27.09.2022, Ukraine, Luhansk: Eine Frau gibt seine Stimme in Luhansk unter der Beobachtung eines Bewaffneten ab.
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27.09.2022, Ukraine, Luhansk: Eine Frau gibt seine Stimme in Luhansk unter der Beobachtung eines Bewaffneten ab.

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Scheinreferenden: Russland meldet hohe Zustimmung für Annexion

Laut russischen Besatzern haben bei den Scheinreferenden in ukrainischen Gebieten nach ersten Auszählungen mehr als 97 Prozent für einen Anschluss an Russland gestimmt. Die völkerrechtswidrigen Abstimmungen werden international nicht anerkannt.

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Die russischen Besatzer haben die Scheinreferenden in mehreren ukrainischen Gebieten für beendet erklärt und erste Ergebnisse der völkerrechtswidrigen Abstimmungen präsentiert. Nach Auszählung erster Stimmzettel in Wahllokalen in Russland hätten jeweils mehr als 97 Prozent der aus den Gebieten Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja stammenden Wähler für einen Beitritt ihrer Heimatregionen zu Russland gestimmt, meldeten russische Agenturen am Dienstag.

Zur Stimmabgabe aufgerufen waren seit vergangenem Freitag auch ukrainische Flüchtlinge in Russland. Damit dürfte noch in dieser Woche eine beispiellose Annexionswelle beginnen.

Scheinreferenden werden nicht anerkannt

Die Scheinreferenden werden weltweit nicht anerkannt, weil sie unter Verletzung ukrainischer und internationaler Gesetze und ohne demokratische Mindeststandards abgehalten werden. Beobachter hatten in den vergangenen Tagen auf zahlreiche Fälle hingewiesen, in denen die ukrainischen Bewohner der besetzten Gebiete zum Urnengang gezwungen wurden. Zehntausende Einwohner sind aus den Regionen wegen des Kriegs bereits geflüchtet. Aufnahmen von jenen, die geblieben sind, zeigten bewaffnete russische Soldaten, die von Tür zu Tür gingen, um Druck auf Ukrainer auszuüben, abzustimmen.

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In einem nächsten Schritt wird erwartet, dass die von Moskau eingesetzten Besatzungsverwaltungen offiziell bei Kremlchef Wladimir Putin die Aufnahme in russisches Staatsgebiet beantragen. Der Separatistenführer in der Region Luhansk kündigte am Abend schon an, er werde so bald wie möglich nach Moskau reisen, um einen förmlichen Antrag zu stellen.

Der Kreml hatte mitgeteilt, dass die Annexion schnell geschehen könnte. Putin hatte vor Beginn der Scheinreferenden betont, dass die Gebiete danach komplett unter dem Schutz der Atommacht Russland stünden.

Kreml-Sprecher: Situation wird sich radikal ändern

Die Scheinreferenden verschärfen die Spannungen zwischen dem Kreml und dem Westen noch weiter und bereiten einer gefährlichen neuen Phase in dem bereits seit sieben Monaten andauernden Angriffskrieg gegen die Ukraine den Boden.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte am Dienstag, nach den Abstimmungen "wird sich die Situation aus rechtlicher Sicht radikal ändern, aus Sicht des Völkerrechts, mit allen damit einhergehenden Konsequenzen für den Schutz dieser Gebiete und der Gewährleistung ihrer Sicherheit". Putin hatte seit der letzten Woche versucht, den Druck weiter zu erhöhen, indem er über die Möglichkeit eines russischen Atomwaffenangriffs sprach.

US-Sicherheitsberater droht mit "katastrophalen Konsequenzen"

Diese Position bekräftigte der Vizevorsitzende des russischen Sicherheitsrats, Ex-Präsident Dmitri Medwedew, am Dienstag - und spekulierte mit Blick auf die Versuche der Ukraine, von Russland besetzte Territorien zurückzuerobern, unverblümt über den Einsatz von Atomwaffen gegen das Land. Die USA und ihre Nato-Verbündeten verstünden, dass "wenn eine Bedrohung für Russland eine bestimmte Gefahrengrenze überschreitet, wir reagieren müssen werden, ohne Irgendjemandes Zustimmung einzuholen und lange Konsultationen abzuhalten". Dies sei "sicherlich kein Bluff", fügte er hinzu.

Die USA und ihre Nato-Verbündeten würden es nicht wagen, im Falle eines Atomschlags gegen die Ukraine auch Russland atomar anzugreifen, sagte er. Der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, hatte Russland im Fernsehsender NBC für den Fall eines Atomwaffeneinsatzes in der Ukraine mit "katastrophalen Konsequenzen" gedroht. Zugleich sehen die USA die Nukleardrohungen des Kreml als Strategie an, Angst zu verbreiten.

Kiew gibt sich unbeeindruckt

Ein Sprecher der Europäischen Union kündigte an, die EU werde Sanktionen gegen die Organisatoren der "illegalen" Abstimmungen verhängen. Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna bezeichnete die sogenannten Referenden im Fernsehsender BFM TV als "Maskerade". Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg stellte auf Twitter klar: Die vier ukrainischen Gebiete "gehören zur Ukraine". Die Nato-Bündnispartner unterstützten die Souveränität der Ukraine und ihr Recht auf Selbstverteidigung ohne Wenn und Aber.

Die Regierung in Kiew will sich von den Scheinreferenden in den vier russisch kontrollierten Gebieten nach eigenen Angaben nicht beeinflussen lassen. "Diese Maßnahmen, diese Entscheidungen von Putin werden keinen Einfluss auf die Politik, Diplomatie und das Handeln der Ukraine auf dem Schlachtfeld haben", sagte Kiews Außenminister Dmytro Kuleba am Dienstag auf einer Pressekonferenz.

UN: Scheinreferenden kein Ausdruck des Volkswillens

Die Vereinten Nationen sprachen den Scheinreferenden erneut die Legitimität abgesprochen. "Sie können nicht als echter Ausdruck des Volkswillens bezeichnet werden", sagte die UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats. Diese einseitigen russischen Handlungen seien nicht mit dem Völkerrecht vereinbar und verfolgten das Ziel, "der gewaltsamen Aneignung des Territoriums eines anderen Staates durch einen Staat einen Schein der Legitimität zu verleihen", sagte sie dem mächtigsten UN-Gremium in New York.

Mit Material von dpa und AP

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