herum gestritten wird, und die Umfragewerte seit Monaten im Sinkflug sind. Angesprochen auf das Umfragehoch der AFD sagt Scholz, er sei zuversichtlich, dass die Partei bei der nächsten Bundestagswahl nicht anders abschneiden werde als bei der letzten Wahl 2021.

Heiter und betont höflich gibt sich Scholz bei der Befragung

Ruhe und Gelassenheit strahlt der Kanzler auch bei der Befragung durch die Journalistinnen und Journalisten aus, bevor es in die parlamentarische Sommerpause geht. Der frühere, manchmal arrogante und besserwisserische Umgang mit kritischen Fragestellern - wie weggeblasen. Scholz bleibt die gesamte Zeit über betont höflich: "Vielen Dank für ihre Frage. Sie gibt mir Gelegenheit zum Wiederspruch." Phasenweise wirkt der Kanzler sogar heiter. Als er sich zum Mindestlohn äußert, ist plötzlich das Piepsen eines Handys zu hören, dessen Melodie nicht nur den SPD-Politiker an einen Weihnachtslied-Klassiker erinnerte. "Wer seinen Klingelton auf 'Jingle Bell' eingestellt hat, der isses", analysierte Scholz lachend und ergänzte: "Ich glaube, das ist jetzt kein Cyber-Angriff." Ein Fotograf, dessen Equipment offenbar für die Störung verantwortlich war, musste den Saal verlassen.

Heizungsgesetz: Scholz erklärt Umgang mit Debatte und internem Streit

Ernst dagegen wirkt Scholz, als es um das Thema Gewalt in Freibädern geht. Er unterstütze den Einsatz von Polizisten, so der Kanzler. Der Staat müsse aufzeigen, dass er das nicht duldet - und zwar mit ganzer Kraft. "Das darf man nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen". Anlass für die Äußerungen des Kanzlers sind Vorfälle in Berliner Freibädern in den vergangenen Tagen. Der Senat hat unter anderem mit dem Einsatz von mobilen Polizeiwachen reagiert. Scholz selbst berichtet bei der Gelegenheit, dass er das letzte Mal vor 40 Jahren in einem Freibad schwimmen war. Er wisse aber sehr wohl, dass sie ein Stück Lebensqualität seien und deshalb müsse man angesichts der Randale auch handeln.

Beim Thema Klimapolitik im Allgemeinen und dem Heizungsgesetz im Besonderen erklärt Scholz erstmals ausführlich, warum er die Debatte und auch den internen Streit hat laufen lassen. Zum einen, weil man, so Scholz, bei vielen Fragen in der gesellschaftlichen Debatte bei null angefangen habe und weil er der Meinung sei, dass es bei solchen politischen Entscheidungen in der Klimapolitik eine breite gesellschaftliche Unterstützung brauche: "Meine Überzeugung ist, wer zum Beispiel Klimapolitik machen will, muss sich zutrauen, dass jede einzelne gesetzliche Regelung in einer Volksabstimmung eine Mehrheit fände. Das muss der Ehrgeiz sein."

Sommerpressekonferenzen: Auch leichte Fragen statt harter Politik

Außenpolitisch stand der Krieg in der Ukraine im Mittelpunkt. Scholz sicherte dem Land weitere finanzielle Unterstützung zu. Verwies darauf, dass der Verteidigungsetat der Regierung in Kiew nach dem russischen Angriff jetzt in etwa so hoch sei wie der Gesamthaushalt vor dem Krieg. Das könne die Ukraine nicht alleine tragen. Konkrete Pläne für ein Telefonat mit Russlands Präsident habe er nicht: "Ich werde selbstverständlich auch mal wieder mit ihm reden", sagt er. "Als Mensch, als Bürger, als Deutscher, als Europäer wünsche ich mir, dass die Ukraine Erfolg hat."

Bei den Sommerpressekonferenzen geht es nicht immer nur um die harte Politik, sondern immer wieder auch um Leichtes, um Emotionen. So wird der Kanzler beispielsweise auch gefragt, als welche Filmfigur er sich sieht. Das bringt Scholz zum Lachen: "Die Frage könnte ich beantworten, mach' ich aber nicht."

Im Video: Scholz bei der Sommer-Pressekonferenz

 Scholz bei der Sommer-Pressekonferenz
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Scholz bei der Sommer-Pressekonferenz

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